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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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etwanige Beeinträchtigungen von Gesichtspunkten aus, wie sie vorzüglich^ durch
Sybels Schrift über die deutsche Nation und das Kaiserreich mit so vielem
Nachdrucke geltend gemacht worden sind. So steht Friedrich, wenn auch nicht
ohne Schwächen, doch als ein überlegener und zugleich feiner Geist in einer
wildbewegten Zeit, als ein Geist von reichster Befähigung und Bildung, voll
Erhabenheit in seinen Zielpunkte" und voll Verständnisses da für das praktisch
Nothwendige oder Zweckmäßige; und in entschiedenster Weise wird ihm das
Recht vindicirt, sich bei Bekämpfung seiner Widersacher an große sittliche Motive
in den Seelen seiner Zeitgenossen zu wenden und dieselben für seine Angelegen¬
heiten in Thätigkeit zu bringen.

Das vorliegende Buch Winkelmanns macht, nach einer Aeußerung der
Borrede, nicht den Anspruch, eine vollständige Geschichte Friedrichs des Zweiten
in der Zeit seines aufsteigenden Gestirns zu sein, sondern will nur Beiträge
zu derselben liefern. Zum Theil >se es eine Überarbeitung früher herausgegebener
Abhandlungen; überhaupt aber hat es mehr die pünktliche Durchforschung ein¬
zelner Partieen zur Aufgabe, ohne daß jedoch die Bedeutung derselben für
die Herstellung eines Gcsammtbilbcs von Friedrichs des Zweiten Charakter,
Stellung und Thätigkeit aus den Augen gelassen würde. Dabei zeigt sich über¬
all im vollsten Lichte der gewissenhafte Fleiß, die Gründlichkeit und Genauigkeit
der Forschung, die man an dem Verfasser schon früher, aus jenen Abhandlungen,
kennen gelernt hat. Ein Verzeichnis; der wichtigeren Quellenschriften und Hilfs¬
mittel geht voraus, unter Beifügung kurzer Bemerkungen zur Charakteristik
der ersteren, zur Zurückführung derselben auf die Elemente, aus denen sie ent¬
standen u. f. w.; auch mehre der, den einzelnen Abschnitten angehängten Bei¬
lagen haben es hauptsächlich mit Quellenkritik zu thu". Das Werk selbst
beginnt >ni der merkwürdigen Fahrt des siebzehnjährigen Friedrich von Sicilien nach
Deutschland zur Gewinnung der .Nrone, zu welcher Innocenz der Dritte, von
seinem früheren Schützlinge, dem welsischen Otto dem Vierten, aufs äußerste
bedrängt, de" jungen Hohenstaufen berufen hatte; es schließt im Jahre 123S,
am Vorabende des großen Todeskampfes zwischen Friedrich und den lombar¬
dischen Städten, mit welchem der Kampf des Kaisers gegen die Curie sich aufs
innigste zu verflechten bestimmt war. Sollte man angeben, welche von den
bisherigen Bearbeitungen der Geschichte Friedrichs des Zweiten es sei, der die
Resultate von Winkelmanns Forschung am meisten entsprechen, so würde man
SchirrmacherS Buch zu nennen haben; aber auch ihn, gegenüber verhält sich
Winkelmann durchaus selbständig, wie denn auch seine Beschäftigung mit dem
Gegenstande schon vor dem Erscheinen des schirrnmchcrschen Werkes begonnen
hat und in manchen Stücken die Abhandlungen W's. bereits von sah. selbst,
in dem 2. Theile von dessen Buche, berücksichtigt worden sind. Faßt man die
einzelnen, wichtigeren Punkte zusammen, in denen sah. und W. von einander


etwanige Beeinträchtigungen von Gesichtspunkten aus, wie sie vorzüglich^ durch
Sybels Schrift über die deutsche Nation und das Kaiserreich mit so vielem
Nachdrucke geltend gemacht worden sind. So steht Friedrich, wenn auch nicht
ohne Schwächen, doch als ein überlegener und zugleich feiner Geist in einer
wildbewegten Zeit, als ein Geist von reichster Befähigung und Bildung, voll
Erhabenheit in seinen Zielpunkte» und voll Verständnisses da für das praktisch
Nothwendige oder Zweckmäßige; und in entschiedenster Weise wird ihm das
Recht vindicirt, sich bei Bekämpfung seiner Widersacher an große sittliche Motive
in den Seelen seiner Zeitgenossen zu wenden und dieselben für seine Angelegen¬
heiten in Thätigkeit zu bringen.

