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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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abgefertigt; der Arzt hat nicht den Anspruch, für lange Dienstzeit in den Adel¬
stand erhoben zu werden und auch hinsichtlich einiger Geldbezüge ist er dem
Offizier nachgesetzt.

Aber das traurigste Schicksal ist jenes der fast die Hälfte des gesammten
ärztlichen Personals betragenden subalternen Aerzte. Der Posten eines Ober¬
wundarztes ist das Höchste, was ein Arzt dieser Kategorie jemals erreichen
kann. Dabei wird er jedoch nicht für besondere Posten verwendet, sondern ver¬
steht denselben Dienst wie alle übrigen Aerzte. Es besteht also, wie sich eine
schon vor längerer Zeit erschienene Broschüre äußert, das feldärztiiche Corps
aus zwei ganz verschiedenen Theilen, aus vollkommen ausgebildeten Aerzten
urtd aus Halbärzten, welche beide "den gleichen Dienst leisten und dieselben Ge¬
fahren zu ertragen haben, hinsichtlich ihrer Besoldung und späteren Versorgung
aber nach ganz verschiedenen Normen behandelt werden. Es sind also nur
zwei Fälle möglich. Die subalternen Aerzte können entweder den an sie ge¬
stellten Forderungen genügen und verdienen daher die gleichen Begünstigungen
wie die graduirten Aerzte, oder sie können ihren Pflichten nicht nachkommen
und dann ist selbst ihre geringe Besoldung noch eine Verschwendung der Staats¬
gelder, während den tauglichen Aerzten eine weit höhere Stellung gebühren
würde. Das ganze System ist also auf jeden Fall ebenso ungerecht als un¬
gereimt und ist von den vorzüglichsten Militär- und Civilärzten auch bereits
längst dafür erkannt worden. Daß demungeachtet keine Reform zum Bessern
erfolgt, ist eben nur die Schuld jener bureaukratischen Systemmänner, welche
sich von dem über die Stufen der zwölf Diätenclassen hinauf und hinabwälzen-
den Schlendrian nicht trennen und sich mit dem Gedanken, daß wenige, aber
gut bezahlte und zweckmäßig vertheilte Aerzte mehr als viele schlecht gezahlte
und schlecht verwendete leisten werden, nicht befreunden können. Denn obschon
keine Armee ein verhältnißmäßig gleich starkes ärztliches Personal besitzt, so
hat es doch noch in dem letzten Feldzuge nur zu oft an Aerzten und besonders
an geschickten Aerzten gefehlt, deren Abgang man -- freilich wieder nur in
quantitativer Beziehung durch abermalige Neuaufnahme von Aerzten (zuletzt
wurden ganz gewöhnliche Bartscherer als "feldärztliche Gehilfen" aufgenommen)
zu decken suchte, während sich bei den in Garnison zurückbleibenden Truppen
viele und fast gar nicht beschäftigte Aerzte befanden.




abgefertigt; der Arzt hat nicht den Anspruch, für lange Dienstzeit in den Adel¬
stand erhoben zu werden und auch hinsichtlich einiger Geldbezüge ist er dem
Offizier nachgesetzt.

