Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zeigten Herrn v. Goeben einzelne Stücke als solche, die mit aus Spanien
herübergebracht waren. Sie hatten von Generation auf Generation fortgeerbt,
und jede hatte neuen Schmuck an Edelsteinen und kostbaren Perlen und Seiden-
stickereien dazu gethan. Es zeigte sich übrigens bei dieser Gelegenheit, daß die
Juden zwar bei der Plünderung manchen Schaden erlitten, hauptsächlich aber
an gewöhnlichem Hausrath, daß sie aber alle ihre kostbaren Sachen zu retten
gewußt hatten. Jedenfalls aber war ihr Jammerruf "sie haben uns nackt ge¬
lassen!" nicht wörtlich zu nehmen.

Die Kassaba oder Citadelle ist eine gut gebaute und wohlerhaltene Burg,
ganz im Stile unserer mittelalterlichen Schlösser, von mehren starken Ring¬
mauern umgeben und an den aufspringenden Winkeln durch Bastionen befestigt.
Sie liegt auf steiler Höhe über der Stadt, deren Mauern bis zu ihr hinanreichen.
Die Citadelle war von den Marokkanern mit zahlreichem Geschütz besetzt ge¬
wesen, von dem Einzelne Stücke sehr kunstreich gearbeitet, die Geschenke euro¬
päischer Regierungen aus früheren Jahrhunderten waren, andere noch von der
großen Schlacht bei Alcazar-Kivir (1573), wo König Sebastian von Portugal
mit seinem ganzen Heere zu Grunde ging, herrührten. Viele ruhten auf
Lafetten, welche die Geschütze fast unbrauchbar machten, und auch an Munition
war großer Mangel, denn nur 2000 Kugeln wurden vorgefunden. Es scheint
danach nicht, als ob die Marokkaner, sich mit besonderer Sorgfalt auf den
Krieg mit den Spaniern vorbereitet hätten; denn die Kassaba wäre einer
energischen Vertheidigung wohl fähig gewesen, wenn nur die gewöhnlichsten
Anstalten dazu getroffen worden wären.

Der 16. Februar erschien und mit ihm der Tag, wo sich die maurischen
Gesandten wieder im spanischen Lager einfinden sollten. Pünktlich erschienen
sie denn auch Nachmittag um drei Uhr und wurden in das Zelt des Ober¬
befehlshabers geführt, wo sie über zwei Stunden blieben. Dann traten
sie wieder heraus, ernst und mit würdevoller Haltung, wie immer, aber mit
düsterem Antlitz und hoffnungsloser Miene; denn die Friedensbedingungen, die
der kriegslustige madrider Hof gestellt hatte, ließen dem Beherrscher Marokkos
nichts übrig, als Fortsetzung des Krieges. Man verlangte Zahlung der Kriegs¬
kosten von fünfundzwanzig Millionen Piaster, Zulassung einer stehenden spa¬
nischen Gesandtschaft in Fez, Duldung und Schutz spanischer Missionäre, Ab¬
schluß eines Handeisvertrags. Abtretung eines breiten Gürtels um Ceuta und
um Menilla. und endlich die Abtretung der Stadt Tetuan mit ihrem Gebiet
und mit dem ganzen zwischen dieser Stadt und Ceuta liegenden Landstrich
längs der Küste. Schweigend hatten die Gesandten dem Verlesen der Friedens¬
bedingungen zugehört, bis zu der letzten. Da entrang sich ein tiefer Seufzer
ihrer Brust, und kopfschüttelnd sahen sie sich an. Gegen den General
Rios-Rosas äußerten sie später mündlich, auf die Abtretung Tetuans könne


zeigten Herrn v. Goeben einzelne Stücke als solche, die mit aus Spanien
herübergebracht waren. Sie hatten von Generation auf Generation fortgeerbt,
und jede hatte neuen Schmuck an Edelsteinen und kostbaren Perlen und Seiden-
stickereien dazu gethan. Es zeigte sich übrigens bei dieser Gelegenheit, daß die
Juden zwar bei der Plünderung manchen Schaden erlitten, hauptsächlich aber
an gewöhnlichem Hausrath, daß sie aber alle ihre kostbaren Sachen zu retten
gewußt hatten. Jedenfalls aber war ihr Jammerruf „sie haben uns nackt ge¬
lassen!" nicht wörtlich zu nehmen.

Die Kassaba oder Citadelle ist eine gut gebaute und wohlerhaltene Burg,
ganz im Stile unserer mittelalterlichen Schlösser, von mehren starken Ring¬
mauern umgeben und an den aufspringenden Winkeln durch Bastionen befestigt.
Sie liegt auf steiler Höhe über der Stadt, deren Mauern bis zu ihr hinanreichen.
Die Citadelle war von den Marokkanern mit zahlreichem Geschütz besetzt ge¬
wesen, von dem Einzelne Stücke sehr kunstreich gearbeitet, die Geschenke euro¬
päischer Regierungen aus früheren Jahrhunderten waren, andere noch von der
großen Schlacht bei Alcazar-Kivir (1573), wo König Sebastian von Portugal
mit seinem ganzen Heere zu Grunde ging, herrührten. Viele ruhten auf
Lafetten, welche die Geschütze fast unbrauchbar machten, und auch an Munition
war großer Mangel, denn nur 2000 Kugeln wurden vorgefunden. Es scheint
danach nicht, als ob die Marokkaner, sich mit besonderer Sorgfalt auf den
Krieg mit den Spaniern vorbereitet hätten; denn die Kassaba wäre einer
energischen Vertheidigung wohl fähig gewesen, wenn nur die gewöhnlichsten
Anstalten dazu getroffen worden wären.