Das vorliegende Buch Winkelmanns macht, nach einer Aeußerung der
Borrede, nicht den Anspruch, eine vollständige Geschichte Friedrichs des Zweiten
in der Zeit seines aufsteigenden Gestirns zu sein, sondern will nur Beiträge
zu derselben liefern. Zum Theil >se es eine Überarbeitung früher herausgegebener
Abhandlungen; überhaupt aber hat es mehr die pünktliche Durchforschung ein¬
zelner Partieen zur Aufgabe, ohne daß jedoch die Bedeutung derselben für
die Herstellung eines Gcsammtbilbcs von Friedrichs des Zweiten Charakter,
Stellung und Thätigkeit aus den Augen gelassen würde. Dabei zeigt sich über¬
all im vollsten Lichte der gewissenhafte Fleiß, die Gründlichkeit und Genauigkeit
der Forschung, die man an dem Verfasser schon früher, aus jenen Abhandlungen,
kennen gelernt hat. Ein Verzeichnis; der wichtigeren Quellenschriften und Hilfs¬
mittel geht voraus, unter Beifügung kurzer Bemerkungen zur Charakteristik
der ersteren, zur Zurückführung derselben auf die Elemente, aus denen sie ent¬
standen u. f. w.; auch mehre der, den einzelnen Abschnitten angehängten Bei¬
lagen haben es hauptsächlich mit Quellenkritik zu thu». Das Werk selbst
beginnt >ni der merkwürdigen Fahrt des siebzehnjährigen Friedrich von Sicilien nach
Deutschland zur Gewinnung der .Nrone, zu welcher Innocenz der Dritte, von
seinem früheren Schützlinge, dem welsischen Otto dem Vierten, aufs äußerste
bedrängt, de» jungen Hohenstaufen berufen hatte; es schließt im Jahre 123S,
am Vorabende des großen Todeskampfes zwischen Friedrich und den lombar¬
dischen Städten, mit welchem der Kampf des Kaisers gegen die Curie sich aufs
innigste zu verflechten bestimmt war. Sollte man angeben, welche von den
bisherigen Bearbeitungen der Geschichte Friedrichs des Zweiten es sei, der die
Resultate von Winkelmanns Forschung am meisten entsprechen, so würde man
SchirrmacherS Buch zu nennen haben; aber auch ihn, gegenüber verhält sich
Winkelmann durchaus selbständig, wie denn auch seine Beschäftigung mit dem
Gegenstande schon vor dem Erscheinen des schirrnmchcrschen Werkes begonnen
hat und in manchen Stücken die Abhandlungen W's. bereits von sah. selbst,
in dem 2. Theile von dessen Buche, berücksichtigt worden sind. Faßt man die
einzelnen, wichtigeren Punkte zusammen, in denen sah. und W. von einander


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[0262] etwanige Beeinträchtigungen von Gesichtspunkten aus, wie sie vorzüglich^ durch Sybels Schrift über die deutsche Nation und das Kaiserreich mit so vielem Nachdrucke geltend gemacht worden sind. So steht Friedrich, wenn auch nicht ohne Schwächen, doch als ein überlegener und zugleich feiner Geist in einer wildbewegten Zeit, als ein Geist von reichster Befähigung und Bildung, voll Erhabenheit in seinen Zielpunkte» und voll Verständnisses da für das praktisch Nothwendige oder Zweckmäßige; und in entschiedenster Weise wird ihm das Recht vindicirt, sich bei Bekämpfung seiner Widersacher an große sittliche Motive in den Seelen seiner Zeitgenossen zu wenden und dieselben für seine Angelegen¬ heiten in Thätigkeit zu bringen. Das vorliegende Buch Winkelmanns macht, nach einer Aeußerung der Borrede, nicht den Anspruch, eine vollständige Geschichte Friedrichs des Zweiten in der Zeit seines aufsteigenden Gestirns zu sein, sondern will nur Beiträge zu derselben liefern. Zum Theil >se es eine Überarbeitung früher herausgegebener Abhandlungen; überhaupt aber hat es mehr die pünktliche Durchforschung ein¬ zelner Partieen zur Aufgabe, ohne daß jedoch die Bedeutung derselben für die Herstellung eines Gcsammtbilbcs von Friedrichs des Zweiten Charakter, Stellung und Thätigkeit aus den Augen gelassen würde. Dabei zeigt sich über¬ all im vollsten Lichte der gewissenhafte Fleiß, die Gründlichkeit und Genauigkeit der Forschung, die man an dem Verfasser schon früher, aus jenen Abhandlungen, kennen gelernt hat. Ein Verzeichnis; der wichtigeren Quellenschriften und Hilfs¬ mittel geht voraus, unter Beifügung kurzer Bemerkungen zur Charakteristik der ersteren, zur Zurückführung derselben auf die Elemente, aus denen sie ent¬ standen u. f. w.; auch mehre der, den einzelnen Abschnitten angehängten Bei¬ lagen haben es hauptsächlich mit Quellenkritik zu thu». Das Werk selbst beginnt >ni der merkwürdigen Fahrt des siebzehnjährigen Friedrich von Sicilien nach Deutschland zur Gewinnung der .Nrone, zu welcher Innocenz der Dritte, von seinem früheren Schützlinge, dem welsischen Otto dem Vierten, aufs äußerste bedrängt, de» jungen Hohenstaufen berufen hatte; es schließt im Jahre 123S, am Vorabende des großen Todeskampfes zwischen Friedrich und den lombar¬ dischen Städten, mit welchem der Kampf des Kaisers gegen die Curie sich aufs innigste zu verflechten bestimmt war. Sollte man angeben, welche von den bisherigen Bearbeitungen der Geschichte Friedrichs des Zweiten es sei, der die Resultate von Winkelmanns Forschung am meisten entsprechen, so würde man SchirrmacherS Buch zu nennen haben; aber auch ihn, gegenüber verhält sich Winkelmann durchaus selbständig, wie denn auch seine Beschäftigung mit dem Gegenstande schon vor dem Erscheinen des schirrnmchcrschen Werkes begonnen hat und in manchen Stücken die Abhandlungen W's. bereits von sah. selbst, in dem 2. Theile von dessen Buche, berücksichtigt worden sind. Faßt man die einzelnen, wichtigeren Punkte zusammen, in denen sah. und W. von einander

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/262>, abgerufen am 23.07.2024.