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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Eine weitere Maßregel dieses Planes wäre, daß die Regierung grundsatz¬
mäßig ihre Minister nie aus den Landtagsmitgliedcrn, sondern aus dem
Beamtenthume nähme und es vermiede, als Minister solche Männer zu wäh¬
len, die sich in das Kammerwesen gewissermaßen hineingelebt hätten, oder ent¬
schiedene Parteimänner gewesen wären, oder zu dem Systeme der parlamen¬
tarischen Regierung sich hinneigten, und in Versuchung gerathen könnten, durch
den Einfluß des Landtages sich von der Krone in ihren Plätzen gewissermaßen
unabhängig zu machen. Unter dem Vorwande, daß ihre Abwesenheit von ihren
Verwaltungsdepartements diese zu sehr benachtheiligen, enthielten sie sich regel¬
mäßig, in den Sitzungen des Landtags zu erscheinen, indem sie sich allmälig
durch ihre Commission mehr und mehr vertreten liehen. Sie vermieden es
zugleich thunlichst, sich in Nedekämpfe mit den Landtagsnütglicdern einzulassen,
und beschränkten sich auf möglichst kurze factische Darlegungen und Er¬
läuterungen.

Den Landtagsnütglicdern wäre natürlich die volle Redefreiheit nicht ab¬
zuschneiden. Sobald sie sich aber aus der Kompetenz des Landtags fremden
Feldern, wie auswärtige Politik u. s, w. ergingen, machten die Vertreter der
Regierung sie kurz darauf aufmerksam und vermieden dann systematisch, ihnen
dahin zu folgen und Erläuterungen zu geben.

Die Mitglieder des Landtags würden persönlich vom Hofe gut behandelt,
aber es grundsatzmäßig vermieden, in welchem Sinne sie sich auch aussprächen,
ihnen Gunstbezeugungen zu gewähren, und ihre Thätigkeit im Landtage zu
einer Leiter für Aufnahme in den Staatsdienst oder für Beförderung in die¬
sem werden zu lassen. Von Zeit zu Zeit und bei passenden Gelegenheiten
wäre den Landtagsmitgliedern indirect zu verstehen zu geben, daß die Fort¬
dauer des iandtäglichen Systems schließlich doch von dem guten Willen der
Krone abhängig bliebe und, mit Rücksicht ans das so künstliche Machtgebäude
Preußens, die Vollgcwalt der Souveränetät in den Händen des Königs blei¬
ben müsse.

Grundsatz wäre es dabei offene Reibungen mit dem Landtage zu ver¬
meiden, dagegen der Regierung nicht genehme Anträge des Landtags still¬
schweigend, außer in Finanzangelegenheiten, unbeachtet zu lassen. Ebenso
grundsätzlich ließe die Negierung dem Landtage unangenehm gewordene Minister
deshalb niemals fallen.

Würde der Landtag factiös und suchte durch Verweigerung der unerlä߬
lichen Geldbewilligungen die Negierung unter seinen Willen zu beugen, so zeigte
die Negierung äußerlich eine große Geduld, um ihn, dem Volke gegenüber, sich
in das Unrecht versetzen zu lassen, bevor die Negierung zur Auslösung des Ab¬
geordnetenhauses schritte. In den Wahlen verhielte sich die Regierung äußer¬
lich neutral und suchte dieselben nur thunlichst auf ruhige Männer zu leiten,


Eine weitere Maßregel dieses Planes wäre, daß die Regierung grundsatz¬
mäßig ihre Minister nie aus den Landtagsmitgliedcrn, sondern aus dem
Beamtenthume nähme und es vermiede, als Minister solche Männer zu wäh¬
len, die sich in das Kammerwesen gewissermaßen hineingelebt hätten, oder ent¬
schiedene Parteimänner gewesen wären, oder zu dem Systeme der parlamen¬
tarischen Regierung sich hinneigten, und in Versuchung gerathen könnten, durch
den Einfluß des Landtages sich von der Krone in ihren Plätzen gewissermaßen
unabhängig zu machen. Unter dem Vorwande, daß ihre Abwesenheit von ihren
Verwaltungsdepartements diese zu sehr benachtheiligen, enthielten sie sich regel¬
mäßig, in den Sitzungen des Landtags zu erscheinen, indem sie sich allmälig
durch ihre Commission mehr und mehr vertreten liehen. Sie vermieden es
zugleich thunlichst, sich in Nedekämpfe mit den Landtagsnütglicdern einzulassen,
und beschränkten sich auf möglichst kurze factische Darlegungen und Er¬
läuterungen.

Den Landtagsnütglicdern wäre natürlich die volle Redefreiheit nicht ab¬
zuschneiden. Sobald sie sich aber aus der Kompetenz des Landtags fremden
Feldern, wie auswärtige Politik u. s, w. ergingen, machten die Vertreter der
Regierung sie kurz darauf aufmerksam und vermieden dann systematisch, ihnen
dahin zu folgen und Erläuterungen zu geben.

