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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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theils zur Besetzung unbedeutender Punkte verwendet, theils in einer unzähl¬
baren Reihe taktischer und strategischer Reserven aufgestellt, mithin zersplittert
und gelähmt wird. Dieser Erbfehler der östreichischen Kriegsführung macht sich
immer wieder geltend und wenn auch der commandirende General hiervon frei
ist, so wird er doch die nachtheiligen Folgen dieser Gewohnheit empfinden, da
seine Untergebenen gewiß darnach verfahren.

Aber immerhin hatte man einen Erfolg "für sich, man hatte sogar einige
sichtbare Zeichen dieses Erfolges erlangt, die Oestreicher hatten nicht etwa eine
Kanone wie weiland bei Magenta"), sondern mehre Kanonen, metallene und
eiserne, gezogene und ungezogene erobert! -- Was lag also näher, als eine
feierliche und möglichst bemerkbare Ueberführung und Schaustellung dieser
Geschütze und anderweitigen Trophäen? Ob der Gedanke hierzu von Wien,
wo man im verflossenen Jahre der Regulirung des Paradeplatzes wegen sogar
auf mehre Paraden hatte verzichten müssen und daher nach irgendeinem mili¬
tärischen Dccvrations- und Spcctakelstück doppeltes Verlangen hegen mußte,
oder von Hr. v. Gab lenz ausgegangen, welcher Glanztableaux nicht abgeneigt
sein soll, ist von keinem Belang, da die Sache auf jeden Fall geschehen wäre.
Indessen hat die Ausführung der Idee manche Lächerlichkeit im Gefolge gehabt
und ist über die Grenzen des erlaubten Siegerstolzes ausgedehnt worden.

General v. Gablenz hatte die Uebersendung der dänischen Trophäen mit
gutem Schick und Sinn ins Werk zu setzen gewußt. Acht Kanonen verschiedenen
Kalibers, darunter ein gezogenes Feldgeschütz und ein Vierundachtzigpfündcr,
wurden sofort unter der Escorte des Hauptmannes Eder (des Mannes mit
dem neunfach durchlöcherten Mantel) und zwölf mit Medaillen decorirter Sol¬
daten auf der Eisenbahn von Rendsburg nach Oestreich abgesendet. Daß man
hierbei nicht die absolut Ausgezeichnetsten des ganzen Corps auswählte, son¬
dern jeder Waffengattung und jedem Regimente einen Decorirten entnahm,
mochte Vieles für sich haben. Wenigstens wurde allen Streitigkeiten und Klagen
der verschiedenen Abtheilungen vorgebeugt. -- Ohne besonderes Aufsehen fuhren
die "Decorirten" mit ihren Trophäen durch Preußen.

Aber in Wien waren die Vorbereitungen, Erwartung und Lärm nur um
desto größer. Kaum war die Nachricht von der Absendung der Trophäe" nach
Wien gelangt, als auch schon Tag für Tag Neugierige auf den Nordbahnhof
eilten, um die Ankunft des "Zuges mit den dänischen Kanonen" abzuwarten.
Aber die Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn außer der ohnedem
durch den Ausenthalt in allen größeren Zwischenstationen sehr verzögerten Fahrt
der Geschütze wurde zuletzi auch noch eine Brücke in der Nähe von Ollmütz



') Obendrein machten mehre Regimenter auf die Ehre der Eroberung dieser einen Kanone
Anspruch! --^

theils zur Besetzung unbedeutender Punkte verwendet, theils in einer unzähl¬
baren Reihe taktischer und strategischer Reserven aufgestellt, mithin zersplittert
und gelähmt wird. Dieser Erbfehler der östreichischen Kriegsführung macht sich
immer wieder geltend und wenn auch der commandirende General hiervon frei
ist, so wird er doch die nachtheiligen Folgen dieser Gewohnheit empfinden, da
seine Untergebenen gewiß darnach verfahren.

Aber immerhin hatte man einen Erfolg "für sich, man hatte sogar einige
sichtbare Zeichen dieses Erfolges erlangt, die Oestreicher hatten nicht etwa eine
Kanone wie weiland bei Magenta"), sondern mehre Kanonen, metallene und
eiserne, gezogene und ungezogene erobert! — Was lag also näher, als eine
feierliche und möglichst bemerkbare Ueberführung und Schaustellung dieser
Geschütze und anderweitigen Trophäen? Ob der Gedanke hierzu von Wien,
wo man im verflossenen Jahre der Regulirung des Paradeplatzes wegen sogar
auf mehre Paraden hatte verzichten müssen und daher nach irgendeinem mili¬
tärischen Dccvrations- und Spcctakelstück doppeltes Verlangen hegen mußte,
oder von Hr. v. Gab lenz ausgegangen, welcher Glanztableaux nicht abgeneigt
sein soll, ist von keinem Belang, da die Sache auf jeden Fall geschehen wäre.
Indessen hat die Ausführung der Idee manche Lächerlichkeit im Gefolge gehabt
und ist über die Grenzen des erlaubten Siegerstolzes ausgedehnt worden.

