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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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zum linken Centrum, oder nach neudeutschcr Terminologie von der altlibcralen
zur Fortschrittspartei machte und von seinen alten Freunden, zumal den savoyi-
schen Deputaten deshalb, aufs heftigste angegriffen ward, sprach er im Parla¬
mente die bedeutungsvollen Worte: 0in, messieurs, ,je sais que lorsciu'on
entre clans ig. vie politicius on clef tomps gnssi äitüciles, on etoit s'gttenclre
kwx plus g'noctes cleeeptions. ^is suis prvpgre. pusse-je renoncer ^
tons mes genis (l'eukgnee, änsse-je voir mes erung.issg.necs los plus intimes
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je it'kdalläoimsriü Jos Principes ele liberte auxmivls j'gi vous'ma eg.rriöre,
et guxqusls j'gi ete säete toute eng vie! -- Und wenn es ihm die Mazzinisten
nicht verzeihen konnten, daß er nicht allen bestehenden Mächten den Krieg er¬
klärte, um "durch die unwiderstehliche Jugendkraft des revolutionirten Volkes"
Italien zu befreien, zu einen und zu regencnren, ja das; er sogar ihren un¬
sinnigen Pulsader energisch entgegentrat; -- wenn auf der andern Seite seine
alten Freunde vom rechten Centrum sich scheu von ihm zurückzogen und die
fanatische Priesterpartei ihn excommunicirte, als er die Unabhängigkeit des
Staates von der Kirche und die religiöse Freiheit furchtlos proclamirte, als er
später gar die Erbschaft der vertriebenen Herzöge aus den Händen ihrer Völker
annahm, in den Kirchenstaat einfiel und mit den Nothhemden gemeinsame Sache
machte; wenn man ihn von den verschiedensten Seiten her des Macchiavellis-
mus und der Heuchelei zieh, wenn man ihn eine Proteusnatur nannte: so
verstanden es diese kleinen Seelen eben nicht oder konnten es ihm nicht vergeben,
daß er sich von keiner Parteischavlonc knechten und sein Handeln weder durch
politische Schlagwörter "och durch das Ansehen der Person bestimmen ließ.
Cavour war allerdings kein Principienreiter wie weiland Heinrich der Zwei¬
undsiebzigste, das war bei einem Manne von so hellem praktischen Verstände
unmöglich. Aber er war eine viel zu fest und großartig angelegte Natur, um
sich entweder von dem herrschenden Winde treiben oder zu einer Politik klein¬
licher Auskunftsmittel verdammen zu lassen. Das Ziel verlor er nie aus den
Augen: war der Wind ungünstig, so lavirte er; war es Sturm, so legte er
im nächsten Nothhafen bei; richtete sich der Sturm gegen ihn allein, so über¬
ließ er das Steuer Anderen, damit seine Persönlichkeit der Erreichung des
hohen Zieles nicht hinderlich entgegentrete.

Und welches war dies hohe Ziel? Es war ohne Zweifel die Idee, welche
ihn erfüllte, sobald er selbständig zu denken und zu empfinden gelernt hatte,
und die ihn noch auf seinem Sterbebette nicht verließ, die Idee. Italien un¬
abhängig und einig zu macheu und es in moralischer und intellectueller Bil¬
dung auf gleiche Stufe mit den ersten Nationen der Welt zu heben. Beides
betrachtete er als unzertrennlich. In einem Briefe, den er schrieb, als die ersten
Reformen Pius des Neunten, die Hoffnungen der italienischen Patrioten zu


zum linken Centrum, oder nach neudeutschcr Terminologie von der altlibcralen
zur Fortschrittspartei machte und von seinen alten Freunden, zumal den savoyi-
schen Deputaten deshalb, aufs heftigste angegriffen ward, sprach er im Parla¬
mente die bedeutungsvollen Worte: 0in, messieurs, ,je sais que lorsciu'on
entre clans ig. vie politicius on clef tomps gnssi äitüciles, on etoit s'gttenclre
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et guxqusls j'gi ete säete toute eng vie! — Und wenn es ihm die Mazzinisten
nicht verzeihen konnten, daß er nicht allen bestehenden Mächten den Krieg er¬
klärte, um „durch die unwiderstehliche Jugendkraft des revolutionirten Volkes"
Italien zu befreien, zu einen und zu regencnren, ja das; er sogar ihren un¬
sinnigen Pulsader energisch entgegentrat; — wenn auf der andern Seite seine
alten Freunde vom rechten Centrum sich scheu von ihm zurückzogen und die
fanatische Priesterpartei ihn excommunicirte, als er die Unabhängigkeit des
Staates von der Kirche und die religiöse Freiheit furchtlos proclamirte, als er
später gar die Erbschaft der vertriebenen Herzöge aus den Händen ihrer Völker
annahm, in den Kirchenstaat einfiel und mit den Nothhemden gemeinsame Sache
machte; wenn man ihn von den verschiedensten Seiten her des Macchiavellis-
mus und der Heuchelei zieh, wenn man ihn eine Proteusnatur nannte: so
verstanden es diese kleinen Seelen eben nicht oder konnten es ihm nicht vergeben,
daß er sich von keiner Parteischavlonc knechten und sein Handeln weder durch
politische Schlagwörter »och durch das Ansehen der Person bestimmen ließ.
Cavour war allerdings kein Principienreiter wie weiland Heinrich der Zwei¬
undsiebzigste, das war bei einem Manne von so hellem praktischen Verstände
unmöglich. Aber er war eine viel zu fest und großartig angelegte Natur, um
sich entweder von dem herrschenden Winde treiben oder zu einer Politik klein¬
licher Auskunftsmittel verdammen zu lassen. Das Ziel verlor er nie aus den
Augen: war der Wind ungünstig, so lavirte er; war es Sturm, so legte er
im nächsten Nothhafen bei; richtete sich der Sturm gegen ihn allein, so über¬
ließ er das Steuer Anderen, damit seine Persönlichkeit der Erreichung des
hohen Zieles nicht hinderlich entgegentrete.

Und welches war dies hohe Ziel? Es war ohne Zweifel die Idee, welche
ihn erfüllte, sobald er selbständig zu denken und zu empfinden gelernt hatte,
und die ihn noch auf seinem Sterbebette nicht verließ, die Idee. Italien un¬
abhängig und einig zu macheu und es in moralischer und intellectueller Bil¬
dung auf gleiche Stufe mit den ersten Nationen der Welt zu heben. Beides
betrachtete er als unzertrennlich. In einem Briefe, den er schrieb, als die ersten
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/304>, abgerufen am 23.07.2024.