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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und erträglich ksang, für das alte Salongeklingel erkannten, als das. was ab¬
solut neu war, mihtönig und unverständlich klang und langweilig dazu, da
gingen den Leuten die Augen auf. Sie haben sich an, schämten sich wohl auch
ein wenig, gingest still von dannen, und die Vorstellung war zu Ende, zu
Ende für alle Zeiten. Diejenigen aber, welche draußen geblieben waren, sahen
die enttäuschten Gesichter an, und durch die Seele summte ihnen den Refrain:

Berlioz Wesen hier näher zu beleuchte" ist weder der Ort noch die Ge¬
legenheit. Seine neueste Oper Benedict und Beatrice beweist, daß er einfach
und verständlich schreiben kann, wenn er will, und daß er nicht nur ^ein geist¬
reicher Mann, sondern auch ein Musiker ist, der über Stimmung und Empfin¬
dung, wenn auch nicht in überreichen Maße, gebietet. Und schon hierin unter¬
scheidet er sich wesentlich von Liszt. Noch mehr aber ist dies der Fall mit
Richard Wagner, der in früherer Zeit eine so glänzende, eingehende und tref¬
fende Beurtheilung in diesen Blättern erfahre" hat, daß wir derselben etwas
hinzufügen weder wollen noch können, wir halten sie für abschließend. Der
unläugbar begabte und von großer Energie getragene Cvmpo"ist ist auf dem
betretenen Wege weiter geschritten. Eine Oper nach der anderen erscheint.
Tristan und Isolde, das Rheingold, die Meistersinger von Nürnberg, alle im
gleichen und bereits bekannten Sinne geschrieben. Der Unterschied ist kein
qualitativer, sondern nur noch ein quantitativer; denn allerdings wird seine
letzte große Oper als Trilogie behandelt sein und dem Vernehmen nach drei
Abende in Anspruch nehmen. Man wird ein Bedenken, wohin das führen
sott, nicht unterdrücken können. Er sieht so gänzlich von den realen Vor¬
bedingungen der Bühne, des Orchesters und der Sänger ab, welche seine
Werke zur Erscheinung bringen sollen, daß ihm mit der Zeit nothwendig auch
jede Einwirkungsfähigkeit auf das Publicum entgehen wird. Aber wenn auch
der Wagner-Enthusiasmus bereits etwas abgenommen zu haben scheint, so ist es
doch dahin noch lange nicht gekommen. Denn wir haben keinen Grund daran
zu zweifeln, daß ein Publicum. welches, augenscheinlich erfreut, einen Abend
hindurch die fast lärmend zu nennende wagnersche Musik anhört, nicht auch
drei aufeinanderfolgende Abende diesem Vergnügen opfern werde.

Wir haben es hier also in doppeltem Sinne mit einer Ecscheistung von
längerer Dauer zu thun, und schon hierin scheint uns ein Beweis für die un¬
gleich größere Bedeutung derselben zu liegen. Der Erfolg wird lehren, was
für einen bleibenden Gewinn die Musik aus Wagners Schöpfungen ziehen wird.

Wir haben versucht, einige Beiträge zu liefern für den Rechnungsabschluß


und erträglich ksang, für das alte Salongeklingel erkannten, als das. was ab¬
solut neu war, mihtönig und unverständlich klang und langweilig dazu, da
gingen den Leuten die Augen auf. Sie haben sich an, schämten sich wohl auch
ein wenig, gingest still von dannen, und die Vorstellung war zu Ende, zu
Ende für alle Zeiten. Diejenigen aber, welche draußen geblieben waren, sahen
die enttäuschten Gesichter an, und durch die Seele summte ihnen den Refrain:

