Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sind ja wohl auch einer von den aus der Gefangenschaft befreiten Offizieren?"
Auf meine Bejahung ersuchte er mich, ihn in seine Wohnung zu begleiten;
denn Se. Majestät hätten befohlen, es solle für uns gesorgt werden; er würde
mir ein Schreiben an den General Grafen v. Lottum geben, das ich selbst zu ihm
tragen solle. Ich begleitete den Hauptmann, der sich jetzt sehr theilnehmend
nach unserer Geschichte erkundigte und mir das Schreiben nebst Anzeige der
Wohnung des Grasen übergab. Ich lies sogleich hin, erfuhr aber zu meinem
Leidwesen, daß der General beim Könige sei und wahrscheinlich vor Abends
neun Uhr nicht zu sprechen sein werde. So kehrte ich denn in mein Quartier
zurück, wo alle ausgeflogen waren.

Ich war eine Zeit lang allein in unserm Zimmer, da hörte ich vor demselben ein
Geschrei von einer Frauenstimme. Ich reiße die Thür auf und sehe einen von unsern
Burschen, denselben, der uns in Montmirail die Suppe gekocht hatte, sich gegen ein
anständig gekleidete junges Mädchen Brutalitäten erlauben. Ich fuhr mit einem
Donnerwetter auf den Kerl los, der sofort das Hasenpanier ergriff. Das Mädchen,
die Tochter des Wirths, war außer sich. Sie dankte mir inständig und sagte,
wenn ich je wieder Troyes passtrte, solle ich nirgends anders einkehren als hier
bei ihrem Bater. Wie schön hat sie mir später den kleinen Dienst, der noch
nur Schuldigkeit war, vergolten! Ich war hungrig vom Herumlaufen und bat
sie um etwas Wein und Brod, was ich denn auch sogleich erhielt.

Mit Sehnsucht erwarteten wir den Abend, wo ich mich zum Grafen Lottum be¬
gab. Hier wurde ich gleich vorgelassen und sehr wohlwollend empfangen. Der Ge¬
neral ließ sich genau unsere traurigen Verhältnisse schildern und erklärte, er wolle mir
für jeden von uns ein monatliches Gehalt incl. Feldzulage geben, worüber ich ihm
Quittung ausstellen solle. Rasch fertigte ich eine Liste an, auf welcher ich alle
die betreffenden unterstützungsbedürftigen Offiziere mit ihren Namen und mit
Angabe der Regimenter, bei welchen sie standen, aufführte. Dann erhielt ich
alles in englischen Goldstücken aus der Chatullc unseres Königs, und schlie߬
lich gab mir der Graf ein Schreiben an den Oberkriegscommissär, dessen
Wohnung er mir sagte, und befahl mir, heute noch zu ihm zu gehen; er sei
angewiesen, was er an Kleidungsstücken, Wäsche und dergleichen besäße, an
uns abzugeben. Ich verfügte mich sofort dahin, traf den Herrn glücklicherweise
zu Hause und erhielt ohne weiteres die Versicherung, was da sei, solle ich be¬
kommen; nur Kleidungsstücke habe er nicht, blos etwas Wäsche. Zu den
Kleidungsstücken wollte er mir jedoch Material geben, zu welchem Zweck er mich
auf den andern Morgen früh neun Uhr an einen Ort bestellte, wo er sein klei¬
nes Magazin hatte. Die Freude meiner Kameraden, als ich einem jeden die
schönen Goldstücke einhändigte, war groß. Andern Tages begab ich mich ver-
abredetermaßen in das Magazin, wo ich für jeden von uns ein paar gute,


8*

sind ja wohl auch einer von den aus der Gefangenschaft befreiten Offizieren?"
Auf meine Bejahung ersuchte er mich, ihn in seine Wohnung zu begleiten;
denn Se. Majestät hätten befohlen, es solle für uns gesorgt werden; er würde
mir ein Schreiben an den General Grafen v. Lottum geben, das ich selbst zu ihm
tragen solle. Ich begleitete den Hauptmann, der sich jetzt sehr theilnehmend
nach unserer Geschichte erkundigte und mir das Schreiben nebst Anzeige der
Wohnung des Grasen übergab. Ich lies sogleich hin, erfuhr aber zu meinem
Leidwesen, daß der General beim Könige sei und wahrscheinlich vor Abends
neun Uhr nicht zu sprechen sein werde. So kehrte ich denn in mein Quartier
zurück, wo alle ausgeflogen waren.

Ich war eine Zeit lang allein in unserm Zimmer, da hörte ich vor demselben ein
Geschrei von einer Frauenstimme. Ich reiße die Thür auf und sehe einen von unsern
Burschen, denselben, der uns in Montmirail die Suppe gekocht hatte, sich gegen ein
anständig gekleidete junges Mädchen Brutalitäten erlauben. Ich fuhr mit einem
Donnerwetter auf den Kerl los, der sofort das Hasenpanier ergriff. Das Mädchen,
die Tochter des Wirths, war außer sich. Sie dankte mir inständig und sagte,
wenn ich je wieder Troyes passtrte, solle ich nirgends anders einkehren als hier
bei ihrem Bater. Wie schön hat sie mir später den kleinen Dienst, der noch
nur Schuldigkeit war, vergolten! Ich war hungrig vom Herumlaufen und bat
sie um etwas Wein und Brod, was ich denn auch sogleich erhielt.