General v. Gablenz hatte die Uebersendung der dänischen Trophäen mit
gutem Schick und Sinn ins Werk zu setzen gewußt. Acht Kanonen verschiedenen
Kalibers, darunter ein gezogenes Feldgeschütz und ein Vierundachtzigpfündcr,
wurden sofort unter der Escorte des Hauptmannes Eder (des Mannes mit
dem neunfach durchlöcherten Mantel) und zwölf mit Medaillen decorirter Sol¬
daten auf der Eisenbahn von Rendsburg nach Oestreich abgesendet. Daß man
hierbei nicht die absolut Ausgezeichnetsten des ganzen Corps auswählte, son¬
dern jeder Waffengattung und jedem Regimente einen Decorirten entnahm,
mochte Vieles für sich haben. Wenigstens wurde allen Streitigkeiten und Klagen
der verschiedenen Abtheilungen vorgebeugt. — Ohne besonderes Aufsehen fuhren
die „Decorirten" mit ihren Trophäen durch Preußen.

Aber in Wien waren die Vorbereitungen, Erwartung und Lärm nur um
desto größer. Kaum war die Nachricht von der Absendung der Trophäe» nach
Wien gelangt, als auch schon Tag für Tag Neugierige auf den Nordbahnhof
eilten, um die Ankunft des „Zuges mit den dänischen Kanonen" abzuwarten.
Aber die Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn außer der ohnedem
durch den Ausenthalt in allen größeren Zwischenstationen sehr verzögerten Fahrt
der Geschütze wurde zuletzi auch noch eine Brücke in der Nähe von Ollmütz



') Obendrein machten mehre Regimenter auf die Ehre der Eroberung dieser einen Kanone
Anspruch! —^
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[0238] theils zur Besetzung unbedeutender Punkte verwendet, theils in einer unzähl¬ baren Reihe taktischer und strategischer Reserven aufgestellt, mithin zersplittert und gelähmt wird. Dieser Erbfehler der östreichischen Kriegsführung macht sich immer wieder geltend und wenn auch der commandirende General hiervon frei ist, so wird er doch die nachtheiligen Folgen dieser Gewohnheit empfinden, da seine Untergebenen gewiß darnach verfahren. Aber immerhin hatte man einen Erfolg "für sich, man hatte sogar einige sichtbare Zeichen dieses Erfolges erlangt, die Oestreicher hatten nicht etwa eine Kanone wie weiland bei Magenta"), sondern mehre Kanonen, metallene und eiserne, gezogene und ungezogene erobert! — Was lag also näher, als eine feierliche und möglichst bemerkbare Ueberführung und Schaustellung dieser Geschütze und anderweitigen Trophäen? Ob der Gedanke hierzu von Wien, wo man im verflossenen Jahre der Regulirung des Paradeplatzes wegen sogar auf mehre Paraden hatte verzichten müssen und daher nach irgendeinem mili¬ tärischen Dccvrations- und Spcctakelstück doppeltes Verlangen hegen mußte, oder von Hr. v. Gab lenz ausgegangen, welcher Glanztableaux nicht abgeneigt sein soll, ist von keinem Belang, da die Sache auf jeden Fall geschehen wäre. Indessen hat die Ausführung der Idee manche Lächerlichkeit im Gefolge gehabt und ist über die Grenzen des erlaubten Siegerstolzes ausgedehnt worden. General v. Gablenz hatte die Uebersendung der dänischen Trophäen mit gutem Schick und Sinn ins Werk zu setzen gewußt. Acht Kanonen verschiedenen Kalibers, darunter ein gezogenes Feldgeschütz und ein Vierundachtzigpfündcr, wurden sofort unter der Escorte des Hauptmannes Eder (des Mannes mit dem neunfach durchlöcherten Mantel) und zwölf mit Medaillen decorirter Sol¬ daten auf der Eisenbahn von Rendsburg nach Oestreich abgesendet. Daß man hierbei nicht die absolut Ausgezeichnetsten des ganzen Corps auswählte, son¬ dern jeder Waffengattung und jedem Regimente einen Decorirten entnahm, mochte Vieles für sich haben. Wenigstens wurde allen Streitigkeiten und Klagen der verschiedenen Abtheilungen vorgebeugt. — Ohne besonderes Aufsehen fuhren die „Decorirten" mit ihren Trophäen durch Preußen. Aber in Wien waren die Vorbereitungen, Erwartung und Lärm nur um desto größer. Kaum war die Nachricht von der Absendung der Trophäe» nach Wien gelangt, als auch schon Tag für Tag Neugierige auf den Nordbahnhof eilten, um die Ankunft des „Zuges mit den dänischen Kanonen" abzuwarten. Aber die Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn außer der ohnedem durch den Ausenthalt in allen größeren Zwischenstationen sehr verzögerten Fahrt der Geschütze wurde zuletzi auch noch eine Brücke in der Nähe von Ollmütz ') Obendrein machten mehre Regimenter auf die Ehre der Eroberung dieser einen Kanone Anspruch! —^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/238>, abgerufen am 03.07.2024.