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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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wie solche nach und nach durch diese Reformen herbeigeführt wurden, in Kürze
zu schildern.

Gegenwärtig besteht der Stand des feldärztlichen Personals aus einem
Generalstabsarzt, 36 Oberstabsärzten, 24 Stabsärzten (Majorem), 352 Negi-
mentsärzten I. und II. Classe, 441 Oberärzten und 791 Oberwundärzten, Unter¬
ärzten und ärztlichen Gehilfen.

Diese Zahlen sprechen deutlich genug. Das Mißverhältniß zwischen der
Zahl der höhern und niedern Aerzte ist ein außerordentliches, so wie die Stel¬
lung' der untergeordneten Aerzte in jeder Beziehung eine durchaus unbefrie¬
digende ist.

Bei dem beständigen Wechsel der Garnisonen kann der Militärarzt nur
ausnahmsweise an die Erwerbung und Betreibung einer Privatpraxis denken,
sein Gehalt aber, z. B. für den Oberarzt (graduirten Doctor) jährlich 528 Fi.
reicht offenbar nicht aus, um nur seinem Stande gemäß zu leben oder sich
die Mittel zu seiner weiteren Ausbildung zu verschaffen. Daher wird nicht
leicht, außer im Falle eines Krieges oder übereilter Weise in einer augenblick¬
lichen Geldverlegenheit, irgendein talentvoller und kenntnißreicher junger Arzt
sich dazu bewegen lassen, als Oberarzt bei der Armee einzutreten. Da man dieses
voraussehen mochte, rief man die 1848 aufgehobene Josefsakadeiine, das so¬
genannte Jvsefinum, wieder ins Leben. Abgesehen von der gänzlichen Zweck-
losigkeit dieses Institutes (denn es wird wohl niemand behaupten wollen,
dasselbe könne bessere Aerzte bilden als die wiener oder prager Universität) und
von der Kostspieligkeit desselben, ist auch der bei der Placirung der Zöglinge
beobachtete Vorgang keineswegs ein billiger und zweckmäßiger. Es existirt
neben dem gewöhnlichen noch ein sogenannter niederer Lehrcurs, dessen Hörer
als Unterärzte, also ohne Hoffnung auf eine einstige Vorrückung bei den Trup¬
pen eingetheilt werden. Es kann also ein einziges mittelmäßig bestandenes
Examen (denn die Entscheidung, ob niederer oder höherer Lehrcurs, hängt von
der Bestimmung des Akademievorstandes ab) die Zukunft eines jungen Men¬
schen für immer vernichten. Weiter werden die austretenden Zöglinge
nicht etwa einfach zu Ober- und Unterärzten ernannt, sowie die Zöglinge der
verschiedenen Militärakademien sofort zu Offizieren ernannt werden, sondern sie
werden -- gleich gemeinen Soldaten -- als Aerzte assentirt und müssen sich
zu einer Dienstzeit von acht Jahren verpflichten, angeblich, damit dem Staate
die auf ihre Ausbildung verwendeten Kosten nicht verloren gehen. Bei keinem
Offizier oder Militärbeamten wird die Eingehung einer ähnlichen Verbindlich¬
keit gefordert.

Auch in anderer Beziehung stehen die Aerzte hinter den Offizieren und
Beamten zurück. Während die letzteren für irgendein Verdienst einen Orden
erhalten, wird der in gleichem Range stehende Arzt mit einem Verdienstkreuz


Grenzboten I. 1364. 60

wie solche nach und nach durch diese Reformen herbeigeführt wurden, in Kürze
zu schildern.

Gegenwärtig besteht der Stand des feldärztlichen Personals aus einem
Generalstabsarzt, 36 Oberstabsärzten, 24 Stabsärzten (Majorem), 352 Negi-
mentsärzten I. und II. Classe, 441 Oberärzten und 791 Oberwundärzten, Unter¬
ärzten und ärztlichen Gehilfen.

Diese Zahlen sprechen deutlich genug. Das Mißverhältniß zwischen der
Zahl der höhern und niedern Aerzte ist ein außerordentliches, so wie die Stel¬
lung' der untergeordneten Aerzte in jeder Beziehung eine durchaus unbefrie¬
digende ist.