Die Mitglieder des Landtags würden persönlich vom Hofe gut behandelt,
aber es grundsatzmäßig vermieden, in welchem Sinne sie sich auch aussprächen,
ihnen Gunstbezeugungen zu gewähren, und ihre Thätigkeit im Landtage zu
einer Leiter für Aufnahme in den Staatsdienst oder für Beförderung in die¬
sem werden zu lassen. Von Zeit zu Zeit und bei passenden Gelegenheiten
wäre den Landtagsmitgliedern indirect zu verstehen zu geben, daß die Fort¬
dauer des iandtäglichen Systems schließlich doch von dem guten Willen der
Krone abhängig bliebe und, mit Rücksicht ans das so künstliche Machtgebäude
Preußens, die Vollgcwalt der Souveränetät in den Händen des Königs blei¬
ben müsse.

Grundsatz wäre es dabei offene Reibungen mit dem Landtage zu ver¬
meiden, dagegen der Regierung nicht genehme Anträge des Landtags still¬
schweigend, außer in Finanzangelegenheiten, unbeachtet zu lassen. Ebenso
grundsätzlich ließe die Negierung dem Landtage unangenehm gewordene Minister
deshalb niemals fallen.

Würde der Landtag factiös und suchte durch Verweigerung der unerlä߬
lichen Geldbewilligungen die Negierung unter seinen Willen zu beugen, so zeigte
die Negierung äußerlich eine große Geduld, um ihn, dem Volke gegenüber, sich
in das Unrecht versetzen zu lassen, bevor die Negierung zur Auslösung des Ab¬
geordnetenhauses schritte. In den Wahlen verhielte sich die Regierung äußer¬
lich neutral und suchte dieselben nur thunlichst auf ruhige Männer zu leiten,


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[0493] Eine weitere Maßregel dieses Planes wäre, daß die Regierung grundsatz¬ mäßig ihre Minister nie aus den Landtagsmitgliedcrn, sondern aus dem Beamtenthume nähme und es vermiede, als Minister solche Männer zu wäh¬ len, die sich in das Kammerwesen gewissermaßen hineingelebt hätten, oder ent¬ schiedene Parteimänner gewesen wären, oder zu dem Systeme der parlamen¬ tarischen Regierung sich hinneigten, und in Versuchung gerathen könnten, durch den Einfluß des Landtages sich von der Krone in ihren Plätzen gewissermaßen unabhängig zu machen. Unter dem Vorwande, daß ihre Abwesenheit von ihren Verwaltungsdepartements diese zu sehr benachtheiligen, enthielten sie sich regel¬ mäßig, in den Sitzungen des Landtags zu erscheinen, indem sie sich allmälig durch ihre Commission mehr und mehr vertreten liehen. Sie vermieden es zugleich thunlichst, sich in Nedekämpfe mit den Landtagsnütglicdern einzulassen, und beschränkten sich auf möglichst kurze factische Darlegungen und Er¬ läuterungen. Den Landtagsnütglicdern wäre natürlich die volle Redefreiheit nicht ab¬ zuschneiden. Sobald sie sich aber aus der Kompetenz des Landtags fremden Feldern, wie auswärtige Politik u. s, w. ergingen, machten die Vertreter der Regierung sie kurz darauf aufmerksam und vermieden dann systematisch, ihnen dahin zu folgen und Erläuterungen zu geben. Die Mitglieder des Landtags würden persönlich vom Hofe gut behandelt, aber es grundsatzmäßig vermieden, in welchem Sinne sie sich auch aussprächen, ihnen Gunstbezeugungen zu gewähren, und ihre Thätigkeit im Landtage zu einer Leiter für Aufnahme in den Staatsdienst oder für Beförderung in die¬ sem werden zu lassen. Von Zeit zu Zeit und bei passenden Gelegenheiten wäre den Landtagsmitgliedern indirect zu verstehen zu geben, daß die Fort¬ dauer des iandtäglichen Systems schließlich doch von dem guten Willen der Krone abhängig bliebe und, mit Rücksicht ans das so künstliche Machtgebäude Preußens, die Vollgcwalt der Souveränetät in den Händen des Königs blei¬ ben müsse. Grundsatz wäre es dabei offene Reibungen mit dem Landtage zu ver¬ meiden, dagegen der Regierung nicht genehme Anträge des Landtags still¬ schweigend, außer in Finanzangelegenheiten, unbeachtet zu lassen. Ebenso grundsätzlich ließe die Negierung dem Landtage unangenehm gewordene Minister deshalb niemals fallen. Würde der Landtag factiös und suchte durch Verweigerung der unerlä߬ lichen Geldbewilligungen die Negierung unter seinen Willen zu beugen, so zeigte die Negierung äußerlich eine große Geduld, um ihn, dem Volke gegenüber, sich in das Unrecht versetzen zu lassen, bevor die Negierung zur Auslösung des Ab¬ geordnetenhauses schritte. In den Wahlen verhielte sich die Regierung äußer¬ lich neutral und suchte dieselben nur thunlichst auf ruhige Männer zu leiten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/493>, abgerufen am 23.07.2024.