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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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Ais Schützling der römischen Curie seine Laufbahn beginnend, tritt er nach¬
mals in einen Kampf mit dieser Curie ein, gründlicher und radicaler als er
irgendeinem der früheren Kaiser in den Sinn gekommen. Ohne äußere Nöthigung,
in voller Freiwilligkeit, legt er ein Kreuzzugsgelübde ab, schiebt dann die Voll¬
ziehung desselben weiter und weiter hinaus, bis er darüber dem päpstlichen
Banne verfällt, führt aber eben nun, unter dem Banne des Papstes und allem
Widersprüche desselben zum Trotz, das Unternehmen, freilich in sehr nüchterner
und mangelhafter Weise, aus, um sogleich nachher den Angriff gegen seine
unteritalienischen Besitzungen, zu welchem der Papst in Europa das Kreuz hatte
predigen lassen, wesentlich mit saracenischen Truppen zunickzuwcisen. Ein Mann
von reichster Bildung, ein Gönner und Beschützer der unteritalischen Maho-
medaner, zeigt er sich in seiner Gesetzgebung als den entschlossensten und grau¬
samsten Feind der Ketzer. Diese Gesetzgebung hat, soweit sie sieh aus das
unteritalische Königreich Friedrichs erstreckt, in unseren Tagen die höchste Aufmerk¬
samkeit aus sich gezogen, als der wundcrwürdigste Versuch, einen despotisch regier¬
baren Staat von einer bureaukratischen Ordnung, einem Cvmpetenzumsange, einem
Reichthume an Aufgaben und Gesichtspunkten zu begründen, wie ihn das christ¬
liche Abendland bis dahin sich nicht hatte träumen lassen. In Deutschland da¬
gegen findet die Entwickelung der großen Territorialgewalten, vor denen dort
die Kaisergewait zu vergehen und alle politische Einheit in ein regellos-Parti-
cularistischcs Wesen sich aufzulösen droht, bei Friedrich Unterstützung und Vor¬
schub. Von deu verschiedensten Culturelemcnteu, deren Zusammenfluh den ge¬
waltigen Gährungsproceß seiner Zeit hervorbrachte und besonders an dem Orte
seiner Erziehung, in Sicilien, in stärkstem Maße sich geltend machte, erscheint
Friedrich berührt; Abendländisches und Morgenländischcs, Christliches und Maho-
mcdanisches ist ihm angeflogen; sein eigenstes Wesen indeß scheint weder dem
Einen noch dem Andern zu gehören, sondern in einer Atmosphäre geistiger
Freiheit zu leben, wie sie in einem solchen Aufeinandertreffen des Mannig-
saltigsten nicht vielen Einzelnen zu Theil wird; ja gegenüber den Unsittlichkeiten
und Zügellosigkeiten seiner Gegner, für welche diese in ihrer Aufgabe, die Sache
Gottes und der Kirche zu verfechten, ihre Rechtfertigung finden mochten, scheint
er diejenige Gleichgiltigkeit gegen sittliche Rücksichten gewonnen zu haben, welche
den Beginn der Emancipation von positiv religiösen Ueberzeugungen so häusig
begleitet. Nichtsdestoweniger weiß er nicht blos vortrefflich sittliche Hebel gegen
seine kirchlichen Widersacher in Bewegung zu setzen, sondern neben seinen maho-
medanischen Kriegern, neben seinen im römischen Rechte gebildeten Staats- und
Kanzleimännern, neben seinen morgen- und abendländischen Gelehrten und Künst¬
lern widmen ihm auch Männer wie Hermann v. Salza eine aufrichtige Hin¬
gebung, Männer, deren christlichem Glauben und Wandel auch die erbittertsten
Gegner des Kaisers ihre höchste Anerkennung zu verweigern außer Stande


Ais Schützling der römischen Curie seine Laufbahn beginnend, tritt er nach¬
mals in einen Kampf mit dieser Curie ein, gründlicher und radicaler als er
irgendeinem der früheren Kaiser in den Sinn gekommen. Ohne äußere Nöthigung,
in voller Freiwilligkeit, legt er ein Kreuzzugsgelübde ab, schiebt dann die Voll¬
ziehung desselben weiter und weiter hinaus, bis er darüber dem päpstlichen
Banne verfällt, führt aber eben nun, unter dem Banne des Papstes und allem
Widersprüche desselben zum Trotz, das Unternehmen, freilich in sehr nüchterner
und mangelhafter Weise, aus, um sogleich nachher den Angriff gegen seine
unteritalienischen Besitzungen, zu welchem der Papst in Europa das Kreuz hatte
predigen lassen, wesentlich mit saracenischen Truppen zunickzuwcisen. Ein Mann
von reichster Bildung, ein Gönner und Beschützer der unteritalischen Maho-
medaner, zeigt er sich in seiner Gesetzgebung als den entschlossensten und grau¬
samsten Feind der Ketzer. Diese Gesetzgebung hat, soweit sie sieh aus das
unteritalische Königreich Friedrichs erstreckt, in unseren Tagen die höchste Aufmerk¬
samkeit aus sich gezogen, als der wundcrwürdigste Versuch, einen despotisch regier¬
baren Staat von einer bureaukratischen Ordnung, einem Cvmpetenzumsange, einem
Reichthume an Aufgaben und Gesichtspunkten zu begründen, wie ihn das christ¬
liche Abendland bis dahin sich nicht hatte träumen lassen. In Deutschland da¬
gegen findet die Entwickelung der großen Territorialgewalten, vor denen dort
die Kaisergewait zu vergehen und alle politische Einheit in ein regellos-Parti-
