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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Schleswig verbannt, wenn keine Gelegenheit mehr sein sollte, sie zu lernen, so
hieß das vor dem Fortkommen der Strebsamen einen Schlagbaum aufrichten,
der ebensosehr als unbequeme Beeinträchtigung empfunden wurde. ,.wie die
sonstigen Absperrungen von dem Verkehr mit dem Süden, die Verbote, mit
Holsteinern landwirthschaftlichen Vereinen anzugehören, die Querbahnen statt
der Längsbahnen, die Zollgrenze bei Altona u. d. in. Das Sprichwort,
nach welchem Dänemark den Herzogthümern nichts zu schicken haben soll als
"sorte Polle, magre Hefte, taufte Praeste" ist eine Uebertreibung, der aber
insofern eine Wahrheit zu Grunde liegt, als Dänemark, von wesentlich gleicher
Lage und Natur wie Schleswig-Holstein und wie dieses vorzüglich auf Land¬
wirthschaft und Viehzucht, Schifffahrt und Fischerei angewiesen, den Herzog¬
thümern wenig zu verkaufen und ebenso wenig abzukaufen hat, während der
tiefere Süden, zunächst Hamburg, als Welthandelsplatz, zu letzteren wie zu
einem großen Theil Dänemarks und des ganzen skandinavischen Nordens die
Stellung des mercantilen Centrums einnimmt. "Mit Dänisch", so hörte man
die Nordschleswiger in den letzten Jahren mitunter sagen, "kommen wir nur bis
Kopenhagen, wo wir nichts zu suchen haben, mit Deutsch dagegen durch die
ganze Welt."

Die deutsche Sprache galt, seit sie am dänischen Hose nicht mehr die herr¬
schende war, und seit die bessere Gesellschaft in Nordschleswig sich ihrer nicht
mehr bediente, allerdings nicht mehr für so vornehm als früher; von ihrer
Nützlichkeit aber hatte sie durch den Umschwung des Jahres 1850 nichts ein¬
gebüßt, und die Südjüten von Hoher und Tendern, von Apenrade und Ha¬
dersleben waren sich dessen auch theilweise bewußt; zu energischen Forderungen in
dieser Beziehung zusammenzutreten, waren sie jedoch nicht sähig, die moralische
Wirkung der dänischen Schreckensherrschaft schien, obwohl sie nicht am schwer¬
sten davon betroffen worden waren, ihr natürliches Phlegma in völlige Le¬
thargie verwandelt zu haben.

Am meisten dänische Gesinnung entwickelte bis auf die neueste Zeit die
Insel Alsen, wo die Propaganda in der Unbeliebtheit des Herzogs von Augusten¬
burg einen guten Boden gefunden hatte, um ihre Saaten zu säen. Aehnlich
stand es in dem benachbarten Sundewitt, wo der Pastor Mörl Hansen, von
seinem Amtsbruder in Broacker, Schleppegrcll. unterstützt, fleißig agitirte, und
im Westen Nordschleswigs, zwischen Hoher und Ripen, wo die jütischen
Enclaven liegen.

Von den Städten war Tondern selbst in der schlimmsten Zeit immer
gut Schleswig-holsteinisch gesinnt, und die dortigen Dänen erzielten mit allen
ihren Gewaltmaßregeln darin keine Aenderung. Auch in Hadersleben und in
Apenrade hielten sich kleine stille Gemeinden deutscher Patrioten, die gelegent¬
lich von sich hören ließen. Sonderburg dagegen, welches schon vor der Er-


Schleswig verbannt, wenn keine Gelegenheit mehr sein sollte, sie zu lernen, so
hieß das vor dem Fortkommen der Strebsamen einen Schlagbaum aufrichten,
der ebensosehr als unbequeme Beeinträchtigung empfunden wurde. ,.wie die
sonstigen Absperrungen von dem Verkehr mit dem Süden, die Verbote, mit
Holsteinern landwirthschaftlichen Vereinen anzugehören, die Querbahnen statt
der Längsbahnen, die Zollgrenze bei Altona u. d. in. Das Sprichwort,
nach welchem Dänemark den Herzogthümern nichts zu schicken haben soll als
„sorte Polle, magre Hefte, taufte Praeste" ist eine Uebertreibung, der aber
insofern eine Wahrheit zu Grunde liegt, als Dänemark, von wesentlich gleicher
Lage und Natur wie Schleswig-Holstein und wie dieses vorzüglich auf Land¬
wirthschaft und Viehzucht, Schifffahrt und Fischerei angewiesen, den Herzog¬
thümern wenig zu verkaufen und ebenso wenig abzukaufen hat, während der
tiefere Süden, zunächst Hamburg, als Welthandelsplatz, zu letzteren wie zu
einem großen Theil Dänemarks und des ganzen skandinavischen Nordens die
Stellung des mercantilen Centrums einnimmt. „Mit Dänisch", so hörte man
die Nordschleswiger in den letzten Jahren mitunter sagen, „kommen wir nur bis
Kopenhagen, wo wir nichts zu suchen haben, mit Deutsch dagegen durch die
ganze Welt."

