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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Unterstützung herbeirufend, schallte zu uns herunter. Wir ritten mit dem vor¬
dersten Bataillon, und noch über eine halbe Stunde bei stets zunehmender
Dunkelheit, aus der die Schüsse der Feinde hervorblitzten, ging es immer auf¬
wärts in einem furchtbaren Felsterrain, wie es unter anderen Verhältnissen
für ganz ungangbar gehalten werden würde. Leute und Pferde kletterten mehr¬
fach aussaufe an den Felshängen hin, wie eben jeder sich seinen Weg bahnen
konnte; aber die Bataillone, an deren Spitze sich O'Donnell selbst setzte und
deren Commandeure die Fahnen hoch zu Pferde trugen, formirter sich immer
wieder in Colonnen, Schützen dicht vor und neben sich, und drängten rastlos
weiter, nur langsam natürlich vorwärtskommend in der Dämmerung, aber doch
bei Trommelschlag und Hörnerklang immer vorwärts, während von rechts und
von links die Kugeln Pfiffen und einschlugen. Endlich war der letzte schmale
Kamm erstiegen, und die Marokkaner flohen den jenseitigen Hang hinunter,
von Kugeln verfolgt, während von den beiden Bataillonen jubelndes Vivs, In,
Keilen! erschallte." Der Verlust der Spanier betrug 28 Offiziere und 320 Mann
an Todten und Verwundeten. Der der Marokkaner kann nicht angegeben
werden, da sie nur wenig Todte liegen ließen und die meisten derselben, so
wie alle Verwundeten mit sich nahmen. Goeben hält ihn jedoch für nicht sehr
bedeutend, da die Spanier sehr schlecht schießen und die Artillerie gegen die auf¬
gelösten Schützenlinien, in denen die Marokkaner fast ausschließlich kämpfen,
keine sehr zerstörende Wirkung ausüben konnte. Im Uebrigen erkennt Goeben
an, daß die Spanier sehr frisch und fröhlich drauf gegangen wären, giebt aber
den Marokkanern den Preis im gutgezielten und rechtzeitigen Schießen und
in gewandter Benutzung des Terrains.

Auch ihre Reiterei ist eigentlich nichts als berittene Infanterie, deren
Hauptwaffe die lange Espingarda ist, und deren Pferde dem Mann hauptsäch¬
lich dazu dienen, nach abgegebenen Schuß sich möglichst rasch dem feindlichen
Feuer zu entziehen, um unterdessen wieder zu laden. Die Reiterei kennt eben¬
sowenig den geschlossenen, wie die Infanterie den Bajonnettangriss, und ihre
Taktik besteht in einem fortwährenden Tirailliren. Da sie auch keine Feldartillerie
besitzen, sind sie einem europäischen Heere gegenüber auf ein solche Fechtweise
hingewiesen, die ihnen erlaubt großen Entscheidungen auszuweichen und den
Gegner fortwährend zu beunruhigen und im Athem zu erhalten, ihm zu ver¬
wehren, sich in kleinen Abtheilungen über das Land zu verbreiten und Lebens¬
mittel zu sammeln. Zuletzt begünstigt sie noch ihr dem Europäer ungesundes
Klima, das mehr als ihre Widerstandskraft geeignet ist, den Feind aus dem
Lande zu vertreiben.

Am Tage nach dem Gefecht kamen wieder Abgesandte von Muley-Abbas
mit Friedensanerbietungen. Sie baten zugleich um Entschuldigung wegen des
gestrigen Angriffs, der von unbotmäßigen Stämmen aus dem Innern, die even


Unterstützung herbeirufend, schallte zu uns herunter. Wir ritten mit dem vor¬
dersten Bataillon, und noch über eine halbe Stunde bei stets zunehmender
Dunkelheit, aus der die Schüsse der Feinde hervorblitzten, ging es immer auf¬
wärts in einem furchtbaren Felsterrain, wie es unter anderen Verhältnissen
für ganz ungangbar gehalten werden würde. Leute und Pferde kletterten mehr¬
fach aussaufe an den Felshängen hin, wie eben jeder sich seinen Weg bahnen
konnte; aber die Bataillone, an deren Spitze sich O'Donnell selbst setzte und
deren Commandeure die Fahnen hoch zu Pferde trugen, formirter sich immer
wieder in Colonnen, Schützen dicht vor und neben sich, und drängten rastlos
weiter, nur langsam natürlich vorwärtskommend in der Dämmerung, aber doch
bei Trommelschlag und Hörnerklang immer vorwärts, während von rechts und
von links die Kugeln Pfiffen und einschlugen. Endlich war der letzte schmale
Kamm erstiegen, und die Marokkaner flohen den jenseitigen Hang hinunter,
von Kugeln verfolgt, während von den beiden Bataillonen jubelndes Vivs, In,
Keilen! erschallte." Der Verlust der Spanier betrug 28 Offiziere und 320 Mann
an Todten und Verwundeten. Der der Marokkaner kann nicht angegeben
werden, da sie nur wenig Todte liegen ließen und die meisten derselben, so
wie alle Verwundeten mit sich nahmen. Goeben hält ihn jedoch für nicht sehr
bedeutend, da die Spanier sehr schlecht schießen und die Artillerie gegen die auf¬
gelösten Schützenlinien, in denen die Marokkaner fast ausschließlich kämpfen,
keine sehr zerstörende Wirkung ausüben konnte. Im Uebrigen erkennt Goeben
an, daß die Spanier sehr frisch und fröhlich drauf gegangen wären, giebt aber
den Marokkanern den Preis im gutgezielten und rechtzeitigen Schießen und
in gewandter Benutzung des Terrains.

