Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.übrig ist, welche ihm im siebzehnten der Urner Mudelen gegeben hat. Diese Vergebens eiferten einzelne Cantone gegen diese Seuche, die das Land so übrig ist, welche ihm im siebzehnten der Urner Mudelen gegeben hat. Diese Vergebens eiferten einzelne Cantone gegen diese Seuche, die das Land so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0132" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189227"/> <p xml:id="ID_418" prev="#ID_417"> übrig ist, welche ihm im siebzehnten der Urner Mudelen gegeben hat. Diese<lb/> poetischen Verirrungen waren nur eine Folge der vorausgegangenen politischen.<lb/> Das Land, das durch seine kühne Selbstvertheidigung zu einem europäischen<lb/> Ruf gelangt war, ließ sich durch einheimische und fremde Staatsmänner zu dem<lb/> Glauben verleiten, es sei ihm von nun an auch eine Rolle in der auswärtigen<lb/> Diplomatie angewiesen, und die Folge dieser Selbsttäuschung war das Söldner¬<lb/> wesen, das bald jedes Oertlein der Schweiz beschäftigte und jedem gedenkbaren<lb/> Winkel des Auslandes Soldaten lieferte.</p><lb/> <p xml:id="ID_419" next="#ID_420"> Vergebens eiferten einzelne Cantone gegen diese Seuche, die das Land so<lb/> förmlich entvölkerte, daß in der Ebene der Pflug stockte und im Gebirge wieder<lb/> wie zur Urzeit Wolf und Bär hausten; vergebens lautete der unaufhörlich wieder¬<lb/> holte Beschluß der Tagsatzungen: „man solle fremder Dienste und fremder<lb/> Pensionen müßig gehen." So lange eben solche Männer am Ruder saßen, die<lb/> ihre im fremden Dienste erworbenen Reichthümer zur Erweiterung ihres Fami¬<lb/> lieneinflusses daheim geltend machten, hatte man ein Recht, ihren heuchlerischen<lb/> Mandaten Trotz zu bieten. Nichts mehr schien diesem innern Zwiespalt Ein¬<lb/> halt thun zu können, wenn nicht ein Wunder geschah und das Land von der<lb/> Anarchie befreite. Doch dieses Wunder geschah wirklich: es kam die Reforma¬<lb/> tion. Die schweizerischen Kirchenreformatorcn sind zugleich schweizerische Patrio¬<lb/> ten; neben den Mißbräuchen in der Kirche suchen sie auch die im Staate ein¬<lb/> gerissenen Uebel mit einer dem republikanischen Bürger zustehenden politischen<lb/> Entschiedenheit auszutilgen. Dies unterscheidet einen Zwingli um ein Nament¬<lb/> liches von der politischen Willenslostgkeit Luthers. Zwingli hatte die Uebel<lb/> des Söldnerdienstes während der Mailänder Feldzüge als Augenzeuge kennen<lb/> gelernt und unerschrocken als Priester dagegen gepredigt. Bald handelte das<lb/> reformirte Zürcherland in dieses Mannes Sinne, die noch vorhandenen Capi-<lb/> tulationen wurden mit ihrer Ablaufszeit für erloschen erklärt, der Abschluß<lb/> neuer für immer verboten. Mit seinem Tode und der gleichzeitigen Niederlage<lb/> der Züricher bei Kappel konnte ein Zustand momentaner Erschöpftheit nicht<lb/> ausbleiben, und alsbald erschien auch der fremde Versucher wieder. Es handelte<lb/> sich darum, im Namen der gesammten Schweiz neue Capitulationen mit Frank¬<lb/> reich abzuschließen; alle Cantone sind bereits dafür gewonnen, Zürich schwankt<lb/> noch. Da tritt Zwinglis Amtsnachfolger, Heinrich Bullinger, vor den züricher<lb/> Rath, um auch im Namen der Kirche Bericht zu erstatten: „Ob es einer christ¬<lb/> lichen freien Stadt und Land Zürich heilsam sei, sich mit der Krone Frankreich<lb/> zu verbünden." Er ruft dem Rath die Bibelstelle: 1. Samuel 8, in Erinnerung:<lb/> „Der König wird eure Söhne nehmen zu seinen Wagen und Reitern, eure<lb/> Töchter zu seinen Köchinnen und Bäckerinnen, eure besten Aecker und Weinberge<lb/> wird er nehmen und sie seinen Knechten vertheilen." Alsdann berechnet er die<lb/> Niederlagen, welche bisher die Werbetruppen im Auslande erlitten, und erweist.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0132]
übrig ist, welche ihm im siebzehnten der Urner Mudelen gegeben hat. Diese
poetischen Verirrungen waren nur eine Folge der vorausgegangenen politischen.