Der 16. Februar erschien und mit ihm der Tag, wo sich die maurischen
Gesandten wieder im spanischen Lager einfinden sollten. Pünktlich erschienen
sie denn auch Nachmittag um drei Uhr und wurden in das Zelt des Ober¬
befehlshabers geführt, wo sie über zwei Stunden blieben. Dann traten
sie wieder heraus, ernst und mit würdevoller Haltung, wie immer, aber mit
düsterem Antlitz und hoffnungsloser Miene; denn die Friedensbedingungen, die
der kriegslustige madrider Hof gestellt hatte, ließen dem Beherrscher Marokkos
nichts übrig, als Fortsetzung des Krieges. Man verlangte Zahlung der Kriegs¬
kosten von fünfundzwanzig Millionen Piaster, Zulassung einer stehenden spa¬
nischen Gesandtschaft in Fez, Duldung und Schutz spanischer Missionäre, Ab¬
schluß eines Handeisvertrags. Abtretung eines breiten Gürtels um Ceuta und
um Menilla. und endlich die Abtretung der Stadt Tetuan mit ihrem Gebiet
und mit dem ganzen zwischen dieser Stadt und Ceuta liegenden Landstrich
längs der Küste. Schweigend hatten die Gesandten dem Verlesen der Friedens¬
bedingungen zugehört, bis zu der letzten. Da entrang sich ein tiefer Seufzer
ihrer Brust, und kopfschüttelnd sahen sie sich an. Gegen den General
Rios-Rosas äußerten sie später mündlich, auf die Abtretung Tetuans könne


