Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes zu bekunden, und auch dies ist be¬ Dem Selbstzeugniß Jesu geht die Bezeugung durch den Täufer, die An¬ Keine Differenz ist für den ganzen Gang der Geschichtserzählung von so die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes zu bekunden, und auch dies ist be¬ Dem Selbstzeugniß Jesu geht die Bezeugung durch den Täufer, die An¬ Keine Differenz ist für den ganzen Gang der Geschichtserzählung von so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/188951"/> <p xml:id="ID_1320" prev="#ID_1319"> die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes zu bekunden, und auch dies ist be¬<lb/> zeichnend, daß jedes Wunder bei ihm eine eigenthümliche Bedeutung hat, keines<lb/> sich wiederholt, um so mehr aber jede Gattung von Wundern ihren specifischen,<lb/> markirten Vertreter hat. Ebenso sind die Rede» Jesu nur ein fortwährendes<lb/> Selbstzeugniß seiner überweltlichen Würde und Herrlichkeit. Es giebt keinen<lb/> größeren Gegensatz als die Reden Jesu bei den Synoptikern und diejenigen bei<lb/> Johannes. Dort ist Jesus ein Volkslehrer im edelsten Sinne des Worts, seine<lb/> Anreden sind immer natürlich motivirt, an natürliche Veranlassungen angeknüpft.<lb/> Umgekehrt fehlt ihnen bei Johannes aller geschichtliche Voden, alle Natürlich¬<lb/> keit der Verhältnisse, alle Zweckmäßigkeit des Vortrags. Immer nur auf seine<lb/> Selbstverherrlichung zielend, werden sie von den ungläubigen Juden fortwährend<lb/> nickt verstanden oder mißverstanden, und die räthselhaften Andeutungen, die<lb/> gehäuften Spitzfindigkeiten haben auch gar keinen andern Zweck, als von dem<lb/> Unglauben mißverstanden zu werden, der damit seine ganze Unfähigkeit und<lb/> Nichtigkeit manifestirt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1321"> Dem Selbstzeugniß Jesu geht die Bezeugung durch den Täufer, die An¬<lb/> kündigungfür die Menschen, daß er das Licht, der eingeborne Sohn ist, voraus.<lb/> In diesem Zeugniß geht aber auch die ganze Bedeutung des Täufers auf. Los¬<lb/> gerissen von dem geschichtlichen Zusammenhang, der in den anderen Evangelien<lb/> zwar auch schon verschleiert, aber doch noch kenntlich ist, ohne eigene Indivi¬<lb/> dualität, seines Inhalts gleichsam entleert, hat er in diesem Evangelium keine<lb/> andere Stellung gefunden als daß er vom Lichte zeugt. Haben wir hier ein<lb/> Beispiel, wie der Verfasser ein aus der älteren Tradition hcrübergenommencs<lb/> Stück von seinem neuen Gesichtspunkt aus verwendet, wie er die Figuren ganz<lb/> nach seinem Bedürfniß stellt, so läßt er dann weiterhin alles dasjenige einfach<lb/> weg, was ihm nicht paßt, insbesondere, was die höhere Würde Jesu beein¬<lb/> trächtigen könnte. So fehlt die Versuchung, weil der Sohn Gottes keiner Ver¬<lb/> suchung unterworfen sein kann, der Seelenkampf in Gethsemane, weil mensch¬<lb/> liche Kämpfe und Schwächen ihm fremd sind, die Verklärung, weil derjenige,<lb/> dessen Leben eine fortgehende Verklärung ist, nicht eines einzelnen äußerlichen<lb/> Vorgangs zu diesem Zweck bedarf, die Bergrcde, weil derjenige, der zur Be¬<lb/> kämpfung des im ungläubigen Judenthum personificirten Princips der Finster¬<lb/> niß gekommen ist, nicht an das mosaische Gesetz anknüpfen kann, die Einseg¬<lb/> nung des Abendmahls, weil die äußerliche Handlung unwesentlich ist bei der<lb/> Vorstellung, daß Jesus selbst nichts Anderes ist als das göttliche Lebensbrod,<lb/> das der Welt das Leben giebt und das im Glauben genossen wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1322" next="#ID_1323"> Keine Differenz ist für den ganzen Gang der Geschichtserzählung von so<lb/> eingreifender Bedeutung, als diejenige in Betreff des Schauplatzes der öffent¬<lb/> lichen Wirksamkeit Jesu. Die drei ersten Evangelien lassen Jesus erst am<lb/> Ende seines Lebens nach Jerusalem kommen, bei Johannes tritt er von An-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
die Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes zu bekunden, und auch dies ist be¬
zeichnend, daß jedes Wunder bei ihm eine eigenthümliche Bedeutung hat, keines
sich wiederholt, um so mehr aber jede Gattung von Wundern ihren specifischen,
markirten Vertreter hat. Ebenso sind die Rede» Jesu nur ein fortwährendes
Selbstzeugniß seiner überweltlichen Würde und Herrlichkeit. Es giebt keinen
größeren Gegensatz als die Reden Jesu bei den Synoptikern und diejenigen bei
Johannes. Dort ist Jesus ein Volkslehrer im edelsten Sinne des Worts, seine
Anreden sind immer natürlich motivirt, an natürliche Veranlassungen angeknüpft.
