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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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waren. Man sieht, wie Mannigfaltiges hier mit einander in Einklang gebracht,
wie sorgfältig das Eine geprüft und auf ein gewisses Maß gesetzt werden muß.
um zu dem Andern in das rechte Verhältniß zu kommen; man begreift, wie
erst jenseits der rein thatsächlichen Kritik das Schwerste beginnt: den Punkt zu
finden, von wo aus sich alle diese verschiedenen Züge zu einem einheitlichen
Charakterbilde sammeln lassen.

Leicht wird freilich diese Aufgabe, wenn man mit der energischen Einseitig¬
keit verfährt, mit welcher, vor achtzehn Jahren, Konstantin Hvflcr zu Weile
gegangen ist. Hauptsächlich an die dem Kaiser ungünstigsten Quellen sich haltend,
vermag er ohne Mühe ein Bild aus einem Gusse zu liefern. Hatte Raumer
mit vorsichtiger Hand ein Gemälde entworfen, in welchem Manches noch un¬
bestimmt gelassen, doch mit Liebe diejenigen Züge ausgeführt wurden, die dem
Kaiser und seinem Schicksale eine schöne menschliche Theilnahme zuzuwenden
geeignet waren, so zeichnet Höfler mit derben Strichen einen von Grund aus
verdorbenen und verderblichen Charakter, dem gegenüber die ihn bekämpfenden
Mächte, zum mindesten die kirchlichen, sich fast allenthalben in ihrem Rechte
befinden. Wenig anders ist der Eindruck, welche der, um Durchforschung des
deutschen Mittelalters so hochverdiente Böhmer durch die gedrängte Schilderung
Friedrichs hervorbringt, die er dem Rcgestenwerke vorausschickt. Derartigem
Auffassungen ist nun, in neuerer Zeit, vorzüglich Schirrmachcr entgegengetreten.
In mancher Beziehung sich anschließend an das, was für die Geschichte von
Friedrichs hohenstaufischen Vorgängern durch Otto Adel geleistet worden, nimmt
er den Kaiser nicht blos in Schutz gegen allerhand Vorwürfe seiner hierarchischen
Gegner und deckt die Blößen dieser Letzter" auf; vielmehr sucht er auch, zumal
im 2. Bande, auf positive Weise die Einheit in Friedrichs mannigfachen Be¬
strebungen herzustellen durch Nachweisung gewisser großer und wohlberechtigter
Gedanken, in denen die scheinbaren Widersprüche eine würdige Lösung empfangen.
In vielen Punkten erhalten seine Ansichten eine tüchtige Unterstützung durch die
geistreiche Skizze von Friedrichs politisch-kirchlicher Stellung und Anschauung,
welche Nitzsch in Sybcls historischer Zeitschrift (1860) gegeben. Hier wie dort
wird Friedrichs bittere-Feindschaft gegen die Curie auf der einen, gegen die
Ketzer aus der andern Seite in Einklang mit einander gebracht durch Bezeichnung
eines Standpunktes, auf ivclchem Friedlich dem Papste sich frei gegenübergestellt,
keineswegs aber den Grenzen des bestehenden Kirchenthums entrückt gefühlt
habe; hier wie dort wird die Verschiedenheit zwischen Friedrichs finnischer Ver¬
waltung und seinen Anordnungen in Deutschland erklärt aus einem hohen Sinne
sür die Verschiedenheit der in beiden Ländern obwaltenden Verhältnisse und
einer feinen Geschicktheit, sie demgemäß in verschiedener Art einem einheitlichen
Zwecke dienen zu lassen. Namentlich wird auch die mittelalterliche Kaiscridee
hoch gehalten und insofern der Glanz von Friedrichs Namen gewahrt gegen


waren. Man sieht, wie Mannigfaltiges hier mit einander in Einklang gebracht,
wie sorgfältig das Eine geprüft und auf ein gewisses Maß gesetzt werden muß.
um zu dem Andern in das rechte Verhältniß zu kommen; man begreift, wie
erst jenseits der rein thatsächlichen Kritik das Schwerste beginnt: den Punkt zu
finden, von wo aus sich alle diese verschiedenen Züge zu einem einheitlichen
Charakterbilde sammeln lassen.

Leicht wird freilich diese Aufgabe, wenn man mit der energischen Einseitig¬
keit verfährt, mit welcher, vor achtzehn Jahren, Konstantin Hvflcr zu Weile
gegangen ist. Hauptsächlich an die dem Kaiser ungünstigsten Quellen sich haltend,
vermag er ohne Mühe ein Bild aus einem Gusse zu liefern. Hatte Raumer
mit vorsichtiger Hand ein Gemälde entworfen, in welchem Manches noch un¬
bestimmt gelassen, doch mit Liebe diejenigen Züge ausgeführt wurden, die dem
Kaiser und seinem Schicksale eine schöne menschliche Theilnahme zuzuwenden
geeignet waren, so zeichnet Höfler mit derben Strichen einen von Grund aus
verdorbenen und verderblichen Charakter, dem gegenüber die ihn bekämpfenden
Mächte, zum mindesten die kirchlichen, sich fast allenthalben in ihrem Rechte
befinden. Wenig anders ist der Eindruck, welche der, um Durchforschung des
deutschen Mittelalters so hochverdiente Böhmer durch die gedrängte Schilderung
Friedrichs hervorbringt, die er dem Rcgestenwerke vorausschickt. Derartigem
Auffassungen ist nun, in neuerer Zeit, vorzüglich Schirrmachcr entgegengetreten.
In mancher Beziehung sich anschließend an das, was für die Geschichte von
Friedrichs hohenstaufischen Vorgängern durch Otto Adel geleistet worden, nimmt
er den Kaiser nicht blos in Schutz gegen allerhand Vorwürfe seiner hierarchischen
Gegner und deckt die Blößen dieser Letzter» auf; vielmehr sucht er auch, zumal
im 2. Bande, auf positive Weise die Einheit in Friedrichs mannigfachen Be¬
strebungen herzustellen durch Nachweisung gewisser großer und wohlberechtigter
Gedanken, in denen die scheinbaren Widersprüche eine würdige Lösung empfangen.
In vielen Punkten erhalten seine Ansichten eine tüchtige Unterstützung durch die
geistreiche Skizze von Friedrichs politisch-kirchlicher Stellung und Anschauung,
welche Nitzsch in Sybcls historischer Zeitschrift (1860) gegeben. Hier wie dort
wird Friedrichs bittere-Feindschaft gegen die Curie auf der einen, gegen die
Ketzer aus der andern Seite in Einklang mit einander gebracht durch Bezeichnung
eines Standpunktes, auf ivclchem Friedlich dem Papste sich frei gegenübergestellt,
keineswegs aber den Grenzen des bestehenden Kirchenthums entrückt gefühlt
habe; hier wie dort wird die Verschiedenheit zwischen Friedrichs finnischer Ver¬
waltung und seinen Anordnungen in Deutschland erklärt aus einem hohen Sinne
sür die Verschiedenheit der in beiden Ländern obwaltenden Verhältnisse und
einer feinen Geschicktheit, sie demgemäß in verschiedener Art einem einheitlichen
Zwecke dienen zu lassen. Namentlich wird auch die mittelalterliche Kaiscridee
hoch gehalten und insofern der Glanz von Friedrichs Namen gewahrt gegen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/261>, abgerufen am 23.07.2024.