Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Hebung starke dänische Sympathien kundgegeben, hatte nach derselben so gut
wie gar keine deutsche Partei und galt in Kopenhagen für besonders gesin¬
nungstüchtig, weshalb man es auch Von da mit mancherlei Wohlthaten, einer
Brücke über den Alsensund, Beiträgen zu öffentlichen Bauten u. d. in. be¬
dachte. Christiansfeld kommt als Herrnhutercolvnie bei politischen Fragen nicht
in Betracht. Dagegen müssen wir die Phasen, welche Fiensburg, die größte
Stadt des Herzogthums, durchgemacht hat, ausführlich besprechen.

Fiensburg war vor vierzig Jahren einer der bedeutendsten Handels¬
plätze des Nordens mit weitverzweigten Verbindungen und einer sehr respec-
tabeln Rhederei. Es gab damals hier Rheder, die ein halbes Dutzend und
mehr von den größten Kauffahrern im überseeischen Handel beschäftigten, und
die flensburger Schiffswerften waren die größten an der Ostsee. In Betreff
des Handels fand namentlich ein äußerst lebhafter und für die Stadt gewinn-
reicher Verkehr mit Norwegen und Westindien statt. Das Zerwürfniß Däne¬
marks mit England im ersten Decennium dieses Jahrhunderts brachte die wei¬
tere Entwickelung dieses Handels ins Stocken. Die Lvstreunung Norwegens
von der dänischen Krone schadete wesentlich. Der Unternehmungsgeist der
Kaufleute begann sich jetzt in der Hauptsache auf die baltischen Länder zu be¬
schränken. Der Schiffsbau zog sich mehr und mehr nach dem benachbarten
Apenrade hin, dessen Einwohner früher die alten cassirten Fahrzeuge der Flens¬
burger zu kaufen pflegten, während jetzt das Umgekehrte geschah. Im Jahre
1806 besaß die Stadt 270 Schiffe, 1844 nur noch 124.

Als die Frage: ob Schleswig-holsteinisch oder dänisch? die Gemüther in
Bewegung zu setzen begann, war Flensburg eine in unserm Sinne vorwiegend
patriotische Stadt, und wenigstens die wohlhabende und gebildete Classe hatte
mit sehr wenigen Ausnahmen keine dänischen Sympathien. Ein Theil der
Kaufleute allerdings gehörte der oben gezeichneten Partei der "specifischen
Schleswiger" an. Sie trieben vorzüglich Handel Mit Jütland und den däni¬
schen Inseln, wohin sie theils die direct aus Westindien bezogenen Waaren
versandten, theils solche aus den Herzogthümern und dem nördlichen Deutsch¬
land in Concurrenz mit andern Städten vermittelten, und unterlagen dem Irr¬
thum, daß durch den Anschluß Schleswigs an den deutschen Bund jene Ver¬
bindungen gefährdet werden müßten. Aber auch diese Partei, die von dem
Agenten Imsen geführt und in der Ständeversammlung vertreten wurde, wollte
keine Einverleibung in Dänemark.

Dieses Verhältniß änderte sich mit der Gründung der dänischen Filialbank
in Fiensburg. Die "Flensburger Zeitung", dem Juten Kastrup gehörig und
bis 1839 ein Organ der Schleswig-holsteinischen Partei, hatte sich später der
dänischen zugewendet und nun jenes Institut den Kaufleuten lebhaft empfohlen.
Letztere sowie ein Theil der Gewerbtreibenden ließen sich verblenden und alß-


Hebung starke dänische Sympathien kundgegeben, hatte nach derselben so gut
wie gar keine deutsche Partei und galt in Kopenhagen für besonders gesin¬
nungstüchtig, weshalb man es auch Von da mit mancherlei Wohlthaten, einer
Brücke über den Alsensund, Beiträgen zu öffentlichen Bauten u. d. in. be¬
dachte. Christiansfeld kommt als Herrnhutercolvnie bei politischen Fragen nicht
in Betracht. Dagegen müssen wir die Phasen, welche Fiensburg, die größte
Stadt des Herzogthums, durchgemacht hat, ausführlich besprechen.

Fiensburg war vor vierzig Jahren einer der bedeutendsten Handels¬
plätze des Nordens mit weitverzweigten Verbindungen und einer sehr respec-
tabeln Rhederei. Es gab damals hier Rheder, die ein halbes Dutzend und
mehr von den größten Kauffahrern im überseeischen Handel beschäftigten, und
die flensburger Schiffswerften waren die größten an der Ostsee. In Betreff
des Handels fand namentlich ein äußerst lebhafter und für die Stadt gewinn-
reicher Verkehr mit Norwegen und Westindien statt. Das Zerwürfniß Däne¬
marks mit England im ersten Decennium dieses Jahrhunderts brachte die wei¬
tere Entwickelung dieses Handels ins Stocken. Die Lvstreunung Norwegens
von der dänischen Krone schadete wesentlich. Der Unternehmungsgeist der
Kaufleute begann sich jetzt in der Hauptsache auf die baltischen Länder zu be¬
schränken. Der Schiffsbau zog sich mehr und mehr nach dem benachbarten
Apenrade hin, dessen Einwohner früher die alten cassirten Fahrzeuge der Flens¬
burger zu kaufen pflegten, während jetzt das Umgekehrte geschah. Im Jahre
1806 besaß die Stadt 270 Schiffe, 1844 nur noch 124.

