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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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beiden vordersten feindlichen Linien nur wenige hundert Schritt Entfernung
blieben. Dieser Rückzug aber, so langsam er ging, war keineswegs ruhig, viel¬
mehr blieb die Masse in fortwährender Bewegung, und wo eine Granate auf¬
schlug, jagte immer eine Anzahl Reiter hin und tummelte sich in der Nähe
herum, bis das Geschoß platzte, als wollten sie zeigen, daß nur die Ueber¬
zeugung, daß aller Widerstand unnütz sei, keineswegs Mangel an Muth oder
Todesverachtung sie zum Rückzug bewege. Plötzlich aber, wie auf ein gegebenes
Zeichen, setzten sich die vielen tausend Reiter in Galopp, ritten im gestreckten
Laus die niedrigen mit Gebüsch bedeckten Höhen hinauf, hinter denen der Uad-
Nas fließt und verschwanden mit Zurücklassung einiger wenigen Beobachtungs¬
posten auf dem Kamme. Wie man später erfuhr, waren diese Reiter die Elite
des marokkanischen Heeres, die vornehmsten Führer mit ihren persönlichen
Reitergcfolgen.

Durch dieses Vorrücken des Centrums, dem auch der rechte Flügel und die
Reserve über den Fluß folgte, sahen sich die immer noch gegen Prim mit
großer Tapferkeit kämpfenden Marokkaner in die Flanke genommen und zogen
sich seitwärts in das Gebirge zurück, so daß nun das ganze spanische Heer
ohne weitere Behinderung in das Thal des Uad-Ras rücken konnte, wo man
um fünf Uhr Abends ein Lager bezog. Da man für den anderen Tag wieder
ein hartnäckiges Gefecht an dem Paß des Fondak erwartete, so wunderte sich
Goeben sehr, warum man den nächsten Tag Rasttag machte und nicht lieber
gleich weiter vorrückte, um den Feind nicht zu Athem kommen zu lassen. Es
hieß, die Entfernung nach dem neuen Kampfplatz sei zu weit, um sie in einem
Marschtage zu erreichen. Das war aber gerade ein Grund mehr, keinen Tag
verloren gehen zu lassen.

Der Verlust der Spanier bestand aus 108 Offizieren und 1200 Mann an
Todten und Verwundeten. Wieviel der Feind eingebüßt hatte, konnte auch dies
Mal nicht festgestellt werden. Die Spanier hatte der zähe Widerstand der
Marokkaner in diesem letzten Gefecht mit großem Respect erfüllt, und mehr als
je sehnten sie sich nach dem Frieden. Die Ankunft einer neuen Gesandtschaft
erregte daher nur Freude, und als man erfuhr, daß diese die Ankunft des Kali¬
fen Mulay-Abbas für den nächsten Tag ankündigte, betrachtete man den Krieg
schon als beendigt. Diese Hoffnung bewährte sich auch zum großen Mißver¬
gnügen der preußischen Offiziere, die Kricgserfahrungen hatten sammeln wollen
und erst zwei Gefechte mitgemacht hatten. Einen Augenblick schienen sich ihre
Aussichten zu bessern. O'Donnell hatte halb sieben Uhr als die Stunde fest¬
gesetzt, wo die Friedensboten im Lager sein müßten, da sonst die Armee sich
von Neuem in Marsch setzen würde. Die Stunde schlug, aber noch war kein
Mulay-Abbas da. Schon wurden die Zelte abgebrochen, als auf schweißtriefen¬
dem Pferde Aben-Abu ins Lager geritten kam, mit der Nachricht, daß Mulay-


beiden vordersten feindlichen Linien nur wenige hundert Schritt Entfernung
blieben. Dieser Rückzug aber, so langsam er ging, war keineswegs ruhig, viel¬
mehr blieb die Masse in fortwährender Bewegung, und wo eine Granate auf¬
schlug, jagte immer eine Anzahl Reiter hin und tummelte sich in der Nähe
herum, bis das Geschoß platzte, als wollten sie zeigen, daß nur die Ueber¬
zeugung, daß aller Widerstand unnütz sei, keineswegs Mangel an Muth oder
Todesverachtung sie zum Rückzug bewege. Plötzlich aber, wie auf ein gegebenes
Zeichen, setzten sich die vielen tausend Reiter in Galopp, ritten im gestreckten
Laus die niedrigen mit Gebüsch bedeckten Höhen hinauf, hinter denen der Uad-
Nas fließt und verschwanden mit Zurücklassung einiger wenigen Beobachtungs¬
posten auf dem Kamme. Wie man später erfuhr, waren diese Reiter die Elite
des marokkanischen Heeres, die vornehmsten Führer mit ihren persönlichen
Reitergcfolgen.

Durch dieses Vorrücken des Centrums, dem auch der rechte Flügel und die
Reserve über den Fluß folgte, sahen sich die immer noch gegen Prim mit
großer Tapferkeit kämpfenden Marokkaner in die Flanke genommen und zogen
sich seitwärts in das Gebirge zurück, so daß nun das ganze spanische Heer
ohne weitere Behinderung in das Thal des Uad-Ras rücken konnte, wo man
um fünf Uhr Abends ein Lager bezog. Da man für den anderen Tag wieder
ein hartnäckiges Gefecht an dem Paß des Fondak erwartete, so wunderte sich
Goeben sehr, warum man den nächsten Tag Rasttag machte und nicht lieber
gleich weiter vorrückte, um den Feind nicht zu Athem kommen zu lassen. Es
hieß, die Entfernung nach dem neuen Kampfplatz sei zu weit, um sie in einem
Marschtage zu erreichen. Das war aber gerade ein Grund mehr, keinen Tag
verloren gehen zu lassen.

