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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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beleben ansingen, heißt es: . . . Dorre, si nous äesirvns iivee Wut ä'^räenr
ac 1'Jolle, si iwus ävelä-rens e^ne äeviurt cette Arairäe c^ue-
stiou, toutes los MLstious Mi peurraieirt nous äiviser cloiveirt s'eMeei-, et
tous les ivterets particuliers se taire, e'est noir ssulement Mu ac voir
uotie piitrie Florieuse et puisL^nee, rriais surtout pour ^u'olle puisse
s'elsver blos 1'eelrelle cle I'intelligence et an äeveloWemeirt moi^l M8<^u'!in
mvea.u <1iZ8 rmtious les I>1u.s eivilisees. Man hat vielfach behauptet -- und
so auch Rüstow in seinem Buche -- Cavours Ideen hätten sich vor Villafranca
nie über ein vergrößertes Piemont "bis zur Adria" erstreckt. Aber wie er
sich schon in seinen Jünglingsjahren als künstigen Minister des Königreichs
Italien sah*), so ließen sich aus Gesprächen, Briefen, Reden und Zeitungs¬
artikeln noch hundert Zeugnisse anführen, daß das Programm von Plombleres
nur ein Schritt zum Ziele, keineswegs das Ziel selbst war.

-Aber dies Programm von Plombisres selbst, das allerdings schon das
Versprechen der Abtretung Savoyens und Nizzas enthielt, ist Cavours schwerstes
und unverzeihlichstes Verbrechen in den Augen der exaltirten Jtaliamssimi. Daß die
Ereignisse von 1848 und 49 das "l'lwlig, tÄlÄ dir se" als eine alberne Renom¬
misterei dargethan, daß nur mit Frankreichs Hilfe die Unabhängigkeit von Oestreich
zu erringen und daß diese Hilfe eben nur um jenen Preis zusahen war, lassen
sie nicht als Entschuldigung gelten. Savoyen. durch die Centralkette der Alpen
von Italien geschieden, gehört durch seine Lage wie seine Sprache zu Frank¬
reich. Nizza, obwohl auch mindestens halbfranzösisch, zu bewilligen, mochte
dem Patrioten schwer genug werden, aber der große Preis war das Opfer
wohl werth. Auch gab er seine Einwilligung nur unter der Bedingung, daß
die Einwohner damit einverstanden seien; von einem Verschachern des Volkes
nach Art des londoner Vertrags von 18S2 war er weit entfernt. Als Gari-
baldi "dem nicht die Hand reichen wollte, der ihn zum Fremden in Italien
gemacht hatte", bewies die Art, wie Cavour seine heftigen und unparlamen¬
tarischen Angriffe in der Kammer ertrug und erwiderte, ebensosehr seine
geistige Ueberlegenheit wie seinen großherzigen Patriotismus. Man hat be¬
haupten wollen, er habe, trotz seiner entschiedenen Versicherung des Gegentheils,
Napoleon sür eine gewisse Eventualität auch bereits die Insel Sardinien, viel¬
leicht gar auch einen Theil Liguriens verheißen; Garibaldi und Mazzini sollen
eine Abschrift des Vertrages besessen haben. Warum ist sie nie zu Tage ge¬
kommen, obwohl Cavour das Gerücht davon als eine Absurdität behandelte?
Welche Gründe hatten Garibaldi und zumal Mazzini, ihren Gegner so zu schonen?
Die Sache ist innerlich wie äußerlich so unwahrscheinlich, daß sie, so lange nicht
bessere Beweise beigebracht werden, als Verleumdung bezeichnet werden muß.



') Brief an die Marquise von Barol, de in Rive I, 1!>2.
Grenzvotcn II. 1864.38

beleben ansingen, heißt es: . . . Dorre, si nous äesirvns iivee Wut ä'^räenr
ac 1'Jolle, si iwus ävelä-rens e^ne äeviurt cette Arairäe c^ue-
stiou, toutes los MLstious Mi peurraieirt nous äiviser cloiveirt s'eMeei-, et
tous les ivterets particuliers se taire, e'est noir ssulement Mu ac voir
uotie piitrie Florieuse et puisL^nee, rriais surtout pour ^u'olle puisse
s'elsver blos 1'eelrelle cle I'intelligence et an äeveloWemeirt moi^l M8<^u'!in
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so auch Rüstow in seinem Buche — Cavours Ideen hätten sich vor Villafranca
nie über ein vergrößertes Piemont „bis zur Adria" erstreckt. Aber wie er
sich schon in seinen Jünglingsjahren als künstigen Minister des Königreichs
Italien sah*), so ließen sich aus Gesprächen, Briefen, Reden und Zeitungs¬
artikeln noch hundert Zeugnisse anführen, daß das Programm von Plombleres
nur ein Schritt zum Ziele, keineswegs das Ziel selbst war.

-Aber dies Programm von Plombisres selbst, das allerdings schon das
Versprechen der Abtretung Savoyens und Nizzas enthielt, ist Cavours schwerstes
und unverzeihlichstes Verbrechen in den Augen der exaltirten Jtaliamssimi. Daß die
Ereignisse von 1848 und 49 das „l'lwlig, tÄlÄ dir se" als eine alberne Renom¬
misterei dargethan, daß nur mit Frankreichs Hilfe die Unabhängigkeit von Oestreich
zu erringen und daß diese Hilfe eben nur um jenen Preis zusahen war, lassen
sie nicht als Entschuldigung gelten. Savoyen. durch die Centralkette der Alpen
von Italien geschieden, gehört durch seine Lage wie seine Sprache zu Frank¬
reich. Nizza, obwohl auch mindestens halbfranzösisch, zu bewilligen, mochte
dem Patrioten schwer genug werden, aber der große Preis war das Opfer
wohl werth. Auch gab er seine Einwilligung nur unter der Bedingung, daß
die Einwohner damit einverstanden seien; von einem Verschachern des Volkes
nach Art des londoner Vertrags von 18S2 war er weit entfernt. Als Gari-
baldi „dem nicht die Hand reichen wollte, der ihn zum Fremden in Italien
gemacht hatte", bewies die Art, wie Cavour seine heftigen und unparlamen¬
tarischen Angriffe in der Kammer ertrug und erwiderte, ebensosehr seine
geistige Ueberlegenheit wie seinen großherzigen Patriotismus. Man hat be¬
haupten wollen, er habe, trotz seiner entschiedenen Versicherung des Gegentheils,
Napoleon sür eine gewisse Eventualität auch bereits die Insel Sardinien, viel¬
leicht gar auch einen Theil Liguriens verheißen; Garibaldi und Mazzini sollen
eine Abschrift des Vertrages besessen haben. Warum ist sie nie zu Tage ge¬
kommen, obwohl Cavour das Gerücht davon als eine Absurdität behandelte?
Welche Gründe hatten Garibaldi und zumal Mazzini, ihren Gegner so zu schonen?
Die Sache ist innerlich wie äußerlich so unwahrscheinlich, daß sie, so lange nicht
bessere Beweise beigebracht werden, als Verleumdung bezeichnet werden muß.



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/305>, abgerufen am 23.07.2024.