Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

besaitete Seelen in Betreff der Todten, und selbst die eignen Kameraden waren
ihnen mit ihrem kleinen Besitz gute Beute, An einer Stelle war ein Däne
auf die Knie und das Gesicht gefallen, so daß ein gewisser Theil seines Hinter-
sörpers stark hervorstand. Einer der Jäger stieß ihn mit den Worten: "Ein
feister Bursch gewesen" mit dem Fuß gegen diesen Theil, und der Kamerad
zu dem er dies äußerte, schien die Bemerkung uur belachenswerth, nicht, wie
wir Andern, viehisch zu finden. Ein Anderer bemühte sich, einem der Todten
die buntgestrickten Pulswärmer über die kalten geschwollnen Hände zu ziehen,
und da dies nicht gleich gelingen wollte, stemmte er den Fuß gegen die Seite
desselben. Wieder eine Anderer nahm die Feldflasche eines der Gefallenen,
setzte sie an den Mund, zog und schlürfte und klopfte, als sie sich leer erwies,
wiederholt daran, um die letzten Tropfen herauszuzwingen.
"

An einer.Stelle sah ich einen östreichischen Soldaten mit einem Civilisten
in Unterhandlung über einen Säbel, den er auf dem Schlachtfelde aufgelesen.
In der einen Hand trug jener ein ganzes Taschentuch voll andere Beute. Wie¬
der anderswo kauerte ein emsiger Veutcmacher neben einem Todten, um ihm
die Hosentasche zu leeren -- es nahm sich aus, wie wenn die Raben über das
Leichenfeld gerathen wären. Andere, wirkliche Raben, wie ein phantasievoller
Maler dieselben in der "Coburger Zeitung" gesehen haben will, waren so
wenig zu erblicken, wie die ausgehackten Augen, mit denen dieser schwer zu
befriedigende Herr die Wahlstatt zu verbessern bestrebt war. Eine Wahlstatt
ist, meineich, von Natur schon vollkommen grauenhaft genug, so daß man sie
in der Beschreibung nicht zu vergräßlichern braucht, um Wirkung bei dem ver-
ehrungswürdigen Publicum zu erzielen. Für einen gewissen Geschmack freilich
können die Farben nicht hoch genug aufgetragen werden.

Während wir bei der einen Lcichengruppe standen, näherte sich uns ein
ältlicher respectabler Herr in einem blauen Rock, der aus. der Gegend zu sein
schien und dem ich seiner würdigen Haltung nach für den Dorfschulzen von
Ocversee hielt. Er mischte sich in das Gespräch, erzählte Verschiedenes von dem
Gefecht und fragte dann, wie zufällig, ob man wohl die Leute hindern dürfte,
den gefallnen Pferden die Häute zu nehmen. Ich entschuldigte meine Unwissen¬
heit in diesem Capitel mit meiner Eigenschaft als Civilperson und Fremder.
"Ich möchte das aber doch gern erfahren," entgegnete er, "ich bin nämlich der
königlich concessionirte Abdecker." Auch einer der Raben des Schlachtfeldes,
wenn auch ein weniger unangenehmer, als die Panduren und Kroaten in Mon-
tur, welche die Todten mit Füßen traten und ihre eignen Leute plünderten. "

Neben einem der todten Dänen -- er lag auf dem Gesicht, und eine Stück¬
kugel hatte ihm das ganze Gesäß weggerissen -- fanden wir einen leeren
Tornister und neben diesem wieder einen Brief in dänischer Sprache, der jeden¬
falls dem Besitzer des Tornisters angehört und den der Plünderer als werthlos


besaitete Seelen in Betreff der Todten, und selbst die eignen Kameraden waren
ihnen mit ihrem kleinen Besitz gute Beute, An einer Stelle war ein Däne
auf die Knie und das Gesicht gefallen, so daß ein gewisser Theil seines Hinter-
sörpers stark hervorstand. Einer der Jäger stieß ihn mit den Worten: „Ein
feister Bursch gewesen" mit dem Fuß gegen diesen Theil, und der Kamerad
zu dem er dies äußerte, schien die Bemerkung uur belachenswerth, nicht, wie
wir Andern, viehisch zu finden. Ein Anderer bemühte sich, einem der Todten
die buntgestrickten Pulswärmer über die kalten geschwollnen Hände zu ziehen,
und da dies nicht gleich gelingen wollte, stemmte er den Fuß gegen die Seite
desselben. Wieder eine Anderer nahm die Feldflasche eines der Gefallenen,
setzte sie an den Mund, zog und schlürfte und klopfte, als sie sich leer erwies,
wiederholt daran, um die letzten Tropfen herauszuzwingen.
"

