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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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General des 3. und des Garde-Corps in jener Zeit gepflegt und unter seiner
Regierung wieder überall wach gerufen hätte. --

Glücklicherweise rief das Jahr 1848 neues politisches Leben hervor und
schuf Kriegsbildcr, aus denen die preußische Armee, ohne selbst bittere Erfahrungen
zu machen, lernen konnte, daß die freie Thätigkeit des zum Charakter entwickelten
Soldaten eine bedeutende militärische Leistungsfähigkeit besitze, welche jede Armee
ausbeuten müsse, um im Wettkampf bestehen zu können. Ohne die rege Theil¬
nahme des Prinzen Friedrich Karl für diese Richtung wäre sie aber nicht
zu der Geltung gekommen, die ihr jetzt zu Theil geworden ist. So hat sich in
der preußischen Armee aus alten Traditionen und neuer Intelligenz ein Modus
der Ausbildung entwickelt, der für die Infanterie sich in der Pflege von drei
Dicnstzweigen darstellt: 1) In der Paradedressur. 2) dem Schießen und 3) dem
Turnen und Fechten. -- Auf die erstere wird die meiste Zeit verwendet, dann
folgt das Schießen und endlich der dritte Zweig, die Verwerthung der indivi¬
duellen Intelligenz und Thatkraft, das jüngste Kind der Zeit. Diese drei Dienst¬
zweige repräsentiren im Ganzen betrachtet die Disciplin, die Technik und den
kriegerischen Geist. -- Wie sie jetzt in der preußischen Infanterie zu einander
stehen, soll kurz gesagt werden.

Das Hochhalten der Paradedrcssur hat der preußischen Armee ihre Kriegs¬
tüchtigkeit im langen Frieden erhalten. Der furchtbare Zwang bei den aller-
einfachsten Bewegungen des Körpers, wie z. B. das Strecken der Fußspitzen,
der Stelzenmarsch, die steife Kopfhaltung, die normale Winkelstellung der Arme
u. tgi. nöthigt den Soldaten, sobald er im Dienste ist, Körper und Geist in
der allerschärfsten Spannung zu erhalten. Keinen Augenblick darf der Ge¬
danke wo anders verweilen, sonst ist es unmöglich alle die kleinen Vorschriften
des Dienstes zu erfüllen, sonst wird die Gleichmäßigkeit in den Leistungen des
Ganzen gestört. -- Dieser Zwang giebt den Soldaten ganz in die Hand des
Vorgesetzten, lehrt ihn jeden Dienst als eine Summe von einzelnen Pflichten
zu erfassen und in allen Mühseligkeiten leicht zu ertragen. -- Auf der andern
Seite gewährt die Künstlichkeit des Dienstbetriebs dem Vorgesetzten das Mittel,
sein Uebergewicht mehr geltend zu machen, in dem Anziehen und Nachlassen
der Schärfen die Autorität zu üben, zu strafen und zu belohnen und selbst aus
dem Exercierplatz eine Anstrengung der Kräfte in einen kurzen Zeitraum der¬
artig zu concentriren. wie es nur selten der Krieg thut. Wer den Zauber
empfunden hat, den ein genialer Exerciermeister durch die Präcision des Com-
mandos, die Schärfe des Sehens, selbst des kleinsten Fehlers, durch die An¬
spannung der Kräfte bis zum höchsten Maße und das Nuhclassen in dem Mo¬
ment, wo dies Maß erreicht ist u. tgi., auszuüben versteht, der wird in unser
Urtheil einstimmen, daß es keine vollkommenere Kunst der Unterjochung des
Untergebenen giebt, als diese Exercicrkunst.


General des 3. und des Garde-Corps in jener Zeit gepflegt und unter seiner
Regierung wieder überall wach gerufen hätte. —

Glücklicherweise rief das Jahr 1848 neues politisches Leben hervor und
schuf Kriegsbildcr, aus denen die preußische Armee, ohne selbst bittere Erfahrungen
zu machen, lernen konnte, daß die freie Thätigkeit des zum Charakter entwickelten
Soldaten eine bedeutende militärische Leistungsfähigkeit besitze, welche jede Armee
ausbeuten müsse, um im Wettkampf bestehen zu können. Ohne die rege Theil¬
nahme des Prinzen Friedrich Karl für diese Richtung wäre sie aber nicht
zu der Geltung gekommen, die ihr jetzt zu Theil geworden ist. So hat sich in
der preußischen Armee aus alten Traditionen und neuer Intelligenz ein Modus
der Ausbildung entwickelt, der für die Infanterie sich in der Pflege von drei
Dicnstzweigen darstellt: 1) In der Paradedressur. 2) dem Schießen und 3) dem
Turnen und Fechten. — Auf die erstere wird die meiste Zeit verwendet, dann
folgt das Schießen und endlich der dritte Zweig, die Verwerthung der indivi¬
duellen Intelligenz und Thatkraft, das jüngste Kind der Zeit. Diese drei Dienst¬
zweige repräsentiren im Ganzen betrachtet die Disciplin, die Technik und den
kriegerischen Geist. — Wie sie jetzt in der preußischen Infanterie zu einander
stehen, soll kurz gesagt werden.

Das Hochhalten der Paradedrcssur hat der preußischen Armee ihre Kriegs¬
tüchtigkeit im langen Frieden erhalten. Der furchtbare Zwang bei den aller-
einfachsten Bewegungen des Körpers, wie z. B. das Strecken der Fußspitzen,
der Stelzenmarsch, die steife Kopfhaltung, die normale Winkelstellung der Arme
u. tgi. nöthigt den Soldaten, sobald er im Dienste ist, Körper und Geist in
der allerschärfsten Spannung zu erhalten. Keinen Augenblick darf der Ge¬
danke wo anders verweilen, sonst ist es unmöglich alle die kleinen Vorschriften
des Dienstes zu erfüllen, sonst wird die Gleichmäßigkeit in den Leistungen des
Ganzen gestört. — Dieser Zwang giebt den Soldaten ganz in die Hand des
Vorgesetzten, lehrt ihn jeden Dienst als eine Summe von einzelnen Pflichten
zu erfassen und in allen Mühseligkeiten leicht zu ertragen. — Auf der andern
Seite gewährt die Künstlichkeit des Dienstbetriebs dem Vorgesetzten das Mittel,
sein Uebergewicht mehr geltend zu machen, in dem Anziehen und Nachlassen
der Schärfen die Autorität zu üben, zu strafen und zu belohnen und selbst aus
dem Exercierplatz eine Anstrengung der Kräfte in einen kurzen Zeitraum der¬
artig zu concentriren. wie es nur selten der Krieg thut. Wer den Zauber
empfunden hat, den ein genialer Exerciermeister durch die Präcision des Com-
mandos, die Schärfe des Sehens, selbst des kleinsten Fehlers, durch die An¬
spannung der Kräfte bis zum höchsten Maße und das Nuhclassen in dem Mo¬
ment, wo dies Maß erreicht ist u. tgi., auszuüben versteht, der wird in unser
Urtheil einstimmen, daß es keine vollkommenere Kunst der Unterjochung des
Untergebenen giebt, als diese Exercicrkunst.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/246>, abgerufen am 03.07.2024.