Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

bei der Armee eingetroffen, gegen den Willen des Oberbefehlshabers stattgefunden
haben sollte. So groß sollte der Fanatismus der neuen Ankömmlinge sein,
daß sie dem ausdrücklichen Befehl, nicht anzugreifen, den Gehorsam verweigerten.
Bei den Friedensanerbietungen handelte es sich wieder um Tetuan, dessen Ab¬
tretung die Gesandten für unmöglich erklärten. Ein ferneres Bestehen darauf,
meinten sie, würde den Haß des Volkes gegen die Ungläubigen aufs äußerste
steigern und den Krieg in einen Glaubenskampf verwandeln. O'Donncll, der
wohl einsah, daß für Spanien nichts mehr zu erreichen sei, versprach, noch
einmal in Madrid anzufragen, und gab eine neue Frist bis zum 17. März.

Obgleich die spanische Regierung in ihrer Antwort auf die Abtretung
Tetuans verzichtete und sich begnügen wollte, es bis zur Bezahlung der Kriegs¬
kosten pfandweise besetzt zu halten, kam es doch nicht zum Friedensabschluß,
und die spanische Armee setzte sich mit dem frühesten Morgen des 22. März
in Marsch. Es waren 62 Bataillone, 11 Schwadronen und 9 Batterien, zu¬
sammen 32 bis 33,000 Mann, in 4 Armeecorps getheilt, von denen 3, Prim,
Echague und Ros de Olano und die Hälfte des Ncservecorps unmittelbar gegen
den Feind rückten, während der Nest des letzteren die Verbindung mit Tetuan
unterhielt.

Der Weg, den die Spanier zu marschiren hatten, war ein bloßer Saum¬
pfad, der durch sehr verschiedenartiges Gelände führte. Zuerst am Ufer des
Uad-al-Chelu, dann an dem des Busfecha und dann über niedrige Höhen hin
in das Thal der Uad-Nah, von wo man dann bergauf zu dem wichtigen Paß
des Fondak gelangt, dem Knotenpunkt der Karavanenstraßen von Tetuan,
Tanger und Fez. Flache Wiesenniederungen wechseln mit felsigen Schluchten
und zerklüfteten Berghängen. Bis zum Busfecha hoffte man ohne Belästigung
vom Feinde zu kommen, aber schon nach der ersten halben Marschstunde hörte
man ringsum Signalschüsse, und an dem Chelu angekommen sah man ganze
Hausen von Marokkanern auf dem andern Ufer, theils thalaufwärts ziehend,
theils von den Höhen und aus den Seitenthälern herabkommend. Es waren
die Bewohner des benachbarten Gebirges, die dem Heere des Kalifen zueilten.

Noch waren die letzten Bataillone des ersten Armeecorps nicht aus einer
engen Schlucht heraus, als von rechts her einige Schüsse sielen und auf der
vorliegenden Höhe sich gleichzeitig zerstreute Schützen zeigten, denen bald ganze
Trupps folgten, während zugleich von dem anderen Ufer herüber ein lebhaftes
Feuer begann, das sehr belästigend wurde. Dorthin wurde ein Bataillon vom
Regiment Granada und eine Schwadron reitender Jäger entsendet, während
die Infanterie des ersten Corps in dem sehr unebenen Terrain nicht ohne
Schwierigkeit gegen die Hauptmasse des Feindes Front machte und vorging.
Ein hartnäckiger Kampf entspann sich. Das langsam ansteigende Gelände,
überall mit Felsvivcken bedeckt und mit dichtem niedrigem Gestrüpp bewachsen,


bei der Armee eingetroffen, gegen den Willen des Oberbefehlshabers stattgefunden
haben sollte. So groß sollte der Fanatismus der neuen Ankömmlinge sein,
daß sie dem ausdrücklichen Befehl, nicht anzugreifen, den Gehorsam verweigerten.
Bei den Friedensanerbietungen handelte es sich wieder um Tetuan, dessen Ab¬
tretung die Gesandten für unmöglich erklärten. Ein ferneres Bestehen darauf,
meinten sie, würde den Haß des Volkes gegen die Ungläubigen aufs äußerste
steigern und den Krieg in einen Glaubenskampf verwandeln. O'Donncll, der
wohl einsah, daß für Spanien nichts mehr zu erreichen sei, versprach, noch
einmal in Madrid anzufragen, und gab eine neue Frist bis zum 17. März.

Obgleich die spanische Regierung in ihrer Antwort auf die Abtretung
Tetuans verzichtete und sich begnügen wollte, es bis zur Bezahlung der Kriegs¬
kosten pfandweise besetzt zu halten, kam es doch nicht zum Friedensabschluß,
und die spanische Armee setzte sich mit dem frühesten Morgen des 22. März
in Marsch. Es waren 62 Bataillone, 11 Schwadronen und 9 Batterien, zu¬
sammen 32 bis 33,000 Mann, in 4 Armeecorps getheilt, von denen 3, Prim,
Echague und Ros de Olano und die Hälfte des Ncservecorps unmittelbar gegen
den Feind rückten, während der Nest des letzteren die Verbindung mit Tetuan
unterhielt.