An einer.Stelle sah ich einen östreichischen Soldaten mit einem Civilisten
in Unterhandlung über einen Säbel, den er auf dem Schlachtfelde aufgelesen.
In der einen Hand trug jener ein ganzes Taschentuch voll andere Beute. Wie¬
der anderswo kauerte ein emsiger Veutcmacher neben einem Todten, um ihm
die Hosentasche zu leeren — es nahm sich aus, wie wenn die Raben über das
Leichenfeld gerathen wären. Andere, wirkliche Raben, wie ein phantasievoller
Maler dieselben in der „Coburger Zeitung" gesehen haben will, waren so
wenig zu erblicken, wie die ausgehackten Augen, mit denen dieser schwer zu
befriedigende Herr die Wahlstatt zu verbessern bestrebt war. Eine Wahlstatt
ist, meineich, von Natur schon vollkommen grauenhaft genug, so daß man sie
in der Beschreibung nicht zu vergräßlichern braucht, um Wirkung bei dem ver-
ehrungswürdigen Publicum zu erzielen. Für einen gewissen Geschmack freilich
können die Farben nicht hoch genug aufgetragen werden.

Während wir bei der einen Lcichengruppe standen, näherte sich uns ein
ältlicher respectabler Herr in einem blauen Rock, der aus. der Gegend zu sein
schien und dem ich seiner würdigen Haltung nach für den Dorfschulzen von
Ocversee hielt. Er mischte sich in das Gespräch, erzählte Verschiedenes von dem
Gefecht und fragte dann, wie zufällig, ob man wohl die Leute hindern dürfte,
den gefallnen Pferden die Häute zu nehmen. Ich entschuldigte meine Unwissen¬
heit in diesem Capitel mit meiner Eigenschaft als Civilperson und Fremder.
„Ich möchte das aber doch gern erfahren," entgegnete er, „ich bin nämlich der
königlich concessionirte Abdecker." Auch einer der Raben des Schlachtfeldes,
wenn auch ein weniger unangenehmer, als die Panduren und Kroaten in Mon-
tur, welche die Todten mit Füßen traten und ihre eignen Leute plünderten. "

Neben einem der todten Dänen — er lag auf dem Gesicht, und eine Stück¬
kugel hatte ihm das ganze Gesäß weggerissen — fanden wir einen leeren
Tornister und neben diesem wieder einen Brief in dänischer Sprache, der jeden¬
falls dem Besitzer des Tornisters angehört und den der Plünderer als werthlos