Umgekehrt fehlt ihnen bei Johannes aller geschichtliche Voden, alle Natürlich¬
keit der Verhältnisse, alle Zweckmäßigkeit des Vortrags. Immer nur auf seine
Selbstverherrlichung zielend, werden sie von den ungläubigen Juden fortwährend
nickt verstanden oder mißverstanden, und die räthselhaften Andeutungen, die
gehäuften Spitzfindigkeiten haben auch gar keinen andern Zweck, als von dem
Unglauben mißverstanden zu werden, der damit seine ganze Unfähigkeit und
Nichtigkeit manifestirt.
Dem Selbstzeugniß Jesu geht die Bezeugung durch den Täufer, die An¬
kündigungfür die Menschen, daß er das Licht, der eingeborne Sohn ist, voraus.
In diesem Zeugniß geht aber auch die ganze Bedeutung des Täufers auf. Los¬
gerissen von dem geschichtlichen Zusammenhang, der in den anderen Evangelien
zwar auch schon verschleiert, aber doch noch kenntlich ist, ohne eigene Indivi¬
dualität, seines Inhalts gleichsam entleert, hat er in diesem Evangelium keine
andere Stellung gefunden als daß er vom Lichte zeugt. Haben wir hier ein
Beispiel, wie der Verfasser ein aus der älteren Tradition hcrübergenommencs
Stück von seinem neuen Gesichtspunkt aus verwendet, wie er die Figuren ganz
nach seinem Bedürfniß stellt, so läßt er dann weiterhin alles dasjenige einfach
weg, was ihm nicht paßt, insbesondere, was die höhere Würde Jesu beein¬
trächtigen könnte. So fehlt die Versuchung, weil der Sohn Gottes keiner Ver¬
suchung unterworfen sein kann, der Seelenkampf in Gethsemane, weil mensch¬
liche Kämpfe und Schwächen ihm fremd sind, die Verklärung, weil derjenige,
dessen Leben eine fortgehende Verklärung ist, nicht eines einzelnen äußerlichen
Vorgangs zu diesem Zweck bedarf, die Bergrcde, weil derjenige, der zur Be¬
kämpfung des im ungläubigen Judenthum personificirten Princips der Finster¬
niß gekommen ist, nicht an das mosaische Gesetz anknüpfen kann, die Einseg¬
nung des Abendmahls, weil die äußerliche Handlung unwesentlich ist bei der
Vorstellung, daß Jesus selbst nichts Anderes ist als das göttliche Lebensbrod,
das der Welt das Leben giebt und das im Glauben genossen wird.
Keine Differenz ist für den ganzen Gang der Geschichtserzählung von so
eingreifender Bedeutung, als diejenige in Betreff des Schauplatzes der öffent¬
lichen Wirksamkeit Jesu. Die drei ersten Evangelien lassen Jesus erst am
Ende seines Lebens nach Jerusalem kommen, bei Johannes tritt er von An-
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