Auch ihre Reiterei ist eigentlich nichts als berittene Infanterie, deren
Hauptwaffe die lange Espingarda ist, und deren Pferde dem Mann hauptsäch¬
lich dazu dienen, nach abgegebenen Schuß sich möglichst rasch dem feindlichen
Feuer zu entziehen, um unterdessen wieder zu laden. Die Reiterei kennt eben¬
sowenig den geschlossenen, wie die Infanterie den Bajonnettangriss, und ihre
Taktik besteht in einem fortwährenden Tirailliren. Da sie auch keine Feldartillerie
besitzen, sind sie einem europäischen Heere gegenüber auf ein solche Fechtweise
hingewiesen, die ihnen erlaubt großen Entscheidungen auszuweichen und den
Gegner fortwährend zu beunruhigen und im Athem zu erhalten, ihm zu ver¬
wehren, sich in kleinen Abtheilungen über das Land zu verbreiten und Lebens¬
mittel zu sammeln. Zuletzt begünstigt sie noch ihr dem Europäer ungesundes
Klima, das mehr als ihre Widerstandskraft geeignet ist, den Feind aus dem
Lande zu vertreiben.

Am Tage nach dem Gefecht kamen wieder Abgesandte von Muley-Abbas
mit Friedensanerbietungen. Sie baten zugleich um Entschuldigung wegen des
gestrigen Angriffs, der von unbotmäßigen Stämmen aus dem Innern, die even


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[0150] Unterstützung herbeirufend, schallte zu uns herunter. Wir ritten mit dem vor¬ dersten Bataillon, und noch über eine halbe Stunde bei stets zunehmender Dunkelheit, aus der die Schüsse der Feinde hervorblitzten, ging es immer auf¬ wärts in einem furchtbaren Felsterrain, wie es unter anderen Verhältnissen für ganz ungangbar gehalten werden würde. Leute und Pferde kletterten mehr¬ fach aussaufe an den Felshängen hin, wie eben jeder sich seinen Weg bahnen konnte; aber die Bataillone, an deren Spitze sich O'Donnell selbst setzte und deren Commandeure die Fahnen hoch zu Pferde trugen, formirter sich immer wieder in Colonnen, Schützen dicht vor und neben sich, und drängten rastlos weiter, nur langsam natürlich vorwärtskommend in der Dämmerung, aber doch bei Trommelschlag und Hörnerklang immer vorwärts, während von rechts und von links die Kugeln Pfiffen und einschlugen. Endlich war der letzte schmale Kamm erstiegen, und die Marokkaner flohen den jenseitigen Hang hinunter, von Kugeln verfolgt, während von den beiden Bataillonen jubelndes Vivs, In, Keilen! erschallte." Der Verlust der Spanier betrug 28 Offiziere und 320 Mann an Todten und Verwundeten. Der der Marokkaner kann nicht angegeben werden, da sie nur wenig Todte liegen ließen und die meisten derselben, so wie alle Verwundeten mit sich nahmen. Goeben hält ihn jedoch für nicht sehr bedeutend, da die Spanier sehr schlecht schießen und die Artillerie gegen die auf¬ gelösten Schützenlinien, in denen die Marokkaner fast ausschließlich kämpfen, keine sehr zerstörende Wirkung ausüben konnte. Im Uebrigen erkennt Goeben an, daß die Spanier sehr frisch und fröhlich drauf gegangen wären, giebt aber den Marokkanern den Preis im gutgezielten und rechtzeitigen Schießen und in gewandter Benutzung des Terrains. Auch ihre Reiterei ist eigentlich nichts als berittene Infanterie, deren Hauptwaffe die lange Espingarda ist, und deren Pferde dem Mann hauptsäch¬ lich dazu dienen, nach abgegebenen Schuß sich möglichst rasch dem feindlichen Feuer zu entziehen, um unterdessen wieder zu laden. Die Reiterei kennt eben¬ sowenig den geschlossenen, wie die Infanterie den Bajonnettangriss, und ihre Taktik besteht in einem fortwährenden Tirailliren. Da sie auch keine Feldartillerie besitzen, sind sie einem europäischen Heere gegenüber auf ein solche Fechtweise hingewiesen, die ihnen erlaubt großen Entscheidungen auszuweichen und den Gegner fortwährend zu beunruhigen und im Athem zu erhalten, ihm zu ver¬ wehren, sich in kleinen Abtheilungen über das Land zu verbreiten und Lebens¬ mittel zu sammeln. Zuletzt begünstigt sie noch ihr dem Europäer ungesundes Klima, das mehr als ihre Widerstandskraft geeignet ist, den Feind aus dem Lande zu vertreiben. Am Tage nach dem Gefecht kamen wieder Abgesandte von Muley-Abbas mit Friedensanerbietungen. Sie baten zugleich um Entschuldigung wegen des gestrigen Angriffs, der von unbotmäßigen Stämmen aus dem Innern, die even

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/150>, abgerufen am 28.09.2024.