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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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catesse benahmen. Man erkannte das von dem Gesetz gegen die Militärärzte
begangene Unrecht und das Unsinnige, welches darin lag, daß man einen
graduirten Doctor der Medicin einem gewöhnlichen Feldwebel gleichstellte, und
gab darum den Militärärzten freiwillig mehr, als ihnen nach dem Reglement
gebührte. Uebrigens konnte man von dem -- wenn auch nicht wissenschaftlich
gebildeten -- so doch gesetzten und durchaus ehrenhaften östreichischen Offizier-
corps jener Zeit auch nur das gefälligste und achtungsvollste Benehmen gegen
die Aerzte erwarten und es wurde denselben jede thunliche Erleichterung ge¬
stattet. So durften sie sich z. B. bei allen Gelegenheiten, wo sie nicht mit den
Truppen ausrückten, der Civiltleider bedienen und wurden bei der Zuweisung
zu den Assentirungscommisfionen oder in Spitäler thunlichst berücksichtigt. Auch
ließen sich selbst von militärischer Seite wiederholt Stimmen über die noth¬
wendige Verbesserung der Stellung der Feldärzte vernehmen.

Eine der ersten Neformmaßregeln des Jahres 1848 war daher auch die
Umgestaltung der feldärztlichen Branche. Man vermehrte die Zahl der Aerzte
und verbesserte ihre Stellung. Man gab den Aerzten nicht nur den Rang
und Titel, sondern auch die Abzeichen >der Offiziere, z. B. Hauptmann-Regi¬
mentsarzt, Oberlieutenant-Oberarzt u. dergl. Um den verdienten Unterärzten,
welche, weil sie kein Doctordiplom erworben hatten, auch auf keine Vorrückung
hoffen dursten, eine Verbesserung zukommen zu lassen, creirte man "Ober¬
wundärzte". --

Aber man hatte für die Schüler Aesculaps kaum etwas gethan, als man
es auch schon zu bereuen anfing und es ziemlich unverholen aussprach, daß
man "zu viel" gegeben habe. Bald schaffte man den Offizierstitel wieder ab,
obwohl man den Rang und die Abzeichen noch beibehielt, und machte die
Aerzte wieder zu sogenannten "Militärparteien". Später erhielten die Offiziere
als Distinctionszeichen gestickte Sterne aus dem Rockkragen -- und den Aerzten
würd- dieselbe Auszeichnung durch längere Zeit versagt. Melden, dieser durch
sein rohes und auffahrendes Wesen berüchtigte General, stürzte sogar einstmals
auf einen Regimentsarzt, welcher Sterne auf seinem Rockkragen trug, los und
drohte ihm diese Abzeichen auf offener Gasse mit dem Federmesser abzutrennen*)!

Es würde zu weitläufig sein, hier alle Reformen, welche die feldärztliche
Branche betrafen, speciell anzuführen und es möge genügen, die Verhältnisse,



") Ein junger Graf N,, Lieutenant bei der Cavallerie, Äußerte sich einst in einem öffent¬
lichen Loccile bei dem Ansichtigwcrdcn eines Oberarztes, "daß jetzt schon jeder Pflasterschmierer
das goldene Portevpse tragen dürfe." "Wenn ich das Portespse ablege," antwortete der Belei¬
digte, "so bleibe ich ein Pflasterschmierer, nämlich ein Doctor der Medizin und Chirurgie.
Thun Sie das Gleiche, so bleibt nur ein -- Pflastertreter!" Für diese Antwort mußte der
Arzt den Abschied nehmen.

catesse benahmen. Man erkannte das von dem Gesetz gegen die Militärärzte
begangene Unrecht und das Unsinnige, welches darin lag, daß man einen
graduirten Doctor der Medicin einem gewöhnlichen Feldwebel gleichstellte, und
gab darum den Militärärzten freiwillig mehr, als ihnen nach dem Reglement
gebührte. Uebrigens konnte man von dem — wenn auch nicht wissenschaftlich
gebildeten — so doch gesetzten und durchaus ehrenhaften östreichischen Offizier-
corps jener Zeit auch nur das gefälligste und achtungsvollste Benehmen gegen
die Aerzte erwarten und es wurde denselben jede thunliche Erleichterung ge¬
stattet. So durften sie sich z. B. bei allen Gelegenheiten, wo sie nicht mit den
Truppen ausrückten, der Civiltleider bedienen und wurden bei der Zuweisung
zu den Assentirungscommisfionen oder in Spitäler thunlichst berücksichtigt. Auch
ließen sich selbst von militärischer Seite wiederholt Stimmen über die noth¬
wendige Verbesserung der Stellung der Feldärzte vernehmen.

Eine der ersten Neformmaßregeln des Jahres 1848 war daher auch die
Umgestaltung der feldärztlichen Branche. Man vermehrte die Zahl der Aerzte
und verbesserte ihre Stellung. Man gab den Aerzten nicht nur den Rang
und Titel, sondern auch die Abzeichen >der Offiziere, z. B. Hauptmann-Regi¬
mentsarzt, Oberlieutenant-Oberarzt u. dergl. Um den verdienten Unterärzten,
welche, weil sie kein Doctordiplom erworben hatten, auch auf keine Vorrückung
hoffen dursten, eine Verbesserung zukommen zu lassen, creirte man „Ober¬
wundärzte". —

Aber man hatte für die Schüler Aesculaps kaum etwas gethan, als man
es auch schon zu bereuen anfing und es ziemlich unverholen aussprach, daß
man „zu viel" gegeben habe. Bald schaffte man den Offizierstitel wieder ab,
obwohl man den Rang und die Abzeichen noch beibehielt, und machte die
Aerzte wieder zu sogenannten „Militärparteien". Später erhielten die Offiziere
als Distinctionszeichen gestickte Sterne aus dem Rockkragen — und den Aerzten
würd- dieselbe Auszeichnung durch längere Zeit versagt. Melden, dieser durch
sein rohes und auffahrendes Wesen berüchtigte General, stürzte sogar einstmals
auf einen Regimentsarzt, welcher Sterne auf seinem Rockkragen trug, los und
drohte ihm diese Abzeichen auf offener Gasse mit dem Federmesser abzutrennen*)!

Es würde zu weitläufig sein, hier alle Reformen, welche die feldärztliche
Branche betrafen, speciell anzuführen und es möge genügen, die Verhältnisse,



") Ein junger Graf N,, Lieutenant bei der Cavallerie, Äußerte sich einst in einem öffent¬
lichen Loccile bei dem Ansichtigwcrdcn eines Oberarztes, „daß jetzt schon jeder Pflasterschmierer
das goldene Portevpse tragen dürfe." „Wenn ich das Portespse ablege," antwortete der Belei¬
digte, „so bleibe ich ein Pflasterschmierer, nämlich ein Doctor der Medizin und Chirurgie.
Thun Sie das Gleiche, so bleibt nur ein — Pflastertreter!" Für diese Antwort mußte der
Arzt den Abschied nehmen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/398>, abgerufen am 04.07.2024.