Bei dem beständigen Wechsel der Garnisonen kann der Militärarzt nur
ausnahmsweise an die Erwerbung und Betreibung einer Privatpraxis denken,
sein Gehalt aber, z. B. für den Oberarzt (graduirten Doctor) jährlich 528 Fi.
reicht offenbar nicht aus, um nur seinem Stande gemäß zu leben oder sich
die Mittel zu seiner weiteren Ausbildung zu verschaffen. Daher wird nicht
leicht, außer im Falle eines Krieges oder übereilter Weise in einer augenblick¬
lichen Geldverlegenheit, irgendein talentvoller und kenntnißreicher junger Arzt
sich dazu bewegen lassen, als Oberarzt bei der Armee einzutreten. Da man dieses
voraussehen mochte, rief man die 1848 aufgehobene Josefsakadeiine, das so¬
genannte Jvsefinum, wieder ins Leben. Abgesehen von der gänzlichen Zweck-
losigkeit dieses Institutes (denn es wird wohl niemand behaupten wollen,
dasselbe könne bessere Aerzte bilden als die wiener oder prager Universität) und
von der Kostspieligkeit desselben, ist auch der bei der Placirung der Zöglinge
beobachtete Vorgang keineswegs ein billiger und zweckmäßiger. Es existirt
neben dem gewöhnlichen noch ein sogenannter niederer Lehrcurs, dessen Hörer
als Unterärzte, also ohne Hoffnung auf eine einstige Vorrückung bei den Trup¬
pen eingetheilt werden. Es kann also ein einziges mittelmäßig bestandenes
Examen (denn die Entscheidung, ob niederer oder höherer Lehrcurs, hängt von
der Bestimmung des Akademievorstandes ab) die Zukunft eines jungen Men¬
schen für immer vernichten. Weiter werden die austretenden Zöglinge
nicht etwa einfach zu Ober- und Unterärzten ernannt, sowie die Zöglinge der
verschiedenen Militärakademien sofort zu Offizieren ernannt werden, sondern sie
werden — gleich gemeinen Soldaten — als Aerzte assentirt und müssen sich
zu einer Dienstzeit von acht Jahren verpflichten, angeblich, damit dem Staate
die auf ihre Ausbildung verwendeten Kosten nicht verloren gehen. Bei keinem
Offizier oder Militärbeamten wird die Eingehung einer ähnlichen Verbindlich¬
keit gefordert.

Auch in anderer Beziehung stehen die Aerzte hinter den Offizieren und
Beamten zurück. Während die letzteren für irgendein Verdienst einen Orden
erhalten, wird der in gleichem Range stehende Arzt mit einem Verdienstkreuz


Grenzboten I. 1364. 60
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[0399] wie solche nach und nach durch diese Reformen herbeigeführt wurden, in Kürze zu schildern. Gegenwärtig besteht der Stand des feldärztlichen Personals aus einem Generalstabsarzt, 36 Oberstabsärzten, 24 Stabsärzten (Majorem), 352 Negi- mentsärzten I. und II. Classe, 441 Oberärzten und 791 Oberwundärzten, Unter¬ ärzten und ärztlichen Gehilfen. Diese Zahlen sprechen deutlich genug. Das Mißverhältniß zwischen der Zahl der höhern und niedern Aerzte ist ein außerordentliches, so wie die Stel¬ lung' der untergeordneten Aerzte in jeder Beziehung eine durchaus unbefrie¬ digende ist. Bei dem beständigen Wechsel der Garnisonen kann der Militärarzt nur ausnahmsweise an die Erwerbung und Betreibung einer Privatpraxis denken, sein Gehalt aber, z. B. für den Oberarzt (graduirten Doctor) jährlich 528 Fi. reicht offenbar nicht aus, um nur seinem Stande gemäß zu leben oder sich die Mittel zu seiner weiteren Ausbildung zu verschaffen. Daher wird nicht leicht, außer im Falle eines Krieges oder übereilter Weise in einer augenblick¬ lichen Geldverlegenheit, irgendein talentvoller und kenntnißreicher junger Arzt sich dazu bewegen lassen, als Oberarzt bei der Armee einzutreten. Da man dieses voraussehen mochte, rief man die 1848 aufgehobene Josefsakadeiine, das so¬ genannte Jvsefinum, wieder ins Leben. Abgesehen von der gänzlichen Zweck- losigkeit dieses Institutes (denn es wird wohl niemand behaupten wollen, dasselbe könne bessere Aerzte bilden als die wiener oder prager Universität) und von der Kostspieligkeit desselben, ist auch der bei der Placirung der Zöglinge beobachtete Vorgang keineswegs ein billiger und zweckmäßiger. Es existirt neben dem gewöhnlichen noch ein sogenannter niederer Lehrcurs, dessen Hörer als Unterärzte, also ohne Hoffnung auf eine einstige Vorrückung bei den Trup¬ pen eingetheilt werden. Es kann also ein einziges mittelmäßig bestandenes Examen (denn die Entscheidung, ob niederer oder höherer Lehrcurs, hängt von der Bestimmung des Akademievorstandes ab) die Zukunft eines jungen Men¬ schen für immer vernichten. Weiter werden die austretenden Zöglinge nicht etwa einfach zu Ober- und Unterärzten ernannt, sowie die Zöglinge der verschiedenen Militärakademien sofort zu Offizieren ernannt werden, sondern sie werden — gleich gemeinen Soldaten — als Aerzte assentirt und müssen sich zu einer Dienstzeit von acht Jahren verpflichten, angeblich, damit dem Staate die auf ihre Ausbildung verwendeten Kosten nicht verloren gehen. Bei keinem Offizier oder Militärbeamten wird die Eingehung einer ähnlichen Verbindlich¬ keit gefordert. Auch in anderer Beziehung stehen die Aerzte hinter den Offizieren und Beamten zurück. Während die letzteren für irgendein Verdienst einen Orden erhalten, wird der in gleichem Range stehende Arzt mit einem Verdienstkreuz Grenzboten I. 1364. 60

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/399>, abgerufen am 01.07.2024.