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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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älteste Tellenspiel verloren, nur spätere Redactionen sind davon übrig. Man
nennt dasselbe das Urnerspiel, gemäß seinem älteren Titel:

Ein schönes Spiel, gehalten zu Vry in der Eydgnoßschast von Willhelm
Theilen, ihrem Landmann und Ersten Eydgnossen. Gedruckt zu Basel bey
Samuel Apiario 1579. repetirt 1648 und 1698. Nach dieser letzterwähnten
Ausgabe, welche sich in der gottschedischen Schauspielsammlung der Weimarer
Bibliothek vorfindet und bereits in Kochs Compendium 1, 271 verzeichnet steht,
ist neuerlich das Stück abgedruckt worden in den Weimarer Jahrbüchern von
Hoffmann-Schade, Band 6. ö2. Noch spätere Drucke sind von den Jahren
1740, 1763. Mir selbst liegt wohl der neuste vor: "Basel bei I. H. v. Mendel.
1830. Samt dem Theilen-Lied." Da dieses Stück, wie eben erwähnt, neu
gedruckt vorliegt, so darf sich der hier folgende Auszug daraus ganz kurz fassen;
er sucht besonders diejenigen Parallelstellen hervorzuheben, die das Tellenspiel
mit dem Tellenlied gemeinsam hat.

Viererlei Herolde erklären der Reihe nach in Vor-, Zwischen- und Schlu߬
reden die Geschichte der Waldstätte. Der erste Herold vergleicht in gezwungener
Gelahrtheit die Begebenheit des römischen Sextus und der Lucretia mit der
Tellengeschichte; dabei wiederholt er nach Motiv, Gedanken und Ausdruck den
Inhalt des Tellenliedes und der Chroniken also:

Die andere Vorrede des zweiten Herolds erzählt darauf, wie Hunnen und Gothen
nach Italien gekommen und unter Totila geschlagen worden sind. Fliehend
erreichten sie den Gotthard im Jahre 888 und setzten sich "wie in alten Chro¬
niken beschrieben ist" in Uri. Die von Schwyz sind aus Schweden, die Unter-
waldner aus Rom hergekommen und haben das Land vom römischen Reich
erworben. -- Unter den alten Chroniken ist: 1) die fabelhafte Geschichte
gemeint, die Joh. Püntiner aus Uri, 1414 Landesstatthalter und dann Land-
ammann, als Onromeg. iniseölla, schrieb; sie soll 1799 bei dem Brande von
Altorf mitverkommen sein. 2) Die gleichfalls verlorene Schrift von Joh. Fründ
aus Schwyz, 1440 geschrieben, über der Schwyzer Herkommen. Pmüiner
nimmt eine gothische, Fründ eine schwedische Einwanderung in die Waldstätte


älteste Tellenspiel verloren, nur spätere Redactionen sind davon übrig. Man
nennt dasselbe das Urnerspiel, gemäß seinem älteren Titel:

Ein schönes Spiel, gehalten zu Vry in der Eydgnoßschast von Willhelm
Theilen, ihrem Landmann und Ersten Eydgnossen. Gedruckt zu Basel bey
Samuel Apiario 1579. repetirt 1648 und 1698. Nach dieser letzterwähnten
Ausgabe, welche sich in der gottschedischen Schauspielsammlung der Weimarer
Bibliothek vorfindet und bereits in Kochs Compendium 1, 271 verzeichnet steht,
ist neuerlich das Stück abgedruckt worden in den Weimarer Jahrbüchern von
Hoffmann-Schade, Band 6. ö2. Noch spätere Drucke sind von den Jahren
1740, 1763. Mir selbst liegt wohl der neuste vor: „Basel bei I. H. v. Mendel.
1830. Samt dem Theilen-Lied." Da dieses Stück, wie eben erwähnt, neu
gedruckt vorliegt, so darf sich der hier folgende Auszug daraus ganz kurz fassen;
er sucht besonders diejenigen Parallelstellen hervorzuheben, die das Tellenspiel
mit dem Tellenlied gemeinsam hat.

