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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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zweifellos rein kaukasischer Race sind. Allein dunkel gekleidet, da die Uebrigen
fast sämmtlich in weihen Feslgewändern erschienen waren, hat er, nachdem er
sich auf ein Kissen auf dem Fußboden niedergelassen, zwei ganze Stunden mit
untergeschlagenen Armen unbeweglich gesessen, hat nichts genossen, hat keinen
Laut von sich gegeben, nur mit düster nachsinnendem Ausdruck des Gesichts
einen Spanier nach dem andern lange und durchdringend betrachtet. Unwill¬
kürlich sind die Blicke derselben immer wieder aus die wunderbare, fast Furcht
einflößende und doch so poetisch schöne Erscheinung hingezogen worden. Als
"el Genio del Mal" bezeichnen sie ihn.

Wiederholt haben die Gesandten während des Abends ausgesprochen, daß
Muley Abbas und sein Heer den Frieden wünschen um jeden Preis und
dauernde Freundschaft mit Spanien, daß aber der Thron des Kaisers noch
wenig gesichert sei und durch die Abtretung von Tetuan aufs Höchste gefährdet
sein würde. "Wer Tetuan fordert, der will den Frieden nicht!" hat der Gouver¬
neur des iliiff hinzugesetzt. Sie haben auf die Bemerkung, daß Spanien die
Fortsetzung des Krieges nicht zu fürchten brauche, auch geäußert: "Ihr könnt
nicht drei Jahre lang Krieg führen, wir können es vierzig Jahre lang. Euch
kostet der Krieg viel Geld, und das Geld hat ein Ende wie das Leben und
jedes Gut der Welt. Was aber kein Ende hat, das sind die Männer in
Marokko: die Einen sterben, und Andere kommen wieder. Und es sind ihrer
viele, viele!"

Mit großem Unbehagen scheinen die Spanier das gehört zu haben, und
natürlich sagen sie heute schon: "das haben die Engländer sie gelehrt", gerade
so wie sie behaupten, die Strandbatterien an der Mündung des Uad-al-Chacu
seien von Engländern erbaut. Die Juden sollen eingestanden haben, daß die
Ingenieure zwar im maurischen Anzüge gewesen seien, aber:' "sämmtlich blond!"
Die Juden sagen natürlich alles, was die Spanier von ihnen hören wollen.

Ueber die bisherigen Kämpfe sprechend haben die Marokkaner schließlich
ausgesprochen, die große Ueberlegenheit der Spanier liege in ihren Kanonen
und in ihren Bajonneten, während Muley Abbas, der sehr tapfer und gro߬
herzig sei, schlechte Truppen befestige. Ahmed-al-Badin habe bei Tetuan mehre
Häuptlinge der Kabylcn mit eigener Hand getödtet, weil sie Lügner und Feig¬
linge gewesen. O'Donnell aber hätten sie für weit älter gehalten, da er so
sehr vorsichtig sei.

Um elf Uhr erhoben sich die Mauren zum Fortgehen. Da hat der immer
düsterer gewordene Al-Tscharki nur dem General Rios die Hand zum Abschied
gegeben, hat aber nochmals dessen Rechte ergriffen und sie mit größter Kraft
gedrückt, ihn fest und schweigend betrachtend. Er hat sich darauf in sein dunkles
Gewand gehüllt und ist langsam fortgegangen.

Welche Gedanken und Gefühle mögen an jenem Abend dieses ungewöhn-


zweifellos rein kaukasischer Race sind. Allein dunkel gekleidet, da die Uebrigen
fast sämmtlich in weihen Feslgewändern erschienen waren, hat er, nachdem er
sich auf ein Kissen auf dem Fußboden niedergelassen, zwei ganze Stunden mit
untergeschlagenen Armen unbeweglich gesessen, hat nichts genossen, hat keinen
Laut von sich gegeben, nur mit düster nachsinnendem Ausdruck des Gesichts
einen Spanier nach dem andern lange und durchdringend betrachtet. Unwill¬
kürlich sind die Blicke derselben immer wieder aus die wunderbare, fast Furcht
einflößende und doch so poetisch schöne Erscheinung hingezogen worden. Als
„el Genio del Mal" bezeichnen sie ihn.

Wiederholt haben die Gesandten während des Abends ausgesprochen, daß
Muley Abbas und sein Heer den Frieden wünschen um jeden Preis und
dauernde Freundschaft mit Spanien, daß aber der Thron des Kaisers noch
wenig gesichert sei und durch die Abtretung von Tetuan aufs Höchste gefährdet
sein würde. „Wer Tetuan fordert, der will den Frieden nicht!" hat der Gouver¬
neur des iliiff hinzugesetzt. Sie haben auf die Bemerkung, daß Spanien die
Fortsetzung des Krieges nicht zu fürchten brauche, auch geäußert: „Ihr könnt
nicht drei Jahre lang Krieg führen, wir können es vierzig Jahre lang. Euch
kostet der Krieg viel Geld, und das Geld hat ein Ende wie das Leben und
jedes Gut der Welt. Was aber kein Ende hat, das sind die Männer in
Marokko: die Einen sterben, und Andere kommen wieder. Und es sind ihrer
viele, viele!"

