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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band.

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jenen Paul Pfaff. den Bruder ihrer Amme, mit der Vorstellung um Gnade ge¬
beten, daß die Amme sich entsetzen und der säugende Prinz die Folgen tragen
werde. Bitter genug hatte hierauf die Antwort des ergrimmten Kurfürsten ge¬
lautet, in der er sagte, mit betrübtem Sinn habe er wahrgenommen, wie am
Busen solch einer Verwandtschaft Brandenburgs Fürsten groß gezogen würden.

Noch einmal suchte Sachsen -- es war in der letzten Woche des Juni --
den Brandenburger für eine schärfere Verfolgung der kohlhaseschen Schaar zu
gewinnen. Nach dem Vorhergehenden kann man sich denken, mit welchem Er¬
folg. Joachim der Zweite antwortete dem Gesandten zwar freundlich, aber nicht
ohne Schärfe: Das Rauben und Planken sei zwar ein schweres Uebel, aber es
ließe sich eben nicht immer unterdrücken. Auch Kurfürst Johann habe das er¬
fahren, indem er gegen vornehme Landbeschädiger (den edlen Raubritter
v. Minkwih) nicht viel ausgerichtet habe. Uebrigens könne er doch Kohlhase
nicht wider das ihm gegebne Geleit verfolgen. Indeß erbot er sich zuletzt gegen
die. welche sich gegen die sächsischen Richter und gegen den Kurfürsten selbst
auf brandenburgischen Gebiet mit Schmähreden vergangen, einzuschreiten und
dieselben gebührend zu strafen.

Wer war froher als die Sachsen! Sofort erschien eine Liste mit den Namen
von einigen dreißig brandenburgischen Unterthanen, über die man sich zu be¬
klagen haben wollte, und dazu ein gerührtes Dankschreiben des mächtigen sächsischen
Kurfürsten. Welche Ohnmacht lag in solch einer Epistel, und wie unsäglich
erbärmlich waren die territorialen Zustände, die solch eine Dankbarkeit geboten!

Und Brandenburg entwickelte jetzt wirklich eine ziemlich starke Thätigkeit
gegen das Unwesen. Es verfolgte nicht blos die Tumultuanten und Schmäh¬
redner, sondern ging auch gegen die Theilnehmer an der Fehde selbst vor.
Seine Behörden brachten in Berlin eine Reihe Belasteter auf, unter denen
Kohlhasens Verwandtschaft stark vertreten war. und allmählig hatte man gegen
achtzig Ortschaften auf brandenburgischen Gebiet aufgezeichnet, welche den Fester
gehegt hatten, und über fünfzig Personen aus allen Ständen, dem Adel und
der Geistlichkeit, selbst den Richtern und Bürgermeistern, die in der einen oder
der andern Weise als Mitschuldige galten. Viele freilich zeigten sich in dem
großen Reinigungstermin zu Berlin unschuldig, andere befanden sich auf
flüchtigem Fuße, noch anderen konnte man das nöthige Geständniß nicht ab¬
gewinnen, da Brandenburg nur bei wenigen die peinliche Befragung gestattete;
auch fand man, daß die Verwandtschaft billig anders zu beurtheilen sei. wenn
sie Kohlhase beherbergt und mit Speise und Trank versehen, als Andere.
Dennoch gingen zuletzt nicht weniger als IIS der Mitschuld Ueberführte dem
strafenden Gericht entgegen, und nach Luthers Bericht starben im Ganzen über
vierzig aus der Genossenschaft des Fedders den Tod auf dem Schaffst, darunter
allein vierzehn von denen, die Marzahna beraubt hatten.


jenen Paul Pfaff. den Bruder ihrer Amme, mit der Vorstellung um Gnade ge¬
beten, daß die Amme sich entsetzen und der säugende Prinz die Folgen tragen
werde. Bitter genug hatte hierauf die Antwort des ergrimmten Kurfürsten ge¬
lautet, in der er sagte, mit betrübtem Sinn habe er wahrgenommen, wie am
Busen solch einer Verwandtschaft Brandenburgs Fürsten groß gezogen würden.

Noch einmal suchte Sachsen — es war in der letzten Woche des Juni —
den Brandenburger für eine schärfere Verfolgung der kohlhaseschen Schaar zu
gewinnen. Nach dem Vorhergehenden kann man sich denken, mit welchem Er¬
folg. Joachim der Zweite antwortete dem Gesandten zwar freundlich, aber nicht
ohne Schärfe: Das Rauben und Planken sei zwar ein schweres Uebel, aber es
ließe sich eben nicht immer unterdrücken. Auch Kurfürst Johann habe das er¬
fahren, indem er gegen vornehme Landbeschädiger (den edlen Raubritter
v. Minkwih) nicht viel ausgerichtet habe. Uebrigens könne er doch Kohlhase
nicht wider das ihm gegebne Geleit verfolgen. Indeß erbot er sich zuletzt gegen
die. welche sich gegen die sächsischen Richter und gegen den Kurfürsten selbst
auf brandenburgischen Gebiet mit Schmähreden vergangen, einzuschreiten und
dieselben gebührend zu strafen.

Wer war froher als die Sachsen! Sofort erschien eine Liste mit den Namen
von einigen dreißig brandenburgischen Unterthanen, über die man sich zu be¬
klagen haben wollte, und dazu ein gerührtes Dankschreiben des mächtigen sächsischen
Kurfürsten. Welche Ohnmacht lag in solch einer Epistel, und wie unsäglich
erbärmlich waren die territorialen Zustände, die solch eine Dankbarkeit geboten!

Und Brandenburg entwickelte jetzt wirklich eine ziemlich starke Thätigkeit
gegen das Unwesen. Es verfolgte nicht blos die Tumultuanten und Schmäh¬
redner, sondern ging auch gegen die Theilnehmer an der Fehde selbst vor.
Seine Behörden brachten in Berlin eine Reihe Belasteter auf, unter denen
Kohlhasens Verwandtschaft stark vertreten war. und allmählig hatte man gegen
achtzig Ortschaften auf brandenburgischen Gebiet aufgezeichnet, welche den Fester
gehegt hatten, und über fünfzig Personen aus allen Ständen, dem Adel und
der Geistlichkeit, selbst den Richtern und Bürgermeistern, die in der einen oder
der andern Weise als Mitschuldige galten. Viele freilich zeigten sich in dem
großen Reinigungstermin zu Berlin unschuldig, andere befanden sich auf
flüchtigem Fuße, noch anderen konnte man das nöthige Geständniß nicht ab¬
gewinnen, da Brandenburg nur bei wenigen die peinliche Befragung gestattete;
auch fand man, daß die Verwandtschaft billig anders zu beurtheilen sei. wenn
sie Kohlhase beherbergt und mit Speise und Trank versehen, als Andere.
Dennoch gingen zuletzt nicht weniger als IIS der Mitschuld Ueberführte dem
strafenden Gericht entgegen, und nach Luthers Bericht starben im Ganzen über
vierzig aus der Genossenschaft des Fedders den Tod auf dem Schaffst, darunter
allein vierzehn von denen, die Marzahna beraubt hatten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_189094/100>, abgerufen am 28.09.2024.