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0472" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116938"/>
          <p xml:id="ID_1471" prev="#ID_1470"> besaitete Seelen in Betreff der Todten, und selbst die eignen Kameraden waren<lb/>
ihnen mit ihrem kleinen Besitz gute Beute, An einer Stelle war ein Däne<lb/>
auf die Knie und das Gesicht gefallen, so daß ein gewisser Theil seines Hinter-<lb/>
sörpers stark hervorstand. Einer der Jäger stieß ihn mit den Worten: &#x201E;Ein<lb/>
feister Bursch gewesen" mit dem Fuß gegen diesen Theil, und der Kamerad<lb/>
zu dem er dies äußerte, schien die Bemerkung uur belachenswerth, nicht, wie<lb/>
wir Andern, viehisch zu finden. Ein Anderer bemühte sich, einem der Todten<lb/>
die buntgestrickten Pulswärmer über die kalten geschwollnen Hände zu ziehen,<lb/>
und da dies nicht gleich gelingen wollte, stemmte er den Fuß gegen die Seite<lb/>
desselben. Wieder eine Anderer nahm die Feldflasche eines der Gefallenen,<lb/>
setzte sie an den Mund, zog und schlürfte und klopfte, als sie sich leer erwies,<lb/>
wiederholt daran, um die letzten Tropfen herauszuzwingen.<lb/>
"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1472"> An einer.Stelle sah ich einen östreichischen Soldaten mit einem Civilisten<lb/>
in Unterhandlung über einen Säbel, den er auf dem Schlachtfelde aufgelesen.<lb/>
In der einen Hand trug jener ein ganzes Taschentuch voll andere Beute. Wie¬<lb/>
der anderswo kauerte ein emsiger Veutcmacher neben einem Todten, um ihm<lb/>
die Hosentasche zu leeren &#x2014; es nahm sich aus, wie wenn die Raben über das<lb/>
Leichenfeld gerathen wären. Andere, wirkliche Raben, wie ein phantasievoller<lb/>
Maler dieselben in der &#x201E;Coburger Zeitung" gesehen haben will, waren so<lb/>
wenig zu erblicken, wie die ausgehackten Augen, mit denen dieser schwer zu<lb/>
befriedigende Herr die Wahlstatt zu verbessern bestrebt war. Eine Wahlstatt<lb/>
ist, meineich, von Natur schon vollkommen grauenhaft genug, so daß man sie<lb/>
in der Beschreibung nicht zu vergräßlichern braucht, um Wirkung bei dem ver-<lb/>
ehrungswürdigen Publicum zu erzielen. Für einen gewissen Geschmack freilich<lb/>
können die Farben nicht hoch genug aufgetragen werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1473"> Während wir bei der einen Lcichengruppe standen, näherte sich uns ein<lb/>
ältlicher respectabler Herr in einem blauen Rock, der aus. der Gegend zu sein<lb/>
schien und dem ich seiner würdigen Haltung nach für den Dorfschulzen von<lb/>
Ocversee hielt. Er mischte sich in das Gespräch, erzählte Verschiedenes von dem<lb/>
Gefecht und fragte dann, wie zufällig, ob man wohl die Leute hindern dürfte,<lb/>
den gefallnen Pferden die Häute zu nehmen. Ich entschuldigte meine Unwissen¬<lb/>
heit in diesem Capitel mit meiner Eigenschaft als Civilperson und Fremder.<lb/>
&#x201E;Ich möchte das aber doch gern erfahren," entgegnete er, &#x201E;ich bin nämlich der<lb/>
königlich concessionirte Abdecker." Auch einer der Raben des Schlachtfeldes,<lb/>
wenn auch ein weniger unangenehmer, als die Panduren und Kroaten in Mon-<lb/>
tur, welche die Todten mit Füßen traten und ihre eignen Leute plünderten. "</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1474" next="#ID_1475"> Neben einem der todten Dänen &#x2014; er lag auf dem Gesicht, und eine Stück¬<lb/>
kugel hatte ihm das ganze Gesäß weggerissen &#x2014; fanden wir einen leeren<lb/>
Tornister und neben diesem wieder einen Brief in dänischer Sprache, der jeden¬<lb/>
falls dem Besitzer des Tornisters angehört und den der Plünderer als werthlos</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0472] besaitete Seelen in Betreff der Todten, und selbst die eignen Kameraden waren ihnen mit ihrem kleinen Besitz gute Beute, An einer Stelle war ein Däne auf die Knie und das Gesicht gefallen, so daß ein gewisser Theil seines Hinter- sörpers stark hervorstand. Einer der Jäger stieß ihn mit den Worten: „Ein feister Bursch gewesen" mit dem Fuß gegen diesen Theil, und der Kamerad zu dem er dies äußerte, schien die Bemerkung uur belachenswerth, nicht, wie wir Andern, viehisch zu finden. Ein Anderer bemühte sich, einem der Todten die buntgestrickten Pulswärmer über die kalten geschwollnen Hände zu ziehen, und da dies nicht gleich gelingen wollte, stemmte er den Fuß gegen die Seite desselben. Wieder eine Anderer nahm die Feldflasche eines der Gefallenen, setzte sie an den Mund, zog und schlürfte und klopfte, als sie sich leer erwies, wiederholt daran, um die letzten Tropfen herauszuzwingen. " An einer.Stelle sah ich einen östreichischen Soldaten mit einem Civilisten in Unterhandlung über einen Säbel, den er auf dem Schlachtfelde aufgelesen. In der einen Hand trug jener ein ganzes Taschentuch voll andere Beute. Wie¬ der anderswo kauerte ein emsiger Veutcmacher neben einem Todten, um ihm die Hosentasche zu leeren — es nahm sich aus, wie wenn die Raben über das Leichenfeld gerathen wären. Andere, wirkliche Raben, wie ein phantasievoller Maler dieselben in der „Coburger Zeitung" gesehen haben will, waren so wenig zu erblicken, wie die ausgehackten Augen, mit denen dieser schwer zu befriedigende Herr die Wahlstatt zu verbessern bestrebt war. Eine Wahlstatt ist, meineich, von Natur schon vollkommen grauenhaft genug, so daß man sie in der Beschreibung nicht zu vergräßlichern braucht, um Wirkung bei dem ver- ehrungswürdigen Publicum zu erzielen. Für einen gewissen Geschmack freilich können die Farben nicht hoch genug aufgetragen werden. Während wir bei der einen Lcichengruppe standen, näherte sich uns ein ältlicher respectabler Herr in einem blauen Rock, der aus. der Gegend zu sein schien und dem ich seiner würdigen Haltung nach für den Dorfschulzen von Ocversee hielt. Er mischte sich in das Gespräch, erzählte Verschiedenes von dem Gefecht und fragte dann, wie zufällig, ob man wohl die Leute hindern dürfte, den gefallnen Pferden die Häute zu nehmen. Ich entschuldigte meine Unwissen¬ heit in diesem Capitel mit meiner Eigenschaft als Civilperson und Fremder. „Ich möchte das aber doch gern erfahren," entgegnete er, „ich bin nämlich der königlich concessionirte Abdecker." Auch einer der Raben des Schlachtfeldes, wenn auch ein weniger unangenehmer, als die Panduren und Kroaten in Mon- tur, welche die Todten mit Füßen traten und ihre eignen Leute plünderten. " Neben einem der todten Dänen — er lag auf dem Gesicht, und eine Stück¬ kugel hatte ihm das ganze Gesäß weggerissen — fanden wir einen leeren Tornister und neben diesem wieder einen Brief in dänischer Sprache, der jeden¬ falls dem Besitzer des Tornisters angehört und den der Plünderer als werthlos

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/472
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/472>, abgerufen am 24.07.2024.