Mit großem Unbehagen scheinen die Spanier das gehört zu haben, und
natürlich sagen sie heute schon: „das haben die Engländer sie gelehrt", gerade
so wie sie behaupten, die Strandbatterien an der Mündung des Uad-al-Chacu
seien von Engländern erbaut. Die Juden sollen eingestanden haben, daß die
Ingenieure zwar im maurischen Anzüge gewesen seien, aber:' „sämmtlich blond!"
Die Juden sagen natürlich alles, was die Spanier von ihnen hören wollen.

Ueber die bisherigen Kämpfe sprechend haben die Marokkaner schließlich
ausgesprochen, die große Ueberlegenheit der Spanier liege in ihren Kanonen
und in ihren Bajonneten, während Muley Abbas, der sehr tapfer und gro߬
herzig sei, schlechte Truppen befestige. Ahmed-al-Badin habe bei Tetuan mehre
Häuptlinge der Kabylcn mit eigener Hand getödtet, weil sie Lügner und Feig¬
linge gewesen. O'Donnell aber hätten sie für weit älter gehalten, da er so
sehr vorsichtig sei.

Um elf Uhr erhoben sich die Mauren zum Fortgehen. Da hat der immer
düsterer gewordene Al-Tscharki nur dem General Rios die Hand zum Abschied
gegeben, hat aber nochmals dessen Rechte ergriffen und sie mit größter Kraft
gedrückt, ihn fest und schweigend betrachtend. Er hat sich darauf in sein dunkles
Gewand gehüllt und ist langsam fortgegangen.

Welche Gedanken und Gefühle mögen an jenem Abend dieses ungewöhn-


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[0120] zweifellos rein kaukasischer Race sind. Allein dunkel gekleidet, da die Uebrigen fast sämmtlich in weihen Feslgewändern erschienen waren, hat er, nachdem er sich auf ein Kissen auf dem Fußboden niedergelassen, zwei ganze Stunden mit untergeschlagenen Armen unbeweglich gesessen, hat nichts genossen, hat keinen Laut von sich gegeben, nur mit düster nachsinnendem Ausdruck des Gesichts einen Spanier nach dem andern lange und durchdringend betrachtet. Unwill¬ kürlich sind die Blicke derselben immer wieder aus die wunderbare, fast Furcht einflößende und doch so poetisch schöne Erscheinung hingezogen worden. Als „el Genio del Mal" bezeichnen sie ihn. Wiederholt haben die Gesandten während des Abends ausgesprochen, daß Muley Abbas und sein Heer den Frieden wünschen um jeden Preis und dauernde Freundschaft mit Spanien, daß aber der Thron des Kaisers noch wenig gesichert sei und durch die Abtretung von Tetuan aufs Höchste gefährdet sein würde. „Wer Tetuan fordert, der will den Frieden nicht!" hat der Gouver¬ neur des iliiff hinzugesetzt. Sie haben auf die Bemerkung, daß Spanien die Fortsetzung des Krieges nicht zu fürchten brauche, auch geäußert: „Ihr könnt nicht drei Jahre lang Krieg führen, wir können es vierzig Jahre lang. Euch kostet der Krieg viel Geld, und das Geld hat ein Ende wie das Leben und jedes Gut der Welt. Was aber kein Ende hat, das sind die Männer in Marokko: die Einen sterben, und Andere kommen wieder. Und es sind ihrer viele, viele!" Mit großem Unbehagen scheinen die Spanier das gehört zu haben, und natürlich sagen sie heute schon: „das haben die Engländer sie gelehrt", gerade so wie sie behaupten, die Strandbatterien an der Mündung des Uad-al-Chacu seien von Engländern erbaut. Die Juden sollen eingestanden haben, daß die Ingenieure zwar im maurischen Anzüge gewesen seien, aber:' „sämmtlich blond!" Die Juden sagen natürlich alles, was die Spanier von ihnen hören wollen. Ueber die bisherigen Kämpfe sprechend haben die Marokkaner schließlich ausgesprochen, die große Ueberlegenheit der Spanier liege in ihren Kanonen und in ihren Bajonneten, während Muley Abbas, der sehr tapfer und gro߬ herzig sei, schlechte Truppen befestige. Ahmed-al-Badin habe bei Tetuan mehre Häuptlinge der Kabylcn mit eigener Hand getödtet, weil sie Lügner und Feig¬ linge gewesen. O'Donnell aber hätten sie für weit älter gehalten, da er so sehr vorsichtig sei. Um elf Uhr erhoben sich die Mauren zum Fortgehen. Da hat der immer düsterer gewordene Al-Tscharki nur dem General Rios die Hand zum Abschied gegeben, hat aber nochmals dessen Rechte ergriffen und sie mit größter Kraft gedrückt, ihn fest und schweigend betrachtend. Er hat sich darauf in sein dunkles Gewand gehüllt und ist langsam fortgegangen. Welche Gedanken und Gefühle mögen an jenem Abend dieses ungewöhn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/120>, abgerufen am 28.09.2024.