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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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als sie berechtigt waren, und so wurde er kopfscheu, mißtrauisch in Betreff des
Glücks, sie erhalten zu haben, zweifelhaft, ob die deutschen Beamten es nicht
eigentlich doch besser mit ihm gemeint und gründlichere Kenner von Gesetz und
Landesart gewesen, und zuletzt entwickelte sich aus solchen Bedenken, bei nicht
Allen zwar, aber erweislich bei Manchen, eine unbehagliche, fast aufsässige
Stimmung, in welcher die Gegenwart mit der Vergangenheit verglichen nicht
als ein Fortschritt, die heiße Liebe des alten dänischen Volks zu den nvrd-
scbleswigschen Brüdern, von welcher auf der Skamlingsbank so prächtige
Schilderungen vorgetragen worden waren, nicht als die rechte erschien.

Nicht blos die deutschen Schleswiger im Süden, auch einige von den
dänischen in den nördlichen Aemtern empfanden die Willkür der neuen Beamten,
deren Geringschätzung von Recht und Herkommen, deren geringes Verständniß
für das eigentliche Bedürfniß des Landes. Auch die letzteren lernten teil¬
weise jetzt durch Erfahrung am eigenen Interesse, soweit sie etwas zu verlieren
hatten, daß Dänemark und daß jeder einzelne Däne Schleswig als seine Do¬
mäne betrachtete. Auch hier klagte man sich gegenseitig, daß die Herren
Amtmänner, Hardesvögte und Actriarc. Bürgermeister und Stadtsekretäre
ihren Posten nur vom Standpunkte des Eigennutzes aus ansahen und mög¬
lich viel, ein möglichst stattliches "Levebröd" dabei herauszuschlagen trach¬
teten. Auch hier wollte man eine mehr und mehr überhandnehmende Rechts¬
unsicherheit und ein schamloses Sportuliren der Herren von der Obrigkeit be¬
merken. Wer in den letzten zehn Jahren in Nordschleswig reiste, konnte
den Spuren hiervon begegnen, ohne daß er in die Schlüssellöcher zu blicken
nöthig hatte. Was auch die von der fortarbeitenden Propaganda durch
allerlei Manöver und hauptsächlich durch den "kleinen Mann" in die Stände¬
versammlung gebrachten Abgeordneten dieser Striche sagen mochten, im Stil¬
len verdroß den Bauer die neue Wirthschaft vielfach, und nur sein ängst¬
liches verschüchtertes Wesen, seine Bequemheit und seine Scheu vor der Ge¬
walt der Beamten hielt ihn ab, seinen Groll offen kund werden zu lassen.
Höchstens die Besitzlosen und ein paar Hundert Fanatisirte unter den Wohl-
habendern, die freilich sehr laut und rührig waren, wünschten mehr von dieser
dänischen Freiheit.

Und dazu trat endlich noch für Manche ein sehr starker Beweggrund, mi߬
vergnügt zu sein. Die Nordschleswiger hängen in Handel und Wandel nicht
viel weniger als die Südschleswiger und Holsteiner vom Süden ab. Hamburg,
nicht Kopenhagen ist ihr Hauptmarkt, Kiel mit seinem Umschlag ihre nächste
Börse. Wer außergewöhnliche Erwerbsquellen sucht, geht auch von hier, wenn
er nicht die Gelehrtenlaufbahn beschreitet, in der Regel lieber nach den deut¬
schen Strichen als nach Jütland oder nach den Jnselstiftcrn. Dazu aber bedarf
man der deutschen Sprache, und wenn diese von dem neuen System aus Nord-


als sie berechtigt waren, und so wurde er kopfscheu, mißtrauisch in Betreff des
Glücks, sie erhalten zu haben, zweifelhaft, ob die deutschen Beamten es nicht
eigentlich doch besser mit ihm gemeint und gründlichere Kenner von Gesetz und
Landesart gewesen, und zuletzt entwickelte sich aus solchen Bedenken, bei nicht
Allen zwar, aber erweislich bei Manchen, eine unbehagliche, fast aufsässige
Stimmung, in welcher die Gegenwart mit der Vergangenheit verglichen nicht
als ein Fortschritt, die heiße Liebe des alten dänischen Volks zu den nvrd-
scbleswigschen Brüdern, von welcher auf der Skamlingsbank so prächtige
Schilderungen vorgetragen worden waren, nicht als die rechte erschien.

Nicht blos die deutschen Schleswiger im Süden, auch einige von den
dänischen in den nördlichen Aemtern empfanden die Willkür der neuen Beamten,
deren Geringschätzung von Recht und Herkommen, deren geringes Verständniß
für das eigentliche Bedürfniß des Landes. Auch die letzteren lernten teil¬
weise jetzt durch Erfahrung am eigenen Interesse, soweit sie etwas zu verlieren
hatten, daß Dänemark und daß jeder einzelne Däne Schleswig als seine Do¬
mäne betrachtete. Auch hier klagte man sich gegenseitig, daß die Herren
Amtmänner, Hardesvögte und Actriarc. Bürgermeister und Stadtsekretäre
ihren Posten nur vom Standpunkte des Eigennutzes aus ansahen und mög¬
lich viel, ein möglichst stattliches „Levebröd" dabei herauszuschlagen trach¬
teten. Auch hier wollte man eine mehr und mehr überhandnehmende Rechts¬
unsicherheit und ein schamloses Sportuliren der Herren von der Obrigkeit be¬
merken. Wer in den letzten zehn Jahren in Nordschleswig reiste, konnte
den Spuren hiervon begegnen, ohne daß er in die Schlüssellöcher zu blicken
nöthig hatte. Was auch die von der fortarbeitenden Propaganda durch
allerlei Manöver und hauptsächlich durch den „kleinen Mann" in die Stände¬
versammlung gebrachten Abgeordneten dieser Striche sagen mochten, im Stil¬
len verdroß den Bauer die neue Wirthschaft vielfach, und nur sein ängst¬
liches verschüchtertes Wesen, seine Bequemheit und seine Scheu vor der Ge¬
walt der Beamten hielt ihn ab, seinen Groll offen kund werden zu lassen.
Höchstens die Besitzlosen und ein paar Hundert Fanatisirte unter den Wohl-
habendern, die freilich sehr laut und rührig waren, wünschten mehr von dieser
dänischen Freiheit.

Und dazu trat endlich noch für Manche ein sehr starker Beweggrund, mi߬
vergnügt zu sein. Die Nordschleswiger hängen in Handel und Wandel nicht
viel weniger als die Südschleswiger und Holsteiner vom Süden ab. Hamburg,
nicht Kopenhagen ist ihr Hauptmarkt, Kiel mit seinem Umschlag ihre nächste
Börse. Wer außergewöhnliche Erwerbsquellen sucht, geht auch von hier, wenn
er nicht die Gelehrtenlaufbahn beschreitet, in der Regel lieber nach den deut¬
schen Strichen als nach Jütland oder nach den Jnselstiftcrn. Dazu aber bedarf
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/474>, abgerufen am 23.07.2024.