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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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in den Kampfbildern jener Meister verherrlicht zu sehen, die "nicht dabei ge¬
wesen waren." Und mit solche" Gemälden, welche den ganzen wirklichen
kriegerischen Vorgang entweder in eine Zusammenstellung allegorischer Gestalten
auflösen, oder ihn Und seine Helden gleichsam in die verschönernde Maske
antiker Thaten und Heroen kleiden, bedeckten sich die Wände und Plafonds
ihrer Fürstenschlösser. Für diese letztere Art der idealen Phantasiescblacht bleibt
Rafaels Schlacht des Konstantin sort und fort Typus und Vorbild und hat
sich als solches, ausgerüstet mit der ganzen Autorität seines Autornamenö,
bis auf den heutigen Tag verhängnisvoll genug erwiesen für die ganze Ent¬
wicklung des kriegerischen Genres. Alle jene ungeheuerlichen Gruppirungen,
jene aus unmöglich bewegten Menschen- und Pferdeleibern zusammengeballten
Gestaltenklumpen, jene Stellungen von Todten und Verwundeten, jene souveräne
Gleichgültigkeit gegen die natürliche Möglichkeit, seinen Gegner mit solchen
Hieben und Stößen, wie sie in diesen Kämpfen geführt zu werden Pflegen,
überhaupt nur zu treffen, all diese Eigenschaften, welche der gewöhnlichen
Schlachtmalerei so durchweg gemeinsam waren und vielfach noch sind, lassen
sich auf jenes berühmte Muster zurückführen, in welchem sie, ohne der Ver¬
ehrung für Rafael zu nahe zu treten, vielfach mit Leichtigkeit nachzuweisen sind.
Lebrun. der allherrschendc Kunsttyrann und Hofmaler des großen Ludwig, hat
in seinen der Verherrlichung des letzteren geltenden Alexanderschlachtcn dieses
hohe Muster direct nachgeahmt und un grotesken Geschmack damaliger Kunst
durch Hinzuthun neuer Monstrositäten seine Ueberladung noch übcrgipfclt. Diese,
beiden Autoritäten^ Van der Meuten und Rafael-Lebrun, beherrschen die
ganze Schlachtmalerei des folgenden Jahrhunderts. Im Ganzen aber tritt
während desselben trotz seiner langen und blutigen Kriege das ganze Genre
auffällig zurück. Wir hören von keinem Künstler mehr, der eine der kämpfen¬
den Armeen zu Studienzwecken begleitet, und sehen noch weniger in den Bil¬
dern der Zeit, daß einer ihrer Urheber es gethan hätte. Gewinne die Dar¬
stellung des Kampfes im Hintergrund -- den "ersten Plan" nimmt natürlich
immer der siegreiche Fürst oder Feldherr mit seinem Stäbe ein, -- einen An¬
schein realistischen Charakters, so erkennt man bei einiger Prüfung leicht doch
nur die einfache Wiederholung van der meulenscher Vorbilder, aus welcher das
Verständniß mit der eignen Anschauung der originalen Wirklichkeit bereits ent¬
wichen ist. Weit häufiger aber ist, wo es sich um die Verherrlichung der
Schlachten und Siege der Zeit handelt, Lebruns allegorisirende oder in ein
Phantastisches Römerthum übersetzende Manier für die Künstler maßgebend.
Der große deutsche Realist in der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts, der nie
genug zu schätzende Chodowiecki pflegt sich, wo ihm solche Aufträge werden,
in seinen Compositionen zwischen beiden Darstellungsweisen mitten durch zu win¬
den. Zeuge des wirtlichen Krieges ist er wohl nicht gewesen, doch scheint er


Grenzbote" II. 1864. 62

in den Kampfbildern jener Meister verherrlicht zu sehen, die „nicht dabei ge¬
wesen waren." Und mit solche» Gemälden, welche den ganzen wirklichen
kriegerischen Vorgang entweder in eine Zusammenstellung allegorischer Gestalten
auflösen, oder ihn Und seine Helden gleichsam in die verschönernde Maske
antiker Thaten und Heroen kleiden, bedeckten sich die Wände und Plafonds
ihrer Fürstenschlösser. Für diese letztere Art der idealen Phantasiescblacht bleibt
Rafaels Schlacht des Konstantin sort und fort Typus und Vorbild und hat
sich als solches, ausgerüstet mit der ganzen Autorität seines Autornamenö,
bis auf den heutigen Tag verhängnisvoll genug erwiesen für die ganze Ent¬
wicklung des kriegerischen Genres. Alle jene ungeheuerlichen Gruppirungen,
jene aus unmöglich bewegten Menschen- und Pferdeleibern zusammengeballten
Gestaltenklumpen, jene Stellungen von Todten und Verwundeten, jene souveräne
Gleichgültigkeit gegen die natürliche Möglichkeit, seinen Gegner mit solchen
Hieben und Stößen, wie sie in diesen Kämpfen geführt zu werden Pflegen,
überhaupt nur zu treffen, all diese Eigenschaften, welche der gewöhnlichen
Schlachtmalerei so durchweg gemeinsam waren und vielfach noch sind, lassen
sich auf jenes berühmte Muster zurückführen, in welchem sie, ohne der Ver¬
ehrung für Rafael zu nahe zu treten, vielfach mit Leichtigkeit nachzuweisen sind.
Lebrun. der allherrschendc Kunsttyrann und Hofmaler des großen Ludwig, hat
in seinen der Verherrlichung des letzteren geltenden Alexanderschlachtcn dieses
hohe Muster direct nachgeahmt und un grotesken Geschmack damaliger Kunst
durch Hinzuthun neuer Monstrositäten seine Ueberladung noch übcrgipfclt. Diese,
beiden Autoritäten^ Van der Meuten und Rafael-Lebrun, beherrschen die
ganze Schlachtmalerei des folgenden Jahrhunderts. Im Ganzen aber tritt
während desselben trotz seiner langen und blutigen Kriege das ganze Genre
auffällig zurück. Wir hören von keinem Künstler mehr, der eine der kämpfen¬
den Armeen zu Studienzwecken begleitet, und sehen noch weniger in den Bil¬
dern der Zeit, daß einer ihrer Urheber es gethan hätte. Gewinne die Dar¬
stellung des Kampfes im Hintergrund — den „ersten Plan" nimmt natürlich
immer der siegreiche Fürst oder Feldherr mit seinem Stäbe ein, — einen An¬
schein realistischen Charakters, so erkennt man bei einiger Prüfung leicht doch
nur die einfache Wiederholung van der meulenscher Vorbilder, aus welcher das
Verständniß mit der eignen Anschauung der originalen Wirklichkeit bereits ent¬
wichen ist. Weit häufiger aber ist, wo es sich um die Verherrlichung der
Schlachten und Siege der Zeit handelt, Lebruns allegorisirende oder in ein
Phantastisches Römerthum übersetzende Manier für die Künstler maßgebend.
Der große deutsche Realist in der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts, der nie
genug zu schätzende Chodowiecki pflegt sich, wo ihm solche Aufträge werden,
in seinen Compositionen zwischen beiden Darstellungsweisen mitten durch zu win¬
den. Zeuge des wirtlichen Krieges ist er wohl nicht gewesen, doch scheint er


