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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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und die deshalb sich zu compromittiren fürchteten. Aehnlich war die Stimmung
an der jütischen Grenze und in der Gegend von Lygumkloster gewesen, und
ähnlich auch in der Nachbarschaft von Apenrade und Hadersleben, wo sonst
alle Wohlhabenden deutsch gesinnt sind. Doch kam überall in Nordschleswig
noch der äußere Umstand hinzu, daß die dortigen Dörfer sehr stark mit Militär
belegt waren, und daß unter solchen Verhältnissen niemand gern sein Hauswesen
verließ. Endlich mag die geringere Vertretung der nördlichen Districte bei der De¬
putation auch daraus erklärt werden , daß dieselben von Kiel am weitesten entfernt
sind und daß die Eisenbahn ihnen den Weg weniger kürzt als den Südschleswigern.
Beim leipziger Turnfest war fast die Hälfte der Theilnehmer aus Sachsen und
Thüringen, der unmittelbaren Umgebung des Centrums, und Südbayern; der
Oberrhein und die entfernteren Gegenden Norddeutschlands hatten nur wenige
Repräsentanten gesandt. Daß eine Volksabstimmung über die Frage, ob dänisch,
ob Schleswig-holsteinisch oder, was dasselbe: ob Friedrich der Achte oder Christian
der Neunte, in Schleswig die ungeheure Mehrheit auf Schleswig-Holsteins Und
Friedrichs Seite zeigen würde, leidet nicht den leisesten Zweifel; daß eine
solche, wenn die Rache der Dänen nicht zu fürchten wäre, auch die Majorität
der Nordschleswiger für Herzog Friedrich sich erklären lassen würde, ist allen
Berichten zufolge ebenso sicher.

Die Oestreicher hatten den Wahlen kein Hinderniß in den Weg gelegt, die
Preußen im Ganzen auch nicht. Doch hatten unter den letzteren einige Offiziere
nicht unterlassen können, eine Art Amtsmiene zu machen und ihre Mißbilligung
der "Demonstration" kundzugeben. So in Eckernförde und so in Gettorf im
dänischen Wohld, wo die Wahl einer andern Version zufolge geradezu verboten
wurde. Und noch stärker in Rendsburg, wo der Commandant des Kronwerks,
Major Blumenthal, den beabsichtigten feierlichen Empfang der von Schleswig
kommenden Deputation durch die Bürgerschaft verhinderte, indem er dem Ad-
vocat Gottburgsen erklärte, daß er dies nicht gestatten werde, und zu diesem
Zweck eine Compagnie Infanterie anmarschiren ließ, worauf die nach dem
Bahnhof gezogenen Zünfte und Turner sich entfernten. Natürlich hatte man
die Brüder aus Schleswig in dem nicht von Preußen besetzten Theile Rends¬
burgs um so feierlicher und lauter empfangen, und in Kiel hatte man sich ge¬
rüstet, dasselbe zu thun.

Schon am Morgen war die ganze Stadt bis in die äußersten Quartiere
auf dem Kuhberg und jenseits des kleinen Kiel mit Schleswig-holsteinischen
Fahnen und deutschen Tricoloren geschmückt. Eine Deputation von kieler Bür¬
gern erwartete den Extrazug, der die Gäste aus dem Norden bringen sollte,
auf dem Perron der Bahnhofshalle.

11V" Uhr erschien der mit allerlei Grün und Fahnen verzierte Zug. Ein
Musikcorps spielte das Lied vom meerumschlungenen Schleswig-Holstein, in


und die deshalb sich zu compromittiren fürchteten. Aehnlich war die Stimmung
an der jütischen Grenze und in der Gegend von Lygumkloster gewesen, und
ähnlich auch in der Nachbarschaft von Apenrade und Hadersleben, wo sonst
alle Wohlhabenden deutsch gesinnt sind. Doch kam überall in Nordschleswig
noch der äußere Umstand hinzu, daß die dortigen Dörfer sehr stark mit Militär
belegt waren, und daß unter solchen Verhältnissen niemand gern sein Hauswesen
verließ. Endlich mag die geringere Vertretung der nördlichen Districte bei der De¬
putation auch daraus erklärt werden , daß dieselben von Kiel am weitesten entfernt
sind und daß die Eisenbahn ihnen den Weg weniger kürzt als den Südschleswigern.
Beim leipziger Turnfest war fast die Hälfte der Theilnehmer aus Sachsen und
Thüringen, der unmittelbaren Umgebung des Centrums, und Südbayern; der
Oberrhein und die entfernteren Gegenden Norddeutschlands hatten nur wenige
Repräsentanten gesandt. Daß eine Volksabstimmung über die Frage, ob dänisch,
ob Schleswig-holsteinisch oder, was dasselbe: ob Friedrich der Achte oder Christian
der Neunte, in Schleswig die ungeheure Mehrheit auf Schleswig-Holsteins Und
Friedrichs Seite zeigen würde, leidet nicht den leisesten Zweifel; daß eine
solche, wenn die Rache der Dänen nicht zu fürchten wäre, auch die Majorität
der Nordschleswiger für Herzog Friedrich sich erklären lassen würde, ist allen
Berichten zufolge ebenso sicher.

Die Oestreicher hatten den Wahlen kein Hinderniß in den Weg gelegt, die
Preußen im Ganzen auch nicht. Doch hatten unter den letzteren einige Offiziere
nicht unterlassen können, eine Art Amtsmiene zu machen und ihre Mißbilligung
der „Demonstration" kundzugeben. So in Eckernförde und so in Gettorf im
dänischen Wohld, wo die Wahl einer andern Version zufolge geradezu verboten
wurde. Und noch stärker in Rendsburg, wo der Commandant des Kronwerks,
Major Blumenthal, den beabsichtigten feierlichen Empfang der von Schleswig
kommenden Deputation durch die Bürgerschaft verhinderte, indem er dem Ad-
vocat Gottburgsen erklärte, daß er dies nicht gestatten werde, und zu diesem
Zweck eine Compagnie Infanterie anmarschiren ließ, worauf die nach dem
Bahnhof gezogenen Zünfte und Turner sich entfernten. Natürlich hatte man
die Brüder aus Schleswig in dem nicht von Preußen besetzten Theile Rends¬
burgs um so feierlicher und lauter empfangen, und in Kiel hatte man sich ge¬
rüstet, dasselbe zu thun.

Schon am Morgen war die ganze Stadt bis in die äußersten Quartiere
auf dem Kuhberg und jenseits des kleinen Kiel mit Schleswig-holsteinischen
Fahnen und deutschen Tricoloren geschmückt. Eine Deputation von kieler Bür¬
gern erwartete den Extrazug, der die Gäste aus dem Norden bringen sollte,
auf dem Perron der Bahnhofshalle.

11V» Uhr erschien der mit allerlei Grün und Fahnen verzierte Zug. Ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/402>, abgerufen am 29.06.2024.