Viererlei Herolde erklären der Reihe nach in Vor-, Zwischen- und Schlu߬
reden die Geschichte der Waldstätte. Der erste Herold vergleicht in gezwungener
Gelahrtheit die Begebenheit des römischen Sextus und der Lucretia mit der
Tellengeschichte; dabei wiederholt er nach Motiv, Gedanken und Ausdruck den
Inhalt des Tellenliedes und der Chroniken also:

Die andere Vorrede des zweiten Herolds erzählt darauf, wie Hunnen und Gothen
nach Italien gekommen und unter Totila geschlagen worden sind. Fliehend
erreichten sie den Gotthard im Jahre 888 und setzten sich „wie in alten Chro¬
niken beschrieben ist" in Uri. Die von Schwyz sind aus Schweden, die Unter-
waldner aus Rom hergekommen und haben das Land vom römischen Reich
erworben. — Unter den alten Chroniken ist: 1) die fabelhafte Geschichte
gemeint, die Joh. Püntiner aus Uri, 1414 Landesstatthalter und dann Land-
ammann, als Onromeg. iniseölla, schrieb; sie soll 1799 bei dem Brande von
Altorf mitverkommen sein. 2) Die gleichfalls verlorene Schrift von Joh. Fründ
aus Schwyz, 1440 geschrieben, über der Schwyzer Herkommen. Pmüiner
nimmt eine gothische, Fründ eine schwedische Einwanderung in die Waldstätte


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[0138] älteste Tellenspiel verloren, nur spätere Redactionen sind davon übrig. Man nennt dasselbe das Urnerspiel, gemäß seinem älteren Titel: Ein schönes Spiel, gehalten zu Vry in der Eydgnoßschast von Willhelm Theilen, ihrem Landmann und Ersten Eydgnossen. Gedruckt zu Basel bey Samuel Apiario 1579. repetirt 1648 und 1698. Nach dieser letzterwähnten Ausgabe, welche sich in der gottschedischen Schauspielsammlung der Weimarer Bibliothek vorfindet und bereits in Kochs Compendium 1, 271 verzeichnet steht, ist neuerlich das Stück abgedruckt worden in den Weimarer Jahrbüchern von Hoffmann-Schade, Band 6. ö2. Noch spätere Drucke sind von den Jahren 1740, 1763. Mir selbst liegt wohl der neuste vor: „Basel bei I. H. v. Mendel. 1830. Samt dem Theilen-Lied." Da dieses Stück, wie eben erwähnt, neu gedruckt vorliegt, so darf sich der hier folgende Auszug daraus ganz kurz fassen; er sucht besonders diejenigen Parallelstellen hervorzuheben, die das Tellenspiel mit dem Tellenlied gemeinsam hat. Viererlei Herolde erklären der Reihe nach in Vor-, Zwischen- und Schlu߬ reden die Geschichte der Waldstätte. Der erste Herold vergleicht in gezwungener Gelahrtheit die Begebenheit des römischen Sextus und der Lucretia mit der Tellengeschichte; dabei wiederholt er nach Motiv, Gedanken und Ausdruck den Inhalt des Tellenliedes und der Chroniken also: Die andere Vorrede des zweiten Herolds erzählt darauf, wie Hunnen und Gothen nach Italien gekommen und unter Totila geschlagen worden sind. Fliehend erreichten sie den Gotthard im Jahre 888 und setzten sich „wie in alten Chro¬ niken beschrieben ist" in Uri. Die von Schwyz sind aus Schweden, die Unter- waldner aus Rom hergekommen und haben das Land vom römischen Reich erworben. — Unter den alten Chroniken ist: 1) die fabelhafte Geschichte gemeint, die Joh. Püntiner aus Uri, 1414 Landesstatthalter und dann Land- ammann, als Onromeg. iniseölla, schrieb; sie soll 1799 bei dem Brande von Altorf mitverkommen sein. 2) Die gleichfalls verlorene Schrift von Joh. Fründ aus Schwyz, 1440 geschrieben, über der Schwyzer Herkommen. Pmüiner nimmt eine gothische, Fründ eine schwedische Einwanderung in die Waldstätte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/138>, abgerufen am 28.09.2024.