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0117" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189212"/>
          <p xml:id="ID_366" prev="#ID_365"> zeigten Herrn v. Goeben einzelne Stücke als solche, die mit aus Spanien<lb/>
herübergebracht waren. Sie hatten von Generation auf Generation fortgeerbt,<lb/>
und jede hatte neuen Schmuck an Edelsteinen und kostbaren Perlen und Seiden-<lb/>
stickereien dazu gethan. Es zeigte sich übrigens bei dieser Gelegenheit, daß die<lb/>
Juden zwar bei der Plünderung manchen Schaden erlitten, hauptsächlich aber<lb/>
an gewöhnlichem Hausrath, daß sie aber alle ihre kostbaren Sachen zu retten<lb/>
gewußt hatten. Jedenfalls aber war ihr Jammerruf &#x201E;sie haben uns nackt ge¬<lb/>
lassen!" nicht wörtlich zu nehmen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_367"> Die Kassaba oder Citadelle ist eine gut gebaute und wohlerhaltene Burg,<lb/>
ganz im Stile unserer mittelalterlichen Schlösser, von mehren starken Ring¬<lb/>
mauern umgeben und an den aufspringenden Winkeln durch Bastionen befestigt.<lb/>
Sie liegt auf steiler Höhe über der Stadt, deren Mauern bis zu ihr hinanreichen.<lb/>
Die Citadelle war von den Marokkanern mit zahlreichem Geschütz besetzt ge¬<lb/>
wesen, von dem Einzelne Stücke sehr kunstreich gearbeitet, die Geschenke euro¬<lb/>
päischer Regierungen aus früheren Jahrhunderten waren, andere noch von der<lb/>
großen Schlacht bei Alcazar-Kivir (1573), wo König Sebastian von Portugal<lb/>
mit seinem ganzen Heere zu Grunde ging, herrührten. Viele ruhten auf<lb/>
Lafetten, welche die Geschütze fast unbrauchbar machten, und auch an Munition<lb/>
war großer Mangel, denn nur 2000 Kugeln wurden vorgefunden. Es scheint<lb/>
danach nicht, als ob die Marokkaner, sich mit besonderer Sorgfalt auf den<lb/>
Krieg mit den Spaniern vorbereitet hätten; denn die Kassaba wäre einer<lb/>
energischen Vertheidigung wohl fähig gewesen, wenn nur die gewöhnlichsten<lb/>
Anstalten dazu getroffen worden wären.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_368" next="#ID_369"> Der 16. Februar erschien und mit ihm der Tag, wo sich die maurischen<lb/>
Gesandten wieder im spanischen Lager einfinden sollten. Pünktlich erschienen<lb/>
sie denn auch Nachmittag um drei Uhr und wurden in das Zelt des Ober¬<lb/>
befehlshabers geführt, wo sie über zwei Stunden blieben. Dann traten<lb/>
sie wieder heraus, ernst und mit würdevoller Haltung, wie immer, aber mit<lb/>
düsterem Antlitz und hoffnungsloser Miene; denn die Friedensbedingungen, die<lb/>
der kriegslustige madrider Hof gestellt hatte, ließen dem Beherrscher Marokkos<lb/>
nichts übrig, als Fortsetzung des Krieges. Man verlangte Zahlung der Kriegs¬<lb/>
kosten von fünfundzwanzig Millionen Piaster, Zulassung einer stehenden spa¬<lb/>
nischen Gesandtschaft in Fez, Duldung und Schutz spanischer Missionäre, Ab¬<lb/>
schluß eines Handeisvertrags. Abtretung eines breiten Gürtels um Ceuta und<lb/>
um Menilla. und endlich die Abtretung der Stadt Tetuan mit ihrem Gebiet<lb/>
und mit dem ganzen zwischen dieser Stadt und Ceuta liegenden Landstrich<lb/>
längs der Küste. Schweigend hatten die Gesandten dem Verlesen der Friedens¬<lb/>
bedingungen zugehört, bis zu der letzten. Da entrang sich ein tiefer Seufzer<lb/>
ihrer Brust, und kopfschüttelnd sahen sie sich an. Gegen den General<lb/>
Rios-Rosas äußerten sie später mündlich, auf die Abtretung Tetuans könne</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0117] zeigten Herrn v. Goeben einzelne Stücke als solche, die mit aus Spanien herübergebracht waren. Sie hatten von Generation auf Generation fortgeerbt, und jede hatte neuen Schmuck an Edelsteinen und kostbaren Perlen und Seiden- stickereien dazu gethan. Es zeigte sich übrigens bei dieser Gelegenheit, daß die Juden zwar bei der Plünderung manchen Schaden erlitten, hauptsächlich aber an gewöhnlichem Hausrath, daß sie aber alle ihre kostbaren Sachen zu retten gewußt hatten. Jedenfalls aber war ihr Jammerruf „sie haben uns nackt ge¬ lassen!" nicht wörtlich zu nehmen. Die Kassaba oder Citadelle ist eine gut gebaute und wohlerhaltene Burg, ganz im Stile unserer mittelalterlichen Schlösser, von mehren starken Ring¬ mauern umgeben und an den aufspringenden Winkeln durch Bastionen befestigt. Sie liegt auf steiler Höhe über der Stadt, deren Mauern bis zu ihr hinanreichen. Die Citadelle war von den Marokkanern mit zahlreichem Geschütz besetzt ge¬ wesen, von dem Einzelne Stücke sehr kunstreich gearbeitet, die Geschenke euro¬ päischer Regierungen aus früheren Jahrhunderten waren, andere noch von der großen Schlacht bei Alcazar-Kivir (1573), wo König Sebastian von Portugal mit seinem ganzen Heere zu Grunde ging, herrührten. Viele ruhten auf Lafetten, welche die Geschütze fast unbrauchbar machten, und auch an Munition war großer Mangel, denn nur 2000 Kugeln wurden vorgefunden. Es scheint danach nicht, als ob die Marokkaner, sich mit besonderer Sorgfalt auf den Krieg mit den Spaniern vorbereitet hätten; denn die Kassaba wäre einer energischen Vertheidigung wohl fähig gewesen, wenn nur die gewöhnlichsten Anstalten dazu getroffen worden wären. Der 16. Februar erschien und mit ihm der Tag, wo sich die maurischen Gesandten wieder im spanischen Lager einfinden sollten. Pünktlich erschienen sie denn auch Nachmittag um drei Uhr und wurden in das Zelt des Ober¬ befehlshabers geführt, wo sie über zwei Stunden blieben. Dann traten sie wieder heraus, ernst und mit würdevoller Haltung, wie immer, aber mit düsterem Antlitz und hoffnungsloser Miene; denn die Friedensbedingungen, die der kriegslustige madrider Hof gestellt hatte, ließen dem Beherrscher Marokkos nichts übrig, als Fortsetzung des Krieges. Man verlangte Zahlung der Kriegs¬ kosten von fünfundzwanzig Millionen Piaster, Zulassung einer stehenden spa¬ nischen Gesandtschaft in Fez, Duldung und Schutz spanischer Missionäre, Ab¬ schluß eines Handeisvertrags. Abtretung eines breiten Gürtels um Ceuta und um Menilla. und endlich die Abtretung der Stadt Tetuan mit ihrem Gebiet und mit dem ganzen zwischen dieser Stadt und Ceuta liegenden Landstrich längs der Küste. Schweigend hatten die Gesandten dem Verlesen der Friedens¬ bedingungen zugehört, bis zu der letzten. Da entrang sich ein tiefer Seufzer ihrer Brust, und kopfschüttelnd sahen sie sich an. Gegen den General Rios-Rosas äußerten sie später mündlich, auf die Abtretung Tetuans könne

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/117
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/117>, abgerufen am 28.09.2024.