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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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daß man von 1312 an bis zum damaligen Jahre 1349, also innerhalb bloßer
achtunddreißig Jahre, mehr Leute eingebüßt habe als in allen vorherigen
Kriegen seit Entstehung der Eidgenossenschaft (die er von 1316 datirt), also
seit ganzen 233 Jahren. Sein Schlußwort heißt: "Die Väter Hand also ihre
Kinder dem König (von Frankreich) zur Metzg erzogen." (Hds. Samml. Bd. 35.
Fürträg der Züricher Geistlichen, in der Bibliothek der Aargau. Histor.
Gesellschaft.) -- Daß Bullinger hier nicht mißrechnete, wird sich sogleich ergeben;
die Geschicke aber nahmen damals ihren Gewohnheitsweg, und die Schweiz er¬
gab sich fernerhin dem Auslande, mochte nun ein einzelner Stand wie Zürich
opponiren oder nicht. Freilich zögerte manche regenerirte Cantonsregierung,
ihre Landeskinder hinzugeben an katholische Staaten wie Frankreich, und sie
dort zur Bekämpfung und Ausrottung der reformirten Kirche verwenden zu
lassen, für die sie selbst eben erst gewonnen waren. Aber gerade infolge der
Glaubensspaltung der Schweiz wuchs nun auch die Neisläuferei wieder, indem
man hier protestantische, dort katholische Allianzen aufsuchte. Mit dem ge¬
wohnten Geldinteresse verschwisterte sich der confessionelle Haß, man stempelte
die Miethstruppen zu Stützen des Glaubens, und wo von nun an in Europa
ein Staatsstreich im Großen versucht wird, sind schweizerische Söldner dabei
Werkzeuge gewesen. Ein Beispiel genügt, dasjenige der pariser Bartholomäus¬
nacht. Man hatte, um diese sogenannte Bluthochzeit ins Werk zu setzen,
damals die Truppen und Hauptleute der fünf kleinen oder katholischen Cantone
eigens nach Paris verlegt. Das Gemetzel gegen die Reformirten dauerte nicht
etwa eine Nacht, sondern sieben Tage fort und raffte 3000 Menschen hin. Als
der bekannte Rechtsgelehrte Franz Hottomann, damals Professor zu Bourges,
mit Hilfe deutscher Studenten dem Tode entronnen war, schreibt er von Genf
aus an Johann Haller in Bern und an Heinrich Bullinger in Zürich: Die schwei¬
zerische Leibwache hat bei der Blutarbeit die Palme errungen. Martin Koch
von Freiburg (Uechtland) erstach den Admiral (Coligny) mit einem Schwein-
spieß; er hat 10,000 Kronen erbeutet und ist Lieutenant worden. Moritz
Grüner von Nieder-Urnen riß ihn aus dem Bette. Moritz Klein von Otter
hat 2000 Kronen in Gold, 100 Kronen in Silbergeschirr und des Admirals
Röcklein. Ungefähr um die neunte Stunde (Morgens, 24. Aug. 1572) ist
man mit dem Metzger der (calvinistischen) Edelleute fertig gewesen." (Escher-
Hottinger, Schweiz. Archiv 2, 449). Die Medaille, welche Papst Gregor der
Dreizehnte aus diesen Sieg des Glaubens prägen ließ, wird bis heute zu Rom
sortgeprägt und vertheilt, und ein Befehl des päpstlichen Naestrv act saero
?aIuWv vom Februar 1864 schränkt gegenwärtig den Brauch nur dahin el",
daß bloße Privatbcstellungen nicht ferner ausgeführt werden sollen. Die Me¬
daille selbst verbleibt mithin in ihrer bisherigen Geltung, sowie auch die Reis-
läuferei, trotz der Einsprache der schweizerischen Bundesregierung, bis dahin


daß man von 1312 an bis zum damaligen Jahre 1349, also innerhalb bloßer
achtunddreißig Jahre, mehr Leute eingebüßt habe als in allen vorherigen
Kriegen seit Entstehung der Eidgenossenschaft (die er von 1316 datirt), also
seit ganzen 233 Jahren. Sein Schlußwort heißt: „Die Väter Hand also ihre
Kinder dem König (von Frankreich) zur Metzg erzogen." (Hds. Samml. Bd. 35.
Fürträg der Züricher Geistlichen, in der Bibliothek der Aargau. Histor.
Gesellschaft.) — Daß Bullinger hier nicht mißrechnete, wird sich sogleich ergeben;
die Geschicke aber nahmen damals ihren Gewohnheitsweg, und die Schweiz er¬
gab sich fernerhin dem Auslande, mochte nun ein einzelner Stand wie Zürich
opponiren oder nicht. Freilich zögerte manche regenerirte Cantonsregierung,
ihre Landeskinder hinzugeben an katholische Staaten wie Frankreich, und sie
dort zur Bekämpfung und Ausrottung der reformirten Kirche verwenden zu
lassen, für die sie selbst eben erst gewonnen waren. Aber gerade infolge der
Glaubensspaltung der Schweiz wuchs nun auch die Neisläuferei wieder, indem
man hier protestantische, dort katholische Allianzen aufsuchte. Mit dem ge¬
wohnten Geldinteresse verschwisterte sich der confessionelle Haß, man stempelte
die Miethstruppen zu Stützen des Glaubens, und wo von nun an in Europa
ein Staatsstreich im Großen versucht wird, sind schweizerische Söldner dabei
Werkzeuge gewesen. Ein Beispiel genügt, dasjenige der pariser Bartholomäus¬
nacht. Man hatte, um diese sogenannte Bluthochzeit ins Werk zu setzen,
damals die Truppen und Hauptleute der fünf kleinen oder katholischen Cantone
eigens nach Paris verlegt. Das Gemetzel gegen die Reformirten dauerte nicht
etwa eine Nacht, sondern sieben Tage fort und raffte 3000 Menschen hin. Als
der bekannte Rechtsgelehrte Franz Hottomann, damals Professor zu Bourges,
mit Hilfe deutscher Studenten dem Tode entronnen war, schreibt er von Genf
aus an Johann Haller in Bern und an Heinrich Bullinger in Zürich: Die schwei¬
zerische Leibwache hat bei der Blutarbeit die Palme errungen. Martin Koch
von Freiburg (Uechtland) erstach den Admiral (Coligny) mit einem Schwein-
spieß; er hat 10,000 Kronen erbeutet und ist Lieutenant worden. Moritz
Grüner von Nieder-Urnen riß ihn aus dem Bette. Moritz Klein von Otter
hat 2000 Kronen in Gold, 100 Kronen in Silbergeschirr und des Admirals
Röcklein. Ungefähr um die neunte Stunde (Morgens, 24. Aug. 1572) ist
man mit dem Metzger der (calvinistischen) Edelleute fertig gewesen." (Escher-
Hottinger, Schweiz. Archiv 2, 449). Die Medaille, welche Papst Gregor der
Dreizehnte aus diesen Sieg des Glaubens prägen ließ, wird bis heute zu Rom
sortgeprägt und vertheilt, und ein Befehl des päpstlichen Naestrv act saero
?aIuWv vom Februar 1864 schränkt gegenwärtig den Brauch nur dahin el»,
daß bloße Privatbcstellungen nicht ferner ausgeführt werden sollen. Die Me¬
daille selbst verbleibt mithin in ihrer bisherigen Geltung, sowie auch die Reis-
läuferei, trotz der Einsprache der schweizerischen Bundesregierung, bis dahin


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/133>, abgerufen am 20.10.2024.