cularistischcs Wesen sich aufzulösen droht, bei Friedrich Unterstützung und Vor¬
schub. Von deu verschiedensten Culturelemcnteu, deren Zusammenfluh den ge¬
waltigen Gährungsproceß seiner Zeit hervorbrachte und besonders an dem Orte
seiner Erziehung, in Sicilien, in stärkstem Maße sich geltend machte, erscheint
Friedrich berührt; Abendländisches und Morgenländischcs, Christliches und Maho-
mcdanisches ist ihm angeflogen; sein eigenstes Wesen indeß scheint weder dem
Einen noch dem Andern zu gehören, sondern in einer Atmosphäre geistiger
Freiheit zu leben, wie sie in einem solchen Aufeinandertreffen des Mannig-
saltigsten nicht vielen Einzelnen zu Theil wird; ja gegenüber den Unsittlichkeiten
und Zügellosigkeiten seiner Gegner, für welche diese in ihrer Aufgabe, die Sache
Gottes und der Kirche zu verfechten, ihre Rechtfertigung finden mochten, scheint
er diejenige Gleichgiltigkeit gegen sittliche Rücksichten gewonnen zu haben, welche
den Beginn der Emancipation von positiv religiösen Ueberzeugungen so häusig
begleitet. Nichtsdestoweniger weiß er nicht blos vortrefflich sittliche Hebel gegen
seine kirchlichen Widersacher in Bewegung zu setzen, sondern neben seinen maho-
medanischen Kriegern, neben seinen im römischen Rechte gebildeten Staats- und
Kanzleimännern, neben seinen morgen- und abendländischen Gelehrten und Künst¬
lern widmen ihm auch Männer wie Hermann v. Salza eine aufrichtige Hin¬
gebung, Männer, deren christlichem Glauben und Wandel auch die erbittertsten
Gegner des Kaisers ihre höchste Anerkennung zu verweigern außer Stande


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[0260] Ais Schützling der römischen Curie seine Laufbahn beginnend, tritt er nach¬ mals in einen Kampf mit dieser Curie ein, gründlicher und radicaler als er irgendeinem der früheren Kaiser in den Sinn gekommen. Ohne äußere Nöthigung, in voller Freiwilligkeit, legt er ein Kreuzzugsgelübde ab, schiebt dann die Voll¬ ziehung desselben weiter und weiter hinaus, bis er darüber dem päpstlichen Banne verfällt, führt aber eben nun, unter dem Banne des Papstes und allem Widersprüche desselben zum Trotz, das Unternehmen, freilich in sehr nüchterner und mangelhafter Weise, aus, um sogleich nachher den Angriff gegen seine unteritalienischen Besitzungen, zu welchem der Papst in Europa das Kreuz hatte predigen lassen, wesentlich mit saracenischen Truppen zunickzuwcisen. Ein Mann von reichster Bildung, ein Gönner und Beschützer der unteritalischen Maho- medaner, zeigt er sich in seiner Gesetzgebung als den entschlossensten und grau¬ samsten Feind der Ketzer. Diese Gesetzgebung hat, soweit sie sieh aus das unteritalische Königreich Friedrichs erstreckt, in unseren Tagen die höchste Aufmerk¬ samkeit aus sich gezogen, als der wundcrwürdigste Versuch, einen despotisch regier¬ baren Staat von einer bureaukratischen Ordnung, einem Cvmpetenzumsange, einem Reichthume an Aufgaben und Gesichtspunkten zu begründen, wie ihn das christ¬ liche Abendland bis dahin sich nicht hatte träumen lassen. In Deutschland da¬ gegen findet die Entwickelung der großen Territorialgewalten, vor denen dort die Kaisergewait zu vergehen und alle politische Einheit in ein regellos-Parti- cularistischcs Wesen sich aufzulösen droht, bei Friedrich Unterstützung und Vor¬ schub. Von deu verschiedensten Culturelemcnteu, deren Zusammenfluh den ge¬ waltigen Gährungsproceß seiner Zeit hervorbrachte und besonders an dem Orte seiner Erziehung, in Sicilien, in stärkstem Maße sich geltend machte, erscheint Friedrich berührt; Abendländisches und Morgenländischcs, Christliches und Maho- mcdanisches ist ihm angeflogen; sein eigenstes Wesen indeß scheint weder dem Einen noch dem Andern zu gehören, sondern in einer Atmosphäre geistiger Freiheit zu leben, wie sie in einem solchen Aufeinandertreffen des Mannig- saltigsten nicht vielen Einzelnen zu Theil wird; ja gegenüber den Unsittlichkeiten und Zügellosigkeiten seiner Gegner, für welche diese in ihrer Aufgabe, die Sache Gottes und der Kirche zu verfechten, ihre Rechtfertigung finden mochten, scheint er diejenige Gleichgiltigkeit gegen sittliche Rücksichten gewonnen zu haben, welche den Beginn der Emancipation von positiv religiösen Ueberzeugungen so häusig begleitet. Nichtsdestoweniger weiß er nicht blos vortrefflich sittliche Hebel gegen seine kirchlichen Widersacher in Bewegung zu setzen, sondern neben seinen maho- medanischen Kriegern, neben seinen im römischen Rechte gebildeten Staats- und Kanzleimännern, neben seinen morgen- und abendländischen Gelehrten und Künst¬ lern widmen ihm auch Männer wie Hermann v. Salza eine aufrichtige Hin¬ gebung, Männer, deren christlichem Glauben und Wandel auch die erbittertsten Gegner des Kaisers ihre höchste Anerkennung zu verweigern außer Stande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/260>, abgerufen am 23.07.2024.