Mit Sehnsucht erwarteten wir den Abend, wo ich mich zum Grafen Lottum be¬
gab. Hier wurde ich gleich vorgelassen und sehr wohlwollend empfangen. Der Ge¬
neral ließ sich genau unsere traurigen Verhältnisse schildern und erklärte, er wolle mir
für jeden von uns ein monatliches Gehalt incl. Feldzulage geben, worüber ich ihm
Quittung ausstellen solle. Rasch fertigte ich eine Liste an, auf welcher ich alle
die betreffenden unterstützungsbedürftigen Offiziere mit ihren Namen und mit
Angabe der Regimenter, bei welchen sie standen, aufführte. Dann erhielt ich
alles in englischen Goldstücken aus der Chatullc unseres Königs, und schlie߬
lich gab mir der Graf ein Schreiben an den Oberkriegscommissär, dessen
Wohnung er mir sagte, und befahl mir, heute noch zu ihm zu gehen; er sei
angewiesen, was er an Kleidungsstücken, Wäsche und dergleichen besäße, an
uns abzugeben. Ich verfügte mich sofort dahin, traf den Herrn glücklicherweise
zu Hause und erhielt ohne weiteres die Versicherung, was da sei, solle ich be¬
kommen; nur Kleidungsstücke habe er nicht, blos etwas Wäsche. Zu den
Kleidungsstücken wollte er mir jedoch Material geben, zu welchem Zweck er mich
auf den andern Morgen früh neun Uhr an einen Ort bestellte, wo er sein klei¬
nes Magazin hatte. Die Freude meiner Kameraden, als ich einem jeden die
schönen Goldstücke einhändigte, war groß. Andern Tages begab ich mich ver-
abredetermaßen in das Magazin, wo ich für jeden von uns ein paar gute,