Berlioz Wesen hier näher zu beleuchte» ist weder der Ort noch die Ge¬
legenheit. Seine neueste Oper Benedict und Beatrice beweist, daß er einfach
und verständlich schreiben kann, wenn er will, und daß er nicht nur ^ein geist¬
reicher Mann, sondern auch ein Musiker ist, der über Stimmung und Empfin¬
dung, wenn auch nicht in überreichen Maße, gebietet. Und schon hierin unter¬
scheidet er sich wesentlich von Liszt. Noch mehr aber ist dies der Fall mit
Richard Wagner, der in früherer Zeit eine so glänzende, eingehende und tref¬
fende Beurtheilung in diesen Blättern erfahre» hat, daß wir derselben etwas
hinzufügen weder wollen noch können, wir halten sie für abschließend. Der
unläugbar begabte und von großer Energie getragene Cvmpo»ist ist auf dem
betretenen Wege weiter geschritten. Eine Oper nach der anderen erscheint.
Tristan und Isolde, das Rheingold, die Meistersinger von Nürnberg, alle im
gleichen und bereits bekannten Sinne geschrieben. Der Unterschied ist kein
qualitativer, sondern nur noch ein quantitativer; denn allerdings wird seine
letzte große Oper als Trilogie behandelt sein und dem Vernehmen nach drei
Abende in Anspruch nehmen. Man wird ein Bedenken, wohin das führen
sott, nicht unterdrücken können. Er sieht so gänzlich von den realen Vor¬
bedingungen der Bühne, des Orchesters und der Sänger ab, welche seine
Werke zur Erscheinung bringen sollen, daß ihm mit der Zeit nothwendig auch
jede Einwirkungsfähigkeit auf das Publicum entgehen wird. Aber wenn auch
der Wagner-Enthusiasmus bereits etwas abgenommen zu haben scheint, so ist es
doch dahin noch lange nicht gekommen. Denn wir haben keinen Grund daran
zu zweifeln, daß ein Publicum. welches, augenscheinlich erfreut, einen Abend
hindurch die fast lärmend zu nennende wagnersche Musik anhört, nicht auch
drei aufeinanderfolgende Abende diesem Vergnügen opfern werde.

Wir haben es hier also in doppeltem Sinne mit einer Ecscheistung von
längerer Dauer zu thun, und schon hierin scheint uns ein Beweis für die un¬
gleich größere Bedeutung derselben zu liegen. Der Erfolg wird lehren, was
für einen bleibenden Gewinn die Musik aus Wagners Schöpfungen ziehen wird.

Wir haben versucht, einige Beiträge zu liefern für den Rechnungsabschluß


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[0084] und erträglich ksang, für das alte Salongeklingel erkannten, als das. was ab¬ solut neu war, mihtönig und unverständlich klang und langweilig dazu, da gingen den Leuten die Augen auf. Sie haben sich an, schämten sich wohl auch ein wenig, gingest still von dannen, und die Vorstellung war zu Ende, zu Ende für alle Zeiten. Diejenigen aber, welche draußen geblieben waren, sahen die enttäuschten Gesichter an, und durch die Seele summte ihnen den Refrain: Berlioz Wesen hier näher zu beleuchte» ist weder der Ort noch die Ge¬ legenheit. Seine neueste Oper Benedict und Beatrice beweist, daß er einfach und verständlich schreiben kann, wenn er will, und daß er nicht nur ^ein geist¬ reicher Mann, sondern auch ein Musiker ist, der über Stimmung und Empfin¬ dung, wenn auch nicht in überreichen Maße, gebietet. Und schon hierin unter¬ scheidet er sich wesentlich von Liszt. Noch mehr aber ist dies der Fall mit Richard Wagner, der in früherer Zeit eine so glänzende, eingehende und tref¬ fende Beurtheilung in diesen Blättern erfahre» hat, daß wir derselben etwas hinzufügen weder wollen noch können, wir halten sie für abschließend. Der unläugbar begabte und von großer Energie getragene Cvmpo»ist ist auf dem betretenen Wege weiter geschritten. Eine Oper nach der anderen erscheint. Tristan und Isolde, das Rheingold, die Meistersinger von Nürnberg, alle im gleichen und bereits bekannten Sinne geschrieben. Der Unterschied ist kein qualitativer, sondern nur noch ein quantitativer; denn allerdings wird seine letzte große Oper als Trilogie behandelt sein und dem Vernehmen nach drei Abende in Anspruch nehmen. Man wird ein Bedenken, wohin das führen sott, nicht unterdrücken können. Er sieht so gänzlich von den realen Vor¬ bedingungen der Bühne, des Orchesters und der Sänger ab, welche seine Werke zur Erscheinung bringen sollen, daß ihm mit der Zeit nothwendig auch jede Einwirkungsfähigkeit auf das Publicum entgehen wird. Aber wenn auch der Wagner-Enthusiasmus bereits etwas abgenommen zu haben scheint, so ist es doch dahin noch lange nicht gekommen. Denn wir haben keinen Grund daran zu zweifeln, daß ein Publicum. welches, augenscheinlich erfreut, einen Abend hindurch die fast lärmend zu nennende wagnersche Musik anhört, nicht auch drei aufeinanderfolgende Abende diesem Vergnügen opfern werde. Wir haben es hier also in doppeltem Sinne mit einer Ecscheistung von längerer Dauer zu thun, und schon hierin scheint uns ein Beweis für die un¬ gleich größere Bedeutung derselben zu liegen. Der Erfolg wird lehren, was für einen bleibenden Gewinn die Musik aus Wagners Schöpfungen ziehen wird. Wir haben versucht, einige Beiträge zu liefern für den Rechnungsabschluß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/84>, abgerufen am 24.07.2024.