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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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welches das versammelte Publicum einstimmte, das linker Conn6 setzte sich
mit den Aussteifenden in Verbindung und vertheilte das Programm, nach
welchem die einzelnen Acte des Tages sich ordnen sollten.

Nachdem die Ankömmlinge sich in verschiedenen Localen erholt und gestärkt,
zogen sie in einzelnen Haufen, um die mitgebrachten Städte- und Landschafts¬
fahnen gesammelt, gegen IIV2 Uhr nach der Nikolaikirche, um dem für diese
Gelegenheit angeordneten Gottesdienste beizuwohnen. Bald war die ziemlich
geräumige Kirche im Schiff wie auf dem Chor und den obern Stuhlreihen Kopf
an Kopf gefüllt. Die Züge hatten ihre Fahnen mitgebracht, unter den An¬
wesenden befanden sich zahlreiche Frauen aller Stände. Der Gottesdienst war
in seiner Gliederung zunächst Ausdruck des Dankes, dann der Hoffnung und
des Vertrauens, daß der Sieg der guten Sache sich vollenden werde. Man
sang zuerst das Lied: "In allen meinen Thaten laß ich den Höchsten rathen."
Dann verlas Pastor Schrader, hervorragend durch eifrigen Patriotismus unter
seinen Amtsbrüdern, den neunten Psalm, das berühmte Danklied Davids für
erhaltenen Sieg Wider die Feinde. Diese Wahl war vortrefflich. Nräcl'lig
klangen durch die lautlose Kirche die alten Worte: "Du führest mein Recht und
Sache aus, du sitzest auf dem Stuhl ein gerechter Richter." Ergreifend erschallte
es. von neuem wahr und lebendig geworden: "Herr sei mir gnädig, siehe an
mein Elend unter den Feinden, der du mich erhebest aus den Thoren des
Todes!" -- "Ach. daß die Gottlosen müßten zur Hölle gekehret werden, alle
Heiden, die Gottes vergessen. Herr stehe auf. daß Menschen nicht Ueberhand
knegen. laß alle Widersacher vor dir gerichtet werden. Gieb ihnen, Herr, einen
Meister, daß die Heiden erkennen, daß sie Menschen sind."

An welche gottvergessene Heiden ich und mit mir vermuthlich die große
Mehrzahl hierbei dachte, welchen Meister wir erwarten, die Frivolität der Wider¬
sacher zu demüthigen, braucht wohl nicht gesagt zu werden.

Nachdem man noch das Lied: "Ein Fels ist Gott und Gottes Arm der
feste Schild des Frommen" gesungen, bestieg Pastor Schrader die Kanzel, um
eine kräftige Predigt zu thun, in der er zunächst "die Männer aus dem theuren
Bruderlandc" begrüßte, "welche, nachdem der Feind mit Gottes Hilfe Vertrieben,
zu einem großen und heiligen Werke hierher gekommen," dann Gott zu loben
und ihm zu danken aufforderte, daß er über Erwarten schnell aus der Noth
und der Gewalt der Widersacher geholfen als ein Liebhaber der Gerechtigkeit
und ein solcher, der Menschenherzen lenken kann wie Wasserbäche, und dann
zu dem Gedanken, daß man noch nicht am Ziele, und zum Ausdruck der Hoff¬
nung überging, Gott werde weiter helfen und den Sieg krönen. "Recht muß
doch Recht bleiben," rief der Redner aus, "und alle frommen Herzen sollen dem zu¬
fallen. Dies paßt so recht eigentlich auf uns. Wir wollen mit unsern Nach¬
barn in Frieden leben, wir verlangen nur unser Recht, sie aber wollen Gewalt,


welches das versammelte Publicum einstimmte, das linker Conn6 setzte sich
mit den Aussteifenden in Verbindung und vertheilte das Programm, nach
welchem die einzelnen Acte des Tages sich ordnen sollten.

Nachdem die Ankömmlinge sich in verschiedenen Localen erholt und gestärkt,
zogen sie in einzelnen Haufen, um die mitgebrachten Städte- und Landschafts¬
fahnen gesammelt, gegen IIV2 Uhr nach der Nikolaikirche, um dem für diese
Gelegenheit angeordneten Gottesdienste beizuwohnen. Bald war die ziemlich
geräumige Kirche im Schiff wie auf dem Chor und den obern Stuhlreihen Kopf
an Kopf gefüllt. Die Züge hatten ihre Fahnen mitgebracht, unter den An¬
wesenden befanden sich zahlreiche Frauen aller Stände. Der Gottesdienst war
in seiner Gliederung zunächst Ausdruck des Dankes, dann der Hoffnung und
des Vertrauens, daß der Sieg der guten Sache sich vollenden werde. Man
sang zuerst das Lied: „In allen meinen Thaten laß ich den Höchsten rathen."
Dann verlas Pastor Schrader, hervorragend durch eifrigen Patriotismus unter
seinen Amtsbrüdern, den neunten Psalm, das berühmte Danklied Davids für
erhaltenen Sieg Wider die Feinde. Diese Wahl war vortrefflich. Nräcl'lig
klangen durch die lautlose Kirche die alten Worte: „Du führest mein Recht und
Sache aus, du sitzest auf dem Stuhl ein gerechter Richter." Ergreifend erschallte
es. von neuem wahr und lebendig geworden: „Herr sei mir gnädig, siehe an
mein Elend unter den Feinden, der du mich erhebest aus den Thoren des
Todes!" — „Ach. daß die Gottlosen müßten zur Hölle gekehret werden, alle
Heiden, die Gottes vergessen. Herr stehe auf. daß Menschen nicht Ueberhand
knegen. laß alle Widersacher vor dir gerichtet werden. Gieb ihnen, Herr, einen
Meister, daß die Heiden erkennen, daß sie Menschen sind."

An welche gottvergessene Heiden ich und mit mir vermuthlich die große
Mehrzahl hierbei dachte, welchen Meister wir erwarten, die Frivolität der Wider¬
sacher zu demüthigen, braucht wohl nicht gesagt zu werden.

Nachdem man noch das Lied: „Ein Fels ist Gott und Gottes Arm der
feste Schild des Frommen" gesungen, bestieg Pastor Schrader die Kanzel, um
eine kräftige Predigt zu thun, in der er zunächst „die Männer aus dem theuren
Bruderlandc" begrüßte, „welche, nachdem der Feind mit Gottes Hilfe Vertrieben,
zu einem großen und heiligen Werke hierher gekommen," dann Gott zu loben
und ihm zu danken aufforderte, daß er über Erwarten schnell aus der Noth
und der Gewalt der Widersacher geholfen als ein Liebhaber der Gerechtigkeit
und ein solcher, der Menschenherzen lenken kann wie Wasserbäche, und dann
zu dem Gedanken, daß man noch nicht am Ziele, und zum Ausdruck der Hoff¬
nung überging, Gott werde weiter helfen und den Sieg krönen. „Recht muß
doch Recht bleiben," rief der Redner aus, „und alle frommen Herzen sollen dem zu¬
fallen. Dies paßt so recht eigentlich auf uns. Wir wollen mit unsern Nach¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/403>, abgerufen am 01.07.2024.