Der Verlust der Spanier bestand aus 108 Offizieren und 1200 Mann an
Todten und Verwundeten. Wieviel der Feind eingebüßt hatte, konnte auch dies
Mal nicht festgestellt werden. Die Spanier hatte der zähe Widerstand der
Marokkaner in diesem letzten Gefecht mit großem Respect erfüllt, und mehr als
je sehnten sie sich nach dem Frieden. Die Ankunft einer neuen Gesandtschaft
erregte daher nur Freude, und als man erfuhr, daß diese die Ankunft des Kali¬
fen Mulay-Abbas für den nächsten Tag ankündigte, betrachtete man den Krieg
schon als beendigt. Diese Hoffnung bewährte sich auch zum großen Mißver¬
gnügen der preußischen Offiziere, die Kricgserfahrungen hatten sammeln wollen
und erst zwei Gefechte mitgemacht hatten. Einen Augenblick schienen sich ihre
Aussichten zu bessern. O'Donnell hatte halb sieben Uhr als die Stunde fest¬
gesetzt, wo die Friedensboten im Lager sein müßten, da sonst die Armee sich
von Neuem in Marsch setzen würde. Die Stunde schlug, aber noch war kein
Mulay-Abbas da. Schon wurden die Zelte abgebrochen, als auf schweißtriefen¬
dem Pferde Aben-Abu ins Lager geritten kam, mit der Nachricht, daß Mulay-


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[0154] beiden vordersten feindlichen Linien nur wenige hundert Schritt Entfernung blieben. Dieser Rückzug aber, so langsam er ging, war keineswegs ruhig, viel¬ mehr blieb die Masse in fortwährender Bewegung, und wo eine Granate auf¬ schlug, jagte immer eine Anzahl Reiter hin und tummelte sich in der Nähe herum, bis das Geschoß platzte, als wollten sie zeigen, daß nur die Ueber¬ zeugung, daß aller Widerstand unnütz sei, keineswegs Mangel an Muth oder Todesverachtung sie zum Rückzug bewege. Plötzlich aber, wie auf ein gegebenes Zeichen, setzten sich die vielen tausend Reiter in Galopp, ritten im gestreckten Laus die niedrigen mit Gebüsch bedeckten Höhen hinauf, hinter denen der Uad- Nas fließt und verschwanden mit Zurücklassung einiger wenigen Beobachtungs¬ posten auf dem Kamme. Wie man später erfuhr, waren diese Reiter die Elite des marokkanischen Heeres, die vornehmsten Führer mit ihren persönlichen Reitergcfolgen. Durch dieses Vorrücken des Centrums, dem auch der rechte Flügel und die Reserve über den Fluß folgte, sahen sich die immer noch gegen Prim mit großer Tapferkeit kämpfenden Marokkaner in die Flanke genommen und zogen sich seitwärts in das Gebirge zurück, so daß nun das ganze spanische Heer ohne weitere Behinderung in das Thal des Uad-Ras rücken konnte, wo man um fünf Uhr Abends ein Lager bezog. Da man für den anderen Tag wieder ein hartnäckiges Gefecht an dem Paß des Fondak erwartete, so wunderte sich Goeben sehr, warum man den nächsten Tag Rasttag machte und nicht lieber gleich weiter vorrückte, um den Feind nicht zu Athem kommen zu lassen. Es hieß, die Entfernung nach dem neuen Kampfplatz sei zu weit, um sie in einem Marschtage zu erreichen. Das war aber gerade ein Grund mehr, keinen Tag verloren gehen zu lassen. Der Verlust der Spanier bestand aus 108 Offizieren und 1200 Mann an Todten und Verwundeten. Wieviel der Feind eingebüßt hatte, konnte auch dies Mal nicht festgestellt werden. Die Spanier hatte der zähe Widerstand der Marokkaner in diesem letzten Gefecht mit großem Respect erfüllt, und mehr als je sehnten sie sich nach dem Frieden. Die Ankunft einer neuen Gesandtschaft erregte daher nur Freude, und als man erfuhr, daß diese die Ankunft des Kali¬ fen Mulay-Abbas für den nächsten Tag ankündigte, betrachtete man den Krieg schon als beendigt. Diese Hoffnung bewährte sich auch zum großen Mißver¬ gnügen der preußischen Offiziere, die Kricgserfahrungen hatten sammeln wollen und erst zwei Gefechte mitgemacht hatten. Einen Augenblick schienen sich ihre Aussichten zu bessern. O'Donnell hatte halb sieben Uhr als die Stunde fest¬ gesetzt, wo die Friedensboten im Lager sein müßten, da sonst die Armee sich von Neuem in Marsch setzen würde. Die Stunde schlug, aber noch war kein Mulay-Abbas da. Schon wurden die Zelte abgebrochen, als auf schweißtriefen¬ dem Pferde Aben-Abu ins Lager geritten kam, mit der Nachricht, daß Mulay-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/154>, abgerufen am 28.09.2024.