Die deutsche Sprache galt, seit sie am dänischen Hose nicht mehr die herr¬
schende war, und seit die bessere Gesellschaft in Nordschleswig sich ihrer nicht
mehr bediente, allerdings nicht mehr für so vornehm als früher; von ihrer
Nützlichkeit aber hatte sie durch den Umschwung des Jahres 1850 nichts ein¬
gebüßt, und die Südjüten von Hoher und Tendern, von Apenrade und Ha¬
dersleben waren sich dessen auch theilweise bewußt; zu energischen Forderungen in
dieser Beziehung zusammenzutreten, waren sie jedoch nicht sähig, die moralische
Wirkung der dänischen Schreckensherrschaft schien, obwohl sie nicht am schwer¬
sten davon betroffen worden waren, ihr natürliches Phlegma in völlige Le¬
thargie verwandelt zu haben.

Am meisten dänische Gesinnung entwickelte bis auf die neueste Zeit die
Insel Alsen, wo die Propaganda in der Unbeliebtheit des Herzogs von Augusten¬
burg einen guten Boden gefunden hatte, um ihre Saaten zu säen. Aehnlich
stand es in dem benachbarten Sundewitt, wo der Pastor Mörl Hansen, von
seinem Amtsbruder in Broacker, Schleppegrcll. unterstützt, fleißig agitirte, und
im Westen Nordschleswigs, zwischen Hoher und Ripen, wo die jütischen
Enclaven liegen.

Von den Städten war Tondern selbst in der schlimmsten Zeit immer
gut Schleswig-holsteinisch gesinnt, und die dortigen Dänen erzielten mit allen
ihren Gewaltmaßregeln darin keine Aenderung. Auch in Hadersleben und in
Apenrade hielten sich kleine stille Gemeinden deutscher Patrioten, die gelegent¬
lich von sich hören ließen. Sonderburg dagegen, welches schon vor der Er-


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[0475] Schleswig verbannt, wenn keine Gelegenheit mehr sein sollte, sie zu lernen, so hieß das vor dem Fortkommen der Strebsamen einen Schlagbaum aufrichten, der ebensosehr als unbequeme Beeinträchtigung empfunden wurde. ,.wie die sonstigen Absperrungen von dem Verkehr mit dem Süden, die Verbote, mit Holsteinern landwirthschaftlichen Vereinen anzugehören, die Querbahnen statt der Längsbahnen, die Zollgrenze bei Altona u. d. in. Das Sprichwort, nach welchem Dänemark den Herzogthümern nichts zu schicken haben soll als „sorte Polle, magre Hefte, taufte Praeste" ist eine Uebertreibung, der aber insofern eine Wahrheit zu Grunde liegt, als Dänemark, von wesentlich gleicher Lage und Natur wie Schleswig-Holstein und wie dieses vorzüglich auf Land¬ wirthschaft und Viehzucht, Schifffahrt und Fischerei angewiesen, den Herzog¬ thümern wenig zu verkaufen und ebenso wenig abzukaufen hat, während der tiefere Süden, zunächst Hamburg, als Welthandelsplatz, zu letzteren wie zu einem großen Theil Dänemarks und des ganzen skandinavischen Nordens die Stellung des mercantilen Centrums einnimmt. „Mit Dänisch", so hörte man die Nordschleswiger in den letzten Jahren mitunter sagen, „kommen wir nur bis Kopenhagen, wo wir nichts zu suchen haben, mit Deutsch dagegen durch die ganze Welt." Die deutsche Sprache galt, seit sie am dänischen Hose nicht mehr die herr¬ schende war, und seit die bessere Gesellschaft in Nordschleswig sich ihrer nicht mehr bediente, allerdings nicht mehr für so vornehm als früher; von ihrer Nützlichkeit aber hatte sie durch den Umschwung des Jahres 1850 nichts ein¬ gebüßt, und die Südjüten von Hoher und Tendern, von Apenrade und Ha¬ dersleben waren sich dessen auch theilweise bewußt; zu energischen Forderungen in dieser Beziehung zusammenzutreten, waren sie jedoch nicht sähig, die moralische Wirkung der dänischen Schreckensherrschaft schien, obwohl sie nicht am schwer¬ sten davon betroffen worden waren, ihr natürliches Phlegma in völlige Le¬ thargie verwandelt zu haben. Am meisten dänische Gesinnung entwickelte bis auf die neueste Zeit die Insel Alsen, wo die Propaganda in der Unbeliebtheit des Herzogs von Augusten¬ burg einen guten Boden gefunden hatte, um ihre Saaten zu säen. Aehnlich stand es in dem benachbarten Sundewitt, wo der Pastor Mörl Hansen, von seinem Amtsbruder in Broacker, Schleppegrcll. unterstützt, fleißig agitirte, und im Westen Nordschleswigs, zwischen Hoher und Ripen, wo die jütischen Enclaven liegen. Von den Städten war Tondern selbst in der schlimmsten Zeit immer gut Schleswig-holsteinisch gesinnt, und die dortigen Dänen erzielten mit allen ihren Gewaltmaßregeln darin keine Aenderung. Auch in Hadersleben und in Apenrade hielten sich kleine stille Gemeinden deutscher Patrioten, die gelegent¬ lich von sich hören ließen. Sonderburg dagegen, welches schon vor der Er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/475>, abgerufen am 23.07.2024.