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[0497] in den Kampfbildern jener Meister verherrlicht zu sehen, die „nicht dabei ge¬ wesen waren." Und mit solche» Gemälden, welche den ganzen wirklichen kriegerischen Vorgang entweder in eine Zusammenstellung allegorischer Gestalten auflösen, oder ihn Und seine Helden gleichsam in die verschönernde Maske antiker Thaten und Heroen kleiden, bedeckten sich die Wände und Plafonds ihrer Fürstenschlösser. Für diese letztere Art der idealen Phantasiescblacht bleibt Rafaels Schlacht des Konstantin sort und fort Typus und Vorbild und hat sich als solches, ausgerüstet mit der ganzen Autorität seines Autornamenö, bis auf den heutigen Tag verhängnisvoll genug erwiesen für die ganze Ent¬ wicklung des kriegerischen Genres. Alle jene ungeheuerlichen Gruppirungen, jene aus unmöglich bewegten Menschen- und Pferdeleibern zusammengeballten Gestaltenklumpen, jene Stellungen von Todten und Verwundeten, jene souveräne Gleichgültigkeit gegen die natürliche Möglichkeit, seinen Gegner mit solchen Hieben und Stößen, wie sie in diesen Kämpfen geführt zu werden Pflegen, überhaupt nur zu treffen, all diese Eigenschaften, welche der gewöhnlichen Schlachtmalerei so durchweg gemeinsam waren und vielfach noch sind, lassen sich auf jenes berühmte Muster zurückführen, in welchem sie, ohne der Ver¬ ehrung für Rafael zu nahe zu treten, vielfach mit Leichtigkeit nachzuweisen sind. Lebrun. der allherrschendc Kunsttyrann und Hofmaler des großen Ludwig, hat in seinen der Verherrlichung des letzteren geltenden Alexanderschlachtcn dieses hohe Muster direct nachgeahmt und un grotesken Geschmack damaliger Kunst durch Hinzuthun neuer Monstrositäten seine Ueberladung noch übcrgipfclt. Diese, beiden Autoritäten^ Van der Meuten und Rafael-Lebrun, beherrschen die ganze Schlachtmalerei des folgenden Jahrhunderts. Im Ganzen aber tritt während desselben trotz seiner langen und blutigen Kriege das ganze Genre auffällig zurück. Wir hören von keinem Künstler mehr, der eine der kämpfen¬ den Armeen zu Studienzwecken begleitet, und sehen noch weniger in den Bil¬ dern der Zeit, daß einer ihrer Urheber es gethan hätte. Gewinne die Dar¬ stellung des Kampfes im Hintergrund — den „ersten Plan" nimmt natürlich immer der siegreiche Fürst oder Feldherr mit seinem Stäbe ein, — einen An¬ schein realistischen Charakters, so erkennt man bei einiger Prüfung leicht doch nur die einfache Wiederholung van der meulenscher Vorbilder, aus welcher das Verständniß mit der eignen Anschauung der originalen Wirklichkeit bereits ent¬ wichen ist. Weit häufiger aber ist, wo es sich um die Verherrlichung der Schlachten und Siege der Zeit handelt, Lebruns allegorisirende oder in ein Phantastisches Römerthum übersetzende Manier für die Künstler maßgebend. Der große deutsche Realist in der Kunst des achtzehnten Jahrhunderts, der nie genug zu schätzende Chodowiecki pflegt sich, wo ihm solche Aufträge werden, in seinen Compositionen zwischen beiden Darstellungsweisen mitten durch zu win¬ den. Zeuge des wirtlichen Krieges ist er wohl nicht gewesen, doch scheint er Grenzbote» II. 1864. 62

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/497>, abgerufen am 23.07.2024.