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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Ziel, die parlamentarische Negierung, erfahrungsmäßig schließlich immer der
gewinnende Theil bleiben.

In einem solchen Systeme würde es die erste Sorge der Regierung sein,
die Armee und das Beamtenthum thunlichst dem Einflüsse des Landtags zu
entziehen, und vielmehr eine Eifersucht zwischen den beiden ersteren einerseits
und dem letzteren andrerseits zu nähren.

In Betreff der Armee würde dies leicht zu bewerkstelligen sein, und es
nur nothwendig werden, die activen und sonst noch von der Regierung abhän¬
gigen Offiziere vom Eintritt in den Landtag abzuhalten, dem aber alle finan¬
zielle, der Armee unangenehme Maßregeln, bei dieser, in Rechnung gesetzt
würden.

Mit den Beamten wäre ein ähnliches System wie in Betreff der Armee
zu befolgen. Durch alle der Regierung zu Gebote stehenden Mittel wären die
Beamten abzuhalten, sich in den Landtag wählen zu lassen, und diejenigen, die
es dennoch thäten, müßten die Folgen in ihnen versagter Beförderung oder Ge¬
haltsvermehrung und in starken Gehaltsabzügen für ihre Stellvertreter während
der Dauer der Landtagssitzungen empfinden. Könnte die Regierung eine, in
den meisten deutschen Landtagen Anwendung findende Bestimmung, daß die
Beamten eines Urlaubs zum Eintritts in den Landtag bedürften, vielleicht
durch den Antrag eines anscheinend liberalen und unabhängigen Abgeordneten
erreichen, so wäre in dieser Beziehung nichts zu verabsäumen. Die Regierung
gestattete demnächst nur einigen wenigen administrativen Capacitäten, von deren
politischen und monarchischen Grundsätzen sie ganz versichert wäre, den Ein¬
tritt in den Landtag, um als Führer, durch ihre überlegenen Kenntnisse, einen
Einfluß in den wichtigern Commissionen des Landtages auszuüben.

Nachdem der Landtag auf diese Weise von der Armee und dem Beamten-
thume thunlichst isolirt wäre, handelte es sich zunächst darum, seine Autorität
in der Bevölkerung überhaupt angemessen zu schwächen. Für diesen Zweck
blieben die Petitionen, die er bei der Negierung bevorwortete, möglichst unbe¬
rücksichtigt. Die Bevölkerung würde so bald fühlen, daß für die Erreichung
ihrer Wünsche die Protection der respectiven Verwaltungsbeamten weit wirk¬
samer als diejenige der Landtagsmitglieder wäre, und sich demnächst vorzugs¬
weise an die ersteren wenden. Die Verwendungen von Landtagsmitgliedern
für ihre Wahlbezirke und einzelne Angehörige derselben würden ebenso grund¬
sätzlich unbeachtet zu lassen sein, um zu verhindern, daß die Abgeordneten sich
gewissermaßen Wahlkreise gründeten.

Demnächst würde in der Presse die Richtung begünstigt werden, welche die
praktischen Leistungen des Landtags und selbst das persönliche Ansehen der be¬
sonders nach Popularität strebenden einzelnen Abgeordneten auf das richtige
Maß herabstimmte.


Ziel, die parlamentarische Negierung, erfahrungsmäßig schließlich immer der
gewinnende Theil bleiben.

In einem solchen Systeme würde es die erste Sorge der Regierung sein,
die Armee und das Beamtenthum thunlichst dem Einflüsse des Landtags zu
entziehen, und vielmehr eine Eifersucht zwischen den beiden ersteren einerseits
und dem letzteren andrerseits zu nähren.

In Betreff der Armee würde dies leicht zu bewerkstelligen sein, und es
nur nothwendig werden, die activen und sonst noch von der Regierung abhän¬
gigen Offiziere vom Eintritt in den Landtag abzuhalten, dem aber alle finan¬
zielle, der Armee unangenehme Maßregeln, bei dieser, in Rechnung gesetzt
würden.

Mit den Beamten wäre ein ähnliches System wie in Betreff der Armee
zu befolgen. Durch alle der Regierung zu Gebote stehenden Mittel wären die
Beamten abzuhalten, sich in den Landtag wählen zu lassen, und diejenigen, die
es dennoch thäten, müßten die Folgen in ihnen versagter Beförderung oder Ge¬
haltsvermehrung und in starken Gehaltsabzügen für ihre Stellvertreter während
der Dauer der Landtagssitzungen empfinden. Könnte die Regierung eine, in
den meisten deutschen Landtagen Anwendung findende Bestimmung, daß die
Beamten eines Urlaubs zum Eintritts in den Landtag bedürften, vielleicht
durch den Antrag eines anscheinend liberalen und unabhängigen Abgeordneten
erreichen, so wäre in dieser Beziehung nichts zu verabsäumen. Die Regierung
gestattete demnächst nur einigen wenigen administrativen Capacitäten, von deren
politischen und monarchischen Grundsätzen sie ganz versichert wäre, den Ein¬
tritt in den Landtag, um als Führer, durch ihre überlegenen Kenntnisse, einen
Einfluß in den wichtigern Commissionen des Landtages auszuüben.

Nachdem der Landtag auf diese Weise von der Armee und dem Beamten-
thume thunlichst isolirt wäre, handelte es sich zunächst darum, seine Autorität
in der Bevölkerung überhaupt angemessen zu schwächen. Für diesen Zweck
blieben die Petitionen, die er bei der Negierung bevorwortete, möglichst unbe¬
rücksichtigt. Die Bevölkerung würde so bald fühlen, daß für die Erreichung
ihrer Wünsche die Protection der respectiven Verwaltungsbeamten weit wirk¬
samer als diejenige der Landtagsmitglieder wäre, und sich demnächst vorzugs¬
weise an die ersteren wenden. Die Verwendungen von Landtagsmitgliedern
für ihre Wahlbezirke und einzelne Angehörige derselben würden ebenso grund¬
sätzlich unbeachtet zu lassen sein, um zu verhindern, daß die Abgeordneten sich
gewissermaßen Wahlkreise gründeten.

Demnächst würde in der Presse die Richtung begünstigt werden, welche die
praktischen Leistungen des Landtags und selbst das persönliche Ansehen der be¬
sonders nach Popularität strebenden einzelnen Abgeordneten auf das richtige
Maß herabstimmte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/492>, abgerufen am 23.07.2024.