Der Weg, den die Spanier zu marschiren hatten, war ein bloßer Saum¬
pfad, der durch sehr verschiedenartiges Gelände führte. Zuerst am Ufer des
Uad-al-Chelu, dann an dem des Busfecha und dann über niedrige Höhen hin
in das Thal der Uad-Nah, von wo man dann bergauf zu dem wichtigen Paß
des Fondak gelangt, dem Knotenpunkt der Karavanenstraßen von Tetuan,
Tanger und Fez. Flache Wiesenniederungen wechseln mit felsigen Schluchten
und zerklüfteten Berghängen. Bis zum Busfecha hoffte man ohne Belästigung
vom Feinde zu kommen, aber schon nach der ersten halben Marschstunde hörte
man ringsum Signalschüsse, und an dem Chelu angekommen sah man ganze
Hausen von Marokkanern auf dem andern Ufer, theils thalaufwärts ziehend,
theils von den Höhen und aus den Seitenthälern herabkommend. Es waren
die Bewohner des benachbarten Gebirges, die dem Heere des Kalifen zueilten.

Noch waren die letzten Bataillone des ersten Armeecorps nicht aus einer
engen Schlucht heraus, als von rechts her einige Schüsse sielen und auf der
vorliegenden Höhe sich gleichzeitig zerstreute Schützen zeigten, denen bald ganze
Trupps folgten, während zugleich von dem anderen Ufer herüber ein lebhaftes
Feuer begann, das sehr belästigend wurde. Dorthin wurde ein Bataillon vom
Regiment Granada und eine Schwadron reitender Jäger entsendet, während
die Infanterie des ersten Corps in dem sehr unebenen Terrain nicht ohne
Schwierigkeit gegen die Hauptmasse des Feindes Front machte und vorging.
Ein hartnäckiger Kampf entspann sich. Das langsam ansteigende Gelände,
überall mit Felsvivcken bedeckt und mit dichtem niedrigem Gestrüpp bewachsen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189246"/>
          <p xml:id="ID_478" prev="#ID_477"> bei der Armee eingetroffen, gegen den Willen des Oberbefehlshabers stattgefunden<lb/>
haben sollte. So groß sollte der Fanatismus der neuen Ankömmlinge sein,<lb/>
daß sie dem ausdrücklichen Befehl, nicht anzugreifen, den Gehorsam verweigerten.<lb/>
Bei den Friedensanerbietungen handelte es sich wieder um Tetuan, dessen Ab¬<lb/>
tretung die Gesandten für unmöglich erklärten. Ein ferneres Bestehen darauf,<lb/>
meinten sie, würde den Haß des Volkes gegen die Ungläubigen aufs äußerste<lb/>
steigern und den Krieg in einen Glaubenskampf verwandeln. O'Donncll, der<lb/>
wohl einsah, daß für Spanien nichts mehr zu erreichen sei, versprach, noch<lb/>
einmal in Madrid anzufragen, und gab eine neue Frist bis zum 17. März.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_479"> Obgleich die spanische Regierung in ihrer Antwort auf die Abtretung<lb/>
Tetuans verzichtete und sich begnügen wollte, es bis zur Bezahlung der Kriegs¬<lb/>
kosten pfandweise besetzt zu halten, kam es doch nicht zum Friedensabschluß,<lb/>
und die spanische Armee setzte sich mit dem frühesten Morgen des 22. März<lb/>
in Marsch. Es waren 62 Bataillone, 11 Schwadronen und 9 Batterien, zu¬<lb/>
sammen 32 bis 33,000 Mann, in 4 Armeecorps getheilt, von denen 3, Prim,<lb/>
Echague und Ros de Olano und die Hälfte des Ncservecorps unmittelbar gegen<lb/>
den Feind rückten, während der Nest des letzteren die Verbindung mit Tetuan<lb/>
unterhielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_480"> Der Weg, den die Spanier zu marschiren hatten, war ein bloßer Saum¬<lb/>
pfad, der durch sehr verschiedenartiges Gelände führte. Zuerst am Ufer des<lb/>
Uad-al-Chelu, dann an dem des Busfecha und dann über niedrige Höhen hin<lb/>
in das Thal der Uad-Nah, von wo man dann bergauf zu dem wichtigen Paß<lb/>
des Fondak gelangt, dem Knotenpunkt der Karavanenstraßen von Tetuan,<lb/>
Tanger und Fez. Flache Wiesenniederungen wechseln mit felsigen Schluchten<lb/>
und zerklüfteten Berghängen. Bis zum Busfecha hoffte man ohne Belästigung<lb/>
vom Feinde zu kommen, aber schon nach der ersten halben Marschstunde hörte<lb/>
man ringsum Signalschüsse, und an dem Chelu angekommen sah man ganze<lb/>
Hausen von Marokkanern auf dem andern Ufer, theils thalaufwärts ziehend,<lb/>
theils von den Höhen und aus den Seitenthälern herabkommend. Es waren<lb/>