Als die Frage: ob Schleswig-holsteinisch oder dänisch? die Gemüther in
Bewegung zu setzen begann, war Flensburg eine in unserm Sinne vorwiegend
patriotische Stadt, und wenigstens die wohlhabende und gebildete Classe hatte
mit sehr wenigen Ausnahmen keine dänischen Sympathien. Ein Theil der
Kaufleute allerdings gehörte der oben gezeichneten Partei der „specifischen
Schleswiger" an. Sie trieben vorzüglich Handel Mit Jütland und den däni¬
schen Inseln, wohin sie theils die direct aus Westindien bezogenen Waaren
versandten, theils solche aus den Herzogthümern und dem nördlichen Deutsch¬
land in Concurrenz mit andern Städten vermittelten, und unterlagen dem Irr¬
thum, daß durch den Anschluß Schleswigs an den deutschen Bund jene Ver¬
bindungen gefährdet werden müßten. Aber auch diese Partei, die von dem
Agenten Imsen geführt und in der Ständeversammlung vertreten wurde, wollte
keine Einverleibung in Dänemark.

Dieses Verhältniß änderte sich mit der Gründung der dänischen Filialbank
in Fiensburg. Die „Flensburger Zeitung", dem Juten Kastrup gehörig und
bis 1839 ein Organ der Schleswig-holsteinischen Partei, hatte sich später der
dänischen zugewendet und nun jenes Institut den Kaufleuten lebhaft empfohlen.
Letztere sowie ein Theil der Gewerbtreibenden ließen sich verblenden und alß-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/189037"/>
          <p xml:id="ID_1606" prev="#ID_1605"> Hebung starke dänische Sympathien kundgegeben, hatte nach derselben so gut<lb/>
wie gar keine deutsche Partei und galt in Kopenhagen für besonders gesin¬<lb/>
nungstüchtig, weshalb man es auch Von da mit mancherlei Wohlthaten, einer<lb/>
Brücke über den Alsensund, Beiträgen zu öffentlichen Bauten u. d. in. be¬<lb/>
dachte. Christiansfeld kommt als Herrnhutercolvnie bei politischen Fragen nicht<lb/>
in Betracht. Dagegen müssen wir die Phasen, welche Fiensburg, die größte<lb/>
Stadt des Herzogthums, durchgemacht hat, ausführlich besprechen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1607"> Fiensburg war vor vierzig Jahren einer der bedeutendsten Handels¬<lb/>
plätze des Nordens mit weitverzweigten Verbindungen und einer sehr respec-<lb/>
tabeln Rhederei. Es gab damals hier Rheder, die ein halbes Dutzend und<lb/>
mehr von den größten Kauffahrern im überseeischen Handel beschäftigten, und<lb/>
die flensburger Schiffswerften waren die größten an der Ostsee. In Betreff<lb/>
des Handels fand namentlich ein äußerst lebhafter und für die Stadt gewinn-<lb/>
reicher Verkehr mit Norwegen und Westindien statt. Das Zerwürfniß Däne¬<lb/>
marks mit England im ersten Decennium dieses Jahrhunderts brachte die wei¬<lb/>
tere Entwickelung dieses Handels ins Stocken. Die Lvstreunung Norwegens<lb/>
von der dänischen Krone schadete wesentlich. Der Unternehmungsgeist der<lb/>
Kaufleute begann sich jetzt in der Hauptsache auf die baltischen Länder zu be¬<lb/>
schränken. Der Schiffsbau zog sich mehr und mehr nach dem benachbarten<lb/>
Apenrade hin, dessen Einwohner früher die alten cassirten Fahrzeuge der Flens¬<lb/>
burger zu kaufen pflegten, während jetzt das Umgekehrte geschah. Im Jahre<lb/>
1806 besaß die Stadt 270 Schiffe, 1844 nur noch 124.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1608"> Als die Frage: ob Schleswig-holsteinisch oder dänisch? die Gemüther in<lb/>
Bewegung zu setzen begann, war Flensburg eine in unserm Sinne vorwiegend<lb/>
patriotische Stadt, und wenigstens die wohlhabende und gebildete Classe hatte<lb/>
mit sehr wenigen Ausnahmen keine dänischen Sympathien. Ein Theil der<lb/>
Kaufleute allerdings gehörte der oben gezeichneten Partei der &#x201E;specifischen<lb/>
Schleswiger" an. Sie trieben vorzüglich Handel Mit Jütland und den däni¬<lb/>
schen Inseln, wohin sie theils die direct aus Westindien bezogenen Waaren<lb/>
versandten, theils solche aus den Herzogthümern und dem nördlichen Deutsch¬<lb/>