8*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0069" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116534"/>
          <p xml:id="ID_172" prev="#ID_171"> sind ja wohl auch einer von den aus der Gefangenschaft befreiten Offizieren?"<lb/>
Auf meine Bejahung ersuchte er mich, ihn in seine Wohnung zu begleiten;<lb/>
denn Se. Majestät hätten befohlen, es solle für uns gesorgt werden; er würde<lb/>
mir ein Schreiben an den General Grafen v. Lottum geben, das ich selbst zu ihm<lb/>
tragen solle. Ich begleitete den Hauptmann, der sich jetzt sehr theilnehmend<lb/>
nach unserer Geschichte erkundigte und mir das Schreiben nebst Anzeige der<lb/>
Wohnung des Grasen übergab. Ich lies sogleich hin, erfuhr aber zu meinem<lb/>
Leidwesen, daß der General beim Könige sei und wahrscheinlich vor Abends<lb/>
neun Uhr nicht zu sprechen sein werde. So kehrte ich denn in mein Quartier<lb/>
zurück, wo alle ausgeflogen waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_173"> Ich war eine Zeit lang allein in unserm Zimmer, da hörte ich vor demselben ein<lb/>
Geschrei von einer Frauenstimme. Ich reiße die Thür auf und sehe einen von unsern<lb/>
Burschen, denselben, der uns in Montmirail die Suppe gekocht hatte, sich gegen ein<lb/>
anständig gekleidete junges Mädchen Brutalitäten erlauben. Ich fuhr mit einem<lb/>
Donnerwetter auf den Kerl los, der sofort das Hasenpanier ergriff. Das Mädchen,<lb/>
die Tochter des Wirths, war außer sich. Sie dankte mir inständig und sagte,<lb/>
wenn ich je wieder Troyes passtrte, solle ich nirgends anders einkehren als hier<lb/>
bei ihrem Bater. Wie schön hat sie mir später den kleinen Dienst, der noch<lb/>
nur Schuldigkeit war, vergolten! Ich war hungrig vom Herumlaufen und bat<lb/>
sie um etwas Wein und Brod, was ich denn auch sogleich erhielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_174" next="#ID_175"> Mit Sehnsucht erwarteten wir den Abend, wo ich mich zum Grafen Lottum be¬<lb/>
gab. Hier wurde ich gleich vorgelassen und sehr wohlwollend empfangen. Der Ge¬<lb/>
neral ließ sich genau unsere traurigen Verhältnisse schildern und erklärte, er wolle mir<lb/>
für jeden von uns ein monatliches Gehalt incl. Feldzulage geben, worüber ich ihm<lb/>
Quittung ausstellen solle. Rasch fertigte ich eine Liste an, auf welcher ich alle<lb/>
die betreffenden unterstützungsbedürftigen Offiziere mit ihren Namen und mit<lb/>
Angabe der Regimenter, bei welchen sie standen, aufführte. Dann erhielt ich<lb/>
alles in englischen Goldstücken aus der Chatullc unseres Königs, und schlie߬<lb/>
lich gab mir der Graf ein Schreiben an den Oberkriegscommissär, dessen<lb/>
Wohnung er mir sagte, und befahl mir, heute noch zu ihm zu gehen; er sei<lb/>
angewiesen, was er an Kleidungsstücken, Wäsche und dergleichen besäße, an<lb/>
uns abzugeben. Ich verfügte mich sofort dahin, traf den Herrn glücklicherweise<lb/>
zu Hause und erhielt ohne weiteres die Versicherung, was da sei, solle ich be¬<lb/>
kommen; nur Kleidungsstücke habe er nicht, blos etwas Wäsche. Zu den<lb/>
Kleidungsstücken wollte er mir jedoch Material geben, zu welchem Zweck er mich<lb/>
auf den andern Morgen früh neun Uhr an einen Ort bestellte, wo er sein klei¬<lb/>
nes Magazin hatte. Die Freude meiner Kameraden, als ich einem jeden die<lb/>
schönen Goldstücke einhändigte, war groß. Andern Tages begab ich mich ver-<lb/>
abredetermaßen in das Magazin, wo ich für jeden von uns ein paar gute,</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 8*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0069] sind ja wohl auch einer von den aus der Gefangenschaft befreiten Offizieren?" Auf meine Bejahung ersuchte er mich, ihn in seine Wohnung zu begleiten; denn Se. Majestät hätten befohlen, es solle für uns gesorgt werden; er würde mir ein Schreiben an den General Grafen v. Lottum geben, das ich selbst zu ihm tragen solle. Ich begleitete den Hauptmann, der sich jetzt sehr theilnehmend nach unserer Geschichte erkundigte und mir das Schreiben nebst Anzeige der Wohnung des Grasen übergab. Ich lies sogleich hin, erfuhr aber zu meinem Leidwesen, daß der General beim Könige sei und wahrscheinlich vor Abends neun Uhr nicht zu sprechen sein werde. So kehrte ich denn in mein Quartier zurück, wo alle ausgeflogen waren. Ich war eine Zeit lang allein in unserm Zimmer, da hörte ich vor demselben ein Geschrei von einer Frauenstimme. Ich reiße die Thür auf und sehe einen von unsern Burschen, denselben, der uns in Montmirail die Suppe gekocht hatte, sich gegen ein anständig gekleidete junges Mädchen Brutalitäten erlauben. Ich fuhr mit einem Donnerwetter auf den Kerl los, der sofort das Hasenpanier ergriff. Das Mädchen, die Tochter des Wirths, war außer sich. Sie dankte mir inständig und sagte, wenn ich je wieder Troyes passtrte, solle ich nirgends anders einkehren als hier bei ihrem Bater. Wie schön hat sie mir später den kleinen Dienst, der noch nur Schuldigkeit war, vergolten! Ich war hungrig vom Herumlaufen und bat sie um etwas Wein und Brod, was ich denn auch sogleich erhielt. Mit Sehnsucht erwarteten wir den Abend, wo ich mich zum Grafen Lottum be¬ gab. Hier wurde ich gleich vorgelassen und sehr wohlwollend empfangen. Der Ge¬ neral ließ sich genau unsere traurigen Verhältnisse schildern und erklärte, er wolle mir für jeden von uns ein monatliches Gehalt incl. Feldzulage geben, worüber ich ihm Quittung ausstellen solle. Rasch fertigte ich eine Liste an, auf welcher ich alle die betreffenden unterstützungsbedürftigen Offiziere mit ihren Namen und mit Angabe der Regimenter, bei welchen sie standen, aufführte. Dann erhielt ich alles in englischen Goldstücken aus der Chatullc unseres Königs, und schlie߬ lich gab mir der Graf ein Schreiben an den Oberkriegscommissär, dessen Wohnung er mir sagte, und befahl mir, heute noch zu ihm zu gehen; er sei angewiesen, was er an Kleidungsstücken, Wäsche und dergleichen besäße, an uns abzugeben. Ich verfügte mich sofort dahin, traf den Herrn glücklicherweise zu Hause und erhielt ohne weiteres die Versicherung, was da sei, solle ich be¬ kommen; nur Kleidungsstücke habe er nicht, blos etwas Wäsche. Zu den Kleidungsstücken wollte er mir jedoch Material geben, zu welchem Zweck er mich auf den andern Morgen früh neun Uhr an einen Ort bestellte, wo er sein klei¬ nes Magazin hatte. Die Freude meiner Kameraden, als ich einem jeden die schönen Goldstücke einhändigte, war groß. Andern Tages begab ich mich ver- abredetermaßen in das Magazin, wo ich für jeden von uns ein paar gute, 8*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/69
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/69>, abgerufen am 24.07.2024.