die Bewohner des benachbarten Gebirges, die dem Heere des Kalifen zueilten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_481" next="#ID_482"> Noch waren die letzten Bataillone des ersten Armeecorps nicht aus einer<lb/>
engen Schlucht heraus, als von rechts her einige Schüsse sielen und auf der<lb/>
vorliegenden Höhe sich gleichzeitig zerstreute Schützen zeigten, denen bald ganze<lb/>
Trupps folgten, während zugleich von dem anderen Ufer herüber ein lebhaftes<lb/>
Feuer begann, das sehr belästigend wurde. Dorthin wurde ein Bataillon vom<lb/>
Regiment Granada und eine Schwadron reitender Jäger entsendet, während<lb/>
die Infanterie des ersten Corps in dem sehr unebenen Terrain nicht ohne<lb/>
Schwierigkeit gegen die Hauptmasse des Feindes Front machte und vorging.<lb/>
Ein hartnäckiger Kampf entspann sich. Das langsam ansteigende Gelände,<lb/>
überall mit Felsvivcken bedeckt und mit dichtem niedrigem Gestrüpp bewachsen,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0151] bei der Armee eingetroffen, gegen den Willen des Oberbefehlshabers stattgefunden haben sollte. So groß sollte der Fanatismus der neuen Ankömmlinge sein, daß sie dem ausdrücklichen Befehl, nicht anzugreifen, den Gehorsam verweigerten. Bei den Friedensanerbietungen handelte es sich wieder um Tetuan, dessen Ab¬ tretung die Gesandten für unmöglich erklärten. Ein ferneres Bestehen darauf, meinten sie, würde den Haß des Volkes gegen die Ungläubigen aufs äußerste steigern und den Krieg in einen Glaubenskampf verwandeln. O'Donncll, der wohl einsah, daß für Spanien nichts mehr zu erreichen sei, versprach, noch einmal in Madrid anzufragen, und gab eine neue Frist bis zum 17. März. Obgleich die spanische Regierung in ihrer Antwort auf die Abtretung Tetuans verzichtete und sich begnügen wollte, es bis zur Bezahlung der Kriegs¬ kosten pfandweise besetzt zu halten, kam es doch nicht zum Friedensabschluß, und die spanische Armee setzte sich mit dem frühesten Morgen des 22. März in Marsch. Es waren 62 Bataillone, 11 Schwadronen und 9 Batterien, zu¬ sammen 32 bis 33,000 Mann, in 4 Armeecorps getheilt, von denen 3, Prim, Echague und Ros de Olano und die Hälfte des Ncservecorps unmittelbar gegen den Feind rückten, während der Nest des letzteren die Verbindung mit Tetuan unterhielt. Der Weg, den die Spanier zu marschiren hatten, war ein bloßer Saum¬ pfad, der durch sehr verschiedenartiges Gelände führte. Zuerst am Ufer des Uad-al-Chelu, dann an dem des Busfecha und dann über niedrige Höhen hin in das Thal der Uad-Nah, von wo man dann bergauf zu dem wichtigen Paß des Fondak gelangt, dem Knotenpunkt der Karavanenstraßen von Tetuan, Tanger und Fez. Flache Wiesenniederungen wechseln mit felsigen Schluchten und zerklüfteten Berghängen. Bis zum Busfecha hoffte man ohne Belästigung vom Feinde zu kommen, aber schon nach der ersten halben Marschstunde hörte man ringsum Signalschüsse, und an dem Chelu angekommen sah man ganze Hausen von Marokkanern auf dem andern Ufer, theils thalaufwärts ziehend, theils von den Höhen und aus den Seitenthälern herabkommend. Es waren die Bewohner des benachbarten Gebirges, die dem Heere des Kalifen zueilten. Noch waren die letzten Bataillone des ersten Armeecorps nicht aus einer engen Schlucht heraus, als von rechts her einige Schüsse sielen und auf der vorliegenden Höhe sich gleichzeitig zerstreute Schützen zeigten, denen bald ganze Trupps folgten, während zugleich von dem anderen Ufer herüber ein lebhaftes Feuer begann, das sehr belästigend wurde. Dorthin wurde ein Bataillon vom Regiment Granada und eine Schwadron reitender Jäger entsendet, während die Infanterie des ersten Corps in dem sehr unebenen Terrain nicht ohne Schwierigkeit gegen die Hauptmasse des Feindes Front machte und vorging. Ein hartnäckiger Kampf entspann sich. Das langsam ansteigende Gelände, überall mit Felsvivcken bedeckt und mit dichtem niedrigem Gestrüpp bewachsen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/151
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/151>, abgerufen am 20.10.2024.