land in Concurrenz mit andern Städten vermittelten, und unterlagen dem Irr¬<lb/>
thum, daß durch den Anschluß Schleswigs an den deutschen Bund jene Ver¬<lb/>
bindungen gefährdet werden müßten. Aber auch diese Partei, die von dem<lb/>
Agenten Imsen geführt und in der Ständeversammlung vertreten wurde, wollte<lb/>
keine Einverleibung in Dänemark.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1609" next="#ID_1610"> Dieses Verhältniß änderte sich mit der Gründung der dänischen Filialbank<lb/>
in Fiensburg. Die &#x201E;Flensburger Zeitung", dem Juten Kastrup gehörig und<lb/>
bis 1839 ein Organ der Schleswig-holsteinischen Partei, hatte sich später der<lb/>
dänischen zugewendet und nun jenes Institut den Kaufleuten lebhaft empfohlen.<lb/>
Letztere sowie ein Theil der Gewerbtreibenden ließen sich verblenden und alß-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0476] Hebung starke dänische Sympathien kundgegeben, hatte nach derselben so gut wie gar keine deutsche Partei und galt in Kopenhagen für besonders gesin¬ nungstüchtig, weshalb man es auch Von da mit mancherlei Wohlthaten, einer Brücke über den Alsensund, Beiträgen zu öffentlichen Bauten u. d. in. be¬ dachte. Christiansfeld kommt als Herrnhutercolvnie bei politischen Fragen nicht in Betracht. Dagegen müssen wir die Phasen, welche Fiensburg, die größte Stadt des Herzogthums, durchgemacht hat, ausführlich besprechen. Fiensburg war vor vierzig Jahren einer der bedeutendsten Handels¬ plätze des Nordens mit weitverzweigten Verbindungen und einer sehr respec- tabeln Rhederei. Es gab damals hier Rheder, die ein halbes Dutzend und mehr von den größten Kauffahrern im überseeischen Handel beschäftigten, und die flensburger Schiffswerften waren die größten an der Ostsee. In Betreff des Handels fand namentlich ein äußerst lebhafter und für die Stadt gewinn- reicher Verkehr mit Norwegen und Westindien statt. Das Zerwürfniß Däne¬ marks mit England im ersten Decennium dieses Jahrhunderts brachte die wei¬ tere Entwickelung dieses Handels ins Stocken. Die Lvstreunung Norwegens von der dänischen Krone schadete wesentlich. Der Unternehmungsgeist der Kaufleute begann sich jetzt in der Hauptsache auf die baltischen Länder zu be¬ schränken. Der Schiffsbau zog sich mehr und mehr nach dem benachbarten Apenrade hin, dessen Einwohner früher die alten cassirten Fahrzeuge der Flens¬ burger zu kaufen pflegten, während jetzt das Umgekehrte geschah. Im Jahre 1806 besaß die Stadt 270 Schiffe, 1844 nur noch 124. Als die Frage: ob Schleswig-holsteinisch oder dänisch? die Gemüther in Bewegung zu setzen begann, war Flensburg eine in unserm Sinne vorwiegend patriotische Stadt, und wenigstens die wohlhabende und gebildete Classe hatte mit sehr wenigen Ausnahmen keine dänischen Sympathien. Ein Theil der Kaufleute allerdings gehörte der oben gezeichneten Partei der „specifischen Schleswiger" an. Sie trieben vorzüglich Handel Mit Jütland und den däni¬ schen Inseln, wohin sie theils die direct aus Westindien bezogenen Waaren versandten, theils solche aus den Herzogthümern und dem nördlichen Deutsch¬ land in Concurrenz mit andern Städten vermittelten, und unterlagen dem Irr¬ thum, daß durch den Anschluß Schleswigs an den deutschen Bund jene Ver¬ bindungen gefährdet werden müßten. Aber auch diese Partei, die von dem Agenten Imsen geführt und in der Ständeversammlung vertreten wurde, wollte keine Einverleibung in Dänemark. Dieses Verhältniß änderte sich mit der Gründung der dänischen Filialbank in Fiensburg. Die „Flensburger Zeitung", dem Juten Kastrup gehörig und bis 1839 ein Organ der Schleswig-holsteinischen Partei, hatte sich später der dänischen zugewendet und nun jenes Institut den Kaufleuten lebhaft empfohlen. Letztere sowie ein Theil der Gewerbtreibenden ließen sich verblenden und alß-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/476
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/476>, abgerufen am 23.07.2024.