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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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Kein Wunder, daß man bei solchen Anschauungen die Nachricht von dem
Scheitern der Fnedensverhandlungen im Lager mit mißbilligenden Aeußerungen
empfing und die marokkanischen Abgesandten mit einer gewissen Auszeichnung
und Theilnahme behandelte. Diese zeigte sich weniger bei der officiellen Unter¬
handlung mit O'Donnell, als des Abends, wo die Gesandten bei dem Gene¬
ral Rios-Rosas verweilten. Beide Theile ergingen sich beim Empfang in end¬
losen Complimenten. die mit dem Hui pro puo schlössen, daß die Mauren aus
lauter Höflichkeit auf den von den Spaniern mit großer Mühe herbeigeschasflen
Stühlen Platz nahmen, auf denen sie nicht zu sitzen verstanden, die Spanier
aber ebenfalls nicht zur Vermehrung ihrer Bequemlichkeit in orientalischer Weise
auf Divans und Kissen hockten. Nach einer der Würde der Gäste angemessenen
Collation. die das spanische Musikchor mit Märschen und Tänzen begleitete,
begann dann die Unterhaltung, die bei Cigarren, Liqueur und Wein sehr leb¬
haft wurde, obgleich man sich der Dolmetscher bedienen mußte. Wir folgen
darüber General Gvebens lebendig geschriebene Berichte wörtlich, obgleich er
auch nur von Hörensagen spricht, da er nicht mit anwesend war.

"Weniger munter als die Spanier zeigten sich die Mauren. Ahmed al Badin,
Gouverneur von Tanger und Unterbefehlshaber von Mulcy Abbas, hat vor¬
zugsweise die Unterhaltung aufrecht erhalten und lebhaft und scharfsinnig ge¬
sprochen. Er hat ein sehr ausdrucksvolles Gesicht, und seine Erscheinung ist
ganz die eines vornehmen Andalusicrs, eine Bemerkung, welche sich den Spa¬
niern selbst aufgedrängt hat.

Der Gouverneur des Riff dagegen, Jas-al-Mahtschard, von seinen Ge¬
fährten mit größter Auszeichnung behandelt, ist weniger gesprächig gewesen, hat
jede Antwort lange überlegt und sie dann in feierlichem Ton ausgesprochen.
Sein Aeußeres ist nicht so ansprechend, wie das von Al-Badin, er hat aber
sehr intelligente, durchdringende Augen. Aben-Abu. Anführer der Kavallerie
im Heere von Mulcy Abbas, ein Bruder des Vorigen, ist ein frischer, offener
Soldat mit sehr scharf geschnittenen Zügen von gutmüthigem Ausdruck. Er
spricht spanisch, und im Gegensatz zu den anderen Mauren spricht er gern und
laut, lacht sogar oft, wobei er aber stets große Scheu vor seinem ernsteren
Bruder zeigte, während er ihn doch wieder häusig mit Zärtlichkeit ansah.
"Dieselbe Mutter hat uns geboren" hat er gegen einen der Spanier geäußert,
"sollte ich ihn nicht lieben? Und dann ist er, den Ihr da sehet, so gelehrt und
so tapfer, daß ich ihn fürchte wie meinen Vater und ihn liebe wie meine
Mutter."

Einen eigenthümlichen Contrast zu diesen drei Männern hat Al-Tscharki,
der zweite Gouverneur von Fez, gebildet. Jung noch und schlank gebaut, hat
er, wie die mattgraue Farbe, die starken Lippen und die glühenden schwarzen
Augen es bezeugen, afrikanisches Blut in den Adern, während seine Gefährten


Kein Wunder, daß man bei solchen Anschauungen die Nachricht von dem
Scheitern der Fnedensverhandlungen im Lager mit mißbilligenden Aeußerungen
empfing und die marokkanischen Abgesandten mit einer gewissen Auszeichnung
und Theilnahme behandelte. Diese zeigte sich weniger bei der officiellen Unter¬
handlung mit O'Donnell, als des Abends, wo die Gesandten bei dem Gene¬
ral Rios-Rosas verweilten. Beide Theile ergingen sich beim Empfang in end¬
losen Complimenten. die mit dem Hui pro puo schlössen, daß die Mauren aus
lauter Höflichkeit auf den von den Spaniern mit großer Mühe herbeigeschasflen
Stühlen Platz nahmen, auf denen sie nicht zu sitzen verstanden, die Spanier
aber ebenfalls nicht zur Vermehrung ihrer Bequemlichkeit in orientalischer Weise
auf Divans und Kissen hockten. Nach einer der Würde der Gäste angemessenen
Collation. die das spanische Musikchor mit Märschen und Tänzen begleitete,
begann dann die Unterhaltung, die bei Cigarren, Liqueur und Wein sehr leb¬
haft wurde, obgleich man sich der Dolmetscher bedienen mußte. Wir folgen
darüber General Gvebens lebendig geschriebene Berichte wörtlich, obgleich er
auch nur von Hörensagen spricht, da er nicht mit anwesend war.

„Weniger munter als die Spanier zeigten sich die Mauren. Ahmed al Badin,
Gouverneur von Tanger und Unterbefehlshaber von Mulcy Abbas, hat vor¬
zugsweise die Unterhaltung aufrecht erhalten und lebhaft und scharfsinnig ge¬
sprochen. Er hat ein sehr ausdrucksvolles Gesicht, und seine Erscheinung ist
ganz die eines vornehmen Andalusicrs, eine Bemerkung, welche sich den Spa¬
niern selbst aufgedrängt hat.