Das Land, das durch seine kühne Selbstvertheidigung zu einem europäischen
Ruf gelangt war, ließ sich durch einheimische und fremde Staatsmänner zu dem
Glauben verleiten, es sei ihm von nun an auch eine Rolle in der auswärtigen
Diplomatie angewiesen, und die Folge dieser Selbsttäuschung war das Söldner¬
wesen, das bald jedes Oertlein der Schweiz beschäftigte und jedem gedenkbaren
Winkel des Auslandes Soldaten lieferte.
Vergebens eiferten einzelne Cantone gegen diese Seuche, die das Land so
förmlich entvölkerte, daß in der Ebene der Pflug stockte und im Gebirge wieder
wie zur Urzeit Wolf und Bär hausten; vergebens lautete der unaufhörlich wieder¬
holte Beschluß der Tagsatzungen: „man solle fremder Dienste und fremder
Pensionen müßig gehen." So lange eben solche Männer am Ruder saßen, die
ihre im fremden Dienste erworbenen Reichthümer zur Erweiterung ihres Fami¬
lieneinflusses daheim geltend machten, hatte man ein Recht, ihren heuchlerischen
Mandaten Trotz zu bieten. Nichts mehr schien diesem innern Zwiespalt Ein¬
halt thun zu können, wenn nicht ein Wunder geschah und das Land von der
Anarchie befreite. Doch dieses Wunder geschah wirklich: es kam die Reforma¬
tion. Die schweizerischen Kirchenreformatorcn sind zugleich schweizerische Patrio¬
ten; neben den Mißbräuchen in der Kirche suchen sie auch die im Staate ein¬
gerissenen Uebel mit einer dem republikanischen Bürger zustehenden politischen
Entschiedenheit auszutilgen. Dies unterscheidet einen Zwingli um ein Nament¬
liches von der politischen Willenslostgkeit Luthers. Zwingli hatte die Uebel
des Söldnerdienstes während der Mailänder Feldzüge als Augenzeuge kennen
gelernt und unerschrocken als Priester dagegen gepredigt. Bald handelte das
reformirte Zürcherland in dieses Mannes Sinne, die noch vorhandenen Capi-
tulationen wurden mit ihrer Ablaufszeit für erloschen erklärt, der Abschluß
neuer für immer verboten. Mit seinem Tode und der gleichzeitigen Niederlage
der Züricher bei Kappel konnte ein Zustand momentaner Erschöpftheit nicht
ausbleiben, und alsbald erschien auch der fremde Versucher wieder. Es handelte
sich darum, im Namen der gesammten Schweiz neue Capitulationen mit Frank¬
reich abzuschließen; alle Cantone sind bereits dafür gewonnen, Zürich schwankt
noch. Da tritt Zwinglis Amtsnachfolger, Heinrich Bullinger, vor den züricher
Rath, um auch im Namen der Kirche Bericht zu erstatten: „Ob es einer christ¬
lichen freien Stadt und Land Zürich heilsam sei, sich mit der Krone Frankreich
zu verbünden." Er ruft dem Rath die Bibelstelle: 1. Samuel 8, in Erinnerung:
„Der König wird eure Söhne nehmen zu seinen Wagen und Reitern, eure
Töchter zu seinen Köchinnen und Bäckerinnen, eure besten Aecker und Weinberge
wird er nehmen und sie seinen Knechten vertheilen." Alsdann berechnet er die
Niederlagen, welche bisher die Werbetruppen im Auslande erlitten, und erweist.
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