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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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der drei ersten Jahrhunderte ist, in ihrem Unterschied gesondert und in ihrer
gegenseitigen Beziehung verfolgt, alle einzelnen Züge, die zum Charakter einer
in einer so inhaltreichen Bewegung begriffenen Zeit gehören, soviel möglich,
zu einem in sich harmonischen Bild vereinigt" werden sollten; ein echtes
Geschichtswerk auch in dem Sinne, daß nun eine populärere Darstellung, ein
historischer Stil angestrebt, die kritische Begründung auf das Nothwendigste
beschränkt und die Neigung zur Speculation, die den früheren Werken anhaftete,
zurückgedrängt wurde. Abermals that hier Baur einen Schritt vorwärts, in¬
dem er nun den Schlußstein zum Ganzen fügte und den Eintritt des Christen¬
thums in die Weit, die Person Jesu und sein Werk in den Kreis der Dar¬
stellung zog. Da aber Baur an diese zusammenfassende Arbeit erst dann ging,
nachdem seine Untersuchungen durch mitforschende talentvolle Schüler ergänzt
und weiter geführt worden waren, so ist es Zeit, sich dem Kreis dieser jüngeren
Kräfte zuzuwenden und ihren Antheil an der geschichtliche" Durchforschung des
Urchristenthuins zu übersehen.




Selten noch mag ein Fürst so in dem vollen und frischen Glänze der
Popularität vom Tode ereilt worden sein, als der jüngst verstorbene König
von Bayern. Zu der dynastischen Gesinnung, in der das bayrische Volk von
jeher auf das engste mit seinen Regenten verbunden war, zu der Hochachtung
und Belehrung gegen einen persönlich höchst respectabeln Fürsten kam in den
letzten Monaten der Regierung Maximilians des Zweiten noch die freudige
Zustimmung, welche die Haltung des Monarchen in der Schleswig-holsteinischen
Frage in der ganzen Bevölkerung Bayerns fand, eine Haltung, die, so wenig
thatkräftig und fruchtbringend sie auch war, doch gegenüber der Politik anderer
deutschen Regierungen zum mindesten ehrlich und rechtlich, vielleicht sogar
national genannt werden konnte. Der plötzliche Eintritt des Todes endlich war
allenthalben im Lande von so erschütternder Wirkung, daß auch denen, die
sonst wohl geneigt waren, den Maßstab einer besonnenen Kritik an die Hand¬
lungen des Königs zu legen, die Stimmung fehlte, in einem Separatvotum
ihr Urtheil von dem der überwiegenden Mehrheit des Volkes zu trennen. So


der drei ersten Jahrhunderte ist, in ihrem Unterschied gesondert und in ihrer
gegenseitigen Beziehung verfolgt, alle einzelnen Züge, die zum Charakter einer
in einer so inhaltreichen Bewegung begriffenen Zeit gehören, soviel möglich,
zu einem in sich harmonischen Bild vereinigt" werden sollten; ein echtes
Geschichtswerk auch in dem Sinne, daß nun eine populärere Darstellung, ein
historischer Stil angestrebt, die kritische Begründung auf das Nothwendigste
beschränkt und die Neigung zur Speculation, die den früheren Werken anhaftete,
zurückgedrängt wurde. Abermals that hier Baur einen Schritt vorwärts, in¬
dem er nun den Schlußstein zum Ganzen fügte und den Eintritt des Christen¬
thums in die Weit, die Person Jesu und sein Werk in den Kreis der Dar¬
stellung zog. Da aber Baur an diese zusammenfassende Arbeit erst dann ging,
nachdem seine Untersuchungen durch mitforschende talentvolle Schüler ergänzt
und weiter geführt worden waren, so ist es Zeit, sich dem Kreis dieser jüngeren
Kräfte zuzuwenden und ihren Antheil an der geschichtliche» Durchforschung des
Urchristenthuins zu übersehen.




Selten noch mag ein Fürst so in dem vollen und frischen Glänze der
Popularität vom Tode ereilt worden sein, als der jüngst verstorbene König
von Bayern. Zu der dynastischen Gesinnung, in der das bayrische Volk von
jeher auf das engste mit seinen Regenten verbunden war, zu der Hochachtung
und Belehrung gegen einen persönlich höchst respectabeln Fürsten kam in den
letzten Monaten der Regierung Maximilians des Zweiten noch die freudige
Zustimmung, welche die Haltung des Monarchen in der Schleswig-holsteinischen
Frage in der ganzen Bevölkerung Bayerns fand, eine Haltung, die, so wenig
thatkräftig und fruchtbringend sie auch war, doch gegenüber der Politik anderer
deutschen Regierungen zum mindesten ehrlich und rechtlich, vielleicht sogar
national genannt werden konnte. Der plötzliche Eintritt des Todes endlich war
allenthalben im Lande von so erschütternder Wirkung, daß auch denen, die
sonst wohl geneigt waren, den Maßstab einer besonnenen Kritik an die Hand¬
lungen des Königs zu legen, die Stimmung fehlte, in einem Separatvotum
ihr Urtheil von dem der überwiegenden Mehrheit des Volkes zu trennen. So


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[0150] der drei ersten Jahrhunderte ist, in ihrem Unterschied gesondert und in ihrer gegenseitigen Beziehung verfolgt, alle einzelnen Züge, die zum Charakter einer in einer so inhaltreichen Bewegung begriffenen Zeit gehören, soviel möglich, zu einem in sich harmonischen Bild vereinigt" werden sollten; ein echtes Geschichtswerk auch in dem Sinne, daß nun eine populärere Darstellung, ein historischer Stil angestrebt, die kritische Begründung auf das Nothwendigste beschränkt und die Neigung zur Speculation, die den früheren Werken anhaftete, zurückgedrängt wurde. Abermals that hier Baur einen Schritt vorwärts, in¬ dem er nun den Schlußstein zum Ganzen fügte und den Eintritt des Christen¬ thums in die Weit, die Person Jesu und sein Werk in den Kreis der Dar¬ stellung zog. Da aber Baur an diese zusammenfassende Arbeit erst dann ging, nachdem seine Untersuchungen durch mitforschende talentvolle Schüler ergänzt und weiter geführt worden waren, so ist es Zeit, sich dem Kreis dieser jüngeren Kräfte zuzuwenden und ihren Antheil an der geschichtliche» Durchforschung des Urchristenthuins zu übersehen. Selten noch mag ein Fürst so in dem vollen und frischen Glänze der Popularität vom Tode ereilt worden sein, als der jüngst verstorbene König von Bayern. Zu der dynastischen Gesinnung, in der das bayrische Volk von jeher auf das engste mit seinen Regenten verbunden war, zu der Hochachtung und Belehrung gegen einen persönlich höchst respectabeln Fürsten kam in den letzten Monaten der Regierung Maximilians des Zweiten noch die freudige Zustimmung, welche die Haltung des Monarchen in der Schleswig-holsteinischen Frage in der ganzen Bevölkerung Bayerns fand, eine Haltung, die, so wenig thatkräftig und fruchtbringend sie auch war, doch gegenüber der Politik anderer deutschen Regierungen zum mindesten ehrlich und rechtlich, vielleicht sogar national genannt werden konnte. Der plötzliche Eintritt des Todes endlich war allenthalben im Lande von so erschütternder Wirkung, daß auch denen, die sonst wohl geneigt waren, den Maßstab einer besonnenen Kritik an die Hand¬ lungen des Königs zu legen, die Stimmung fehlte, in einem Separatvotum ihr Urtheil von dem der überwiegenden Mehrheit des Volkes zu trennen. So

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/150>, abgerufen am 23.07.2024.