Der Gouverneur des Riff dagegen, Jas-al-Mahtschard, von seinen Ge¬
fährten mit größter Auszeichnung behandelt, ist weniger gesprächig gewesen, hat
jede Antwort lange überlegt und sie dann in feierlichem Ton ausgesprochen.
Sein Aeußeres ist nicht so ansprechend, wie das von Al-Badin, er hat aber
sehr intelligente, durchdringende Augen. Aben-Abu. Anführer der Kavallerie
im Heere von Mulcy Abbas, ein Bruder des Vorigen, ist ein frischer, offener
Soldat mit sehr scharf geschnittenen Zügen von gutmüthigem Ausdruck. Er
spricht spanisch, und im Gegensatz zu den anderen Mauren spricht er gern und
laut, lacht sogar oft, wobei er aber stets große Scheu vor seinem ernsteren
Bruder zeigte, während er ihn doch wieder häusig mit Zärtlichkeit ansah.
„Dieselbe Mutter hat uns geboren" hat er gegen einen der Spanier geäußert,
„sollte ich ihn nicht lieben? Und dann ist er, den Ihr da sehet, so gelehrt und
so tapfer, daß ich ihn fürchte wie meinen Vater und ihn liebe wie meine
Mutter."

Einen eigenthümlichen Contrast zu diesen drei Männern hat Al-Tscharki,
der zweite Gouverneur von Fez, gebildet. Jung noch und schlank gebaut, hat
er, wie die mattgraue Farbe, die starken Lippen und die glühenden schwarzen
Augen es bezeugen, afrikanisches Blut in den Adern, während seine Gefährten


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[0119] Kein Wunder, daß man bei solchen Anschauungen die Nachricht von dem Scheitern der Fnedensverhandlungen im Lager mit mißbilligenden Aeußerungen empfing und die marokkanischen Abgesandten mit einer gewissen Auszeichnung und Theilnahme behandelte. Diese zeigte sich weniger bei der officiellen Unter¬ handlung mit O'Donnell, als des Abends, wo die Gesandten bei dem Gene¬ ral Rios-Rosas verweilten. Beide Theile ergingen sich beim Empfang in end¬ losen Complimenten. die mit dem Hui pro puo schlössen, daß die Mauren aus lauter Höflichkeit auf den von den Spaniern mit großer Mühe herbeigeschasflen Stühlen Platz nahmen, auf denen sie nicht zu sitzen verstanden, die Spanier aber ebenfalls nicht zur Vermehrung ihrer Bequemlichkeit in orientalischer Weise auf Divans und Kissen hockten. Nach einer der Würde der Gäste angemessenen Collation. die das spanische Musikchor mit Märschen und Tänzen begleitete, begann dann die Unterhaltung, die bei Cigarren, Liqueur und Wein sehr leb¬ haft wurde, obgleich man sich der Dolmetscher bedienen mußte. Wir folgen darüber General Gvebens lebendig geschriebene Berichte wörtlich, obgleich er auch nur von Hörensagen spricht, da er nicht mit anwesend war. „Weniger munter als die Spanier zeigten sich die Mauren. Ahmed al Badin, Gouverneur von Tanger und Unterbefehlshaber von Mulcy Abbas, hat vor¬ zugsweise die Unterhaltung aufrecht erhalten und lebhaft und scharfsinnig ge¬ sprochen. Er hat ein sehr ausdrucksvolles Gesicht, und seine Erscheinung ist ganz die eines vornehmen Andalusicrs, eine Bemerkung, welche sich den Spa¬ niern selbst aufgedrängt hat. Der Gouverneur des Riff dagegen, Jas-al-Mahtschard, von seinen Ge¬ fährten mit größter Auszeichnung behandelt, ist weniger gesprächig gewesen, hat jede Antwort lange überlegt und sie dann in feierlichem Ton ausgesprochen. Sein Aeußeres ist nicht so ansprechend, wie das von Al-Badin, er hat aber sehr intelligente, durchdringende Augen. Aben-Abu. Anführer der Kavallerie im Heere von Mulcy Abbas, ein Bruder des Vorigen, ist ein frischer, offener Soldat mit sehr scharf geschnittenen Zügen von gutmüthigem Ausdruck. Er spricht spanisch, und im Gegensatz zu den anderen Mauren spricht er gern und laut, lacht sogar oft, wobei er aber stets große Scheu vor seinem ernsteren Bruder zeigte, während er ihn doch wieder häusig mit Zärtlichkeit ansah. „Dieselbe Mutter hat uns geboren" hat er gegen einen der Spanier geäußert, „sollte ich ihn nicht lieben? Und dann ist er, den Ihr da sehet, so gelehrt und so tapfer, daß ich ihn fürchte wie meinen Vater und ihn liebe wie meine Mutter." Einen eigenthümlichen Contrast zu diesen drei Männern hat Al-Tscharki, der zweite Gouverneur von Fez, gebildet. Jung noch und schlank gebaut, hat er, wie die mattgraue Farbe, die starken Lippen und die glühenden schwarzen Augen es bezeugen, afrikanisches Blut in den Adern, während seine Gefährten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/119>, abgerufen am 20.10.2024.