Aber das traurigste Schicksal ist jenes der fast die Hälfte des gesammten
ärztlichen Personals betragenden subalternen Aerzte. Der Posten eines Ober¬
wundarztes ist das Höchste, was ein Arzt dieser Kategorie jemals erreichen
kann. Dabei wird er jedoch nicht für besondere Posten verwendet, sondern ver¬
steht denselben Dienst wie alle übrigen Aerzte. Es besteht also, wie sich eine
schon vor längerer Zeit erschienene Broschüre äußert, das feldärztiiche Corps
aus zwei ganz verschiedenen Theilen, aus vollkommen ausgebildeten Aerzten
urtd aus Halbärzten, welche beide "den gleichen Dienst leisten und dieselben Ge¬
fahren zu ertragen haben, hinsichtlich ihrer Besoldung und späteren Versorgung
aber nach ganz verschiedenen Normen behandelt werden. Es sind also nur
zwei Fälle möglich. Die subalternen Aerzte können entweder den an sie ge¬
stellten Forderungen genügen und verdienen daher die gleichen Begünstigungen
wie die graduirten Aerzte, oder sie können ihren Pflichten nicht nachkommen
und dann ist selbst ihre geringe Besoldung noch eine Verschwendung der Staats¬
gelder, während den tauglichen Aerzten eine weit höhere Stellung gebühren
würde. Das ganze System ist also auf jeden Fall ebenso ungerecht als un¬
gereimt und ist von den vorzüglichsten Militär- und Civilärzten auch bereits
längst dafür erkannt worden. Daß demungeachtet keine Reform zum Bessern
erfolgt, ist eben nur die Schuld jener bureaukratischen Systemmänner, welche
sich von dem über die Stufen der zwölf Diätenclassen hinauf und hinabwälzen-
den Schlendrian nicht trennen und sich mit dem Gedanken, daß wenige, aber
gut bezahlte und zweckmäßig vertheilte Aerzte mehr als viele schlecht gezahlte
und schlecht verwendete leisten werden, nicht befreunden können. Denn obschon
keine Armee ein verhältnißmäßig gleich starkes ärztliches Personal besitzt, so
hat es doch noch in dem letzten Feldzuge nur zu oft an Aerzten und besonders
an geschickten Aerzten gefehlt, deren Abgang man — freilich wieder nur in
quantitativer Beziehung durch abermalige Neuaufnahme von Aerzten (zuletzt
wurden ganz gewöhnliche Bartscherer als „feldärztliche Gehilfen" aufgenommen)
zu decken suchte, während sich bei den in Garnison zurückbleibenden Truppen
viele und fast gar nicht beschäftigte Aerzte befanden.




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[0400] abgefertigt; der Arzt hat nicht den Anspruch, für lange Dienstzeit in den Adel¬ stand erhoben zu werden und auch hinsichtlich einiger Geldbezüge ist er dem Offizier nachgesetzt. Aber das traurigste Schicksal ist jenes der fast die Hälfte des gesammten ärztlichen Personals betragenden subalternen Aerzte. Der Posten eines Ober¬ wundarztes ist das Höchste, was ein Arzt dieser Kategorie jemals erreichen kann. Dabei wird er jedoch nicht für besondere Posten verwendet, sondern ver¬ steht denselben Dienst wie alle übrigen Aerzte. Es besteht also, wie sich eine schon vor längerer Zeit erschienene Broschüre äußert, das feldärztiiche Corps aus zwei ganz verschiedenen Theilen, aus vollkommen ausgebildeten Aerzten urtd aus Halbärzten, welche beide "den gleichen Dienst leisten und dieselben Ge¬ fahren zu ertragen haben, hinsichtlich ihrer Besoldung und späteren Versorgung aber nach ganz verschiedenen Normen behandelt werden. Es sind also nur zwei Fälle möglich. Die subalternen Aerzte können entweder den an sie ge¬ stellten Forderungen genügen und verdienen daher die gleichen Begünstigungen wie die graduirten Aerzte, oder sie können ihren Pflichten nicht nachkommen und dann ist selbst ihre geringe Besoldung noch eine Verschwendung der Staats¬ gelder, während den tauglichen Aerzten eine weit höhere Stellung gebühren würde. Das ganze System ist also auf jeden Fall ebenso ungerecht als un¬ gereimt und ist von den vorzüglichsten Militär- und Civilärzten auch bereits längst dafür erkannt worden. Daß demungeachtet keine Reform zum Bessern erfolgt, ist eben nur die Schuld jener bureaukratischen Systemmänner, welche sich von dem über die Stufen der zwölf Diätenclassen hinauf und hinabwälzen- den Schlendrian nicht trennen und sich mit dem Gedanken, daß wenige, aber gut bezahlte und zweckmäßig vertheilte Aerzte mehr als viele schlecht gezahlte und schlecht verwendete leisten werden, nicht befreunden können. Denn obschon keine Armee ein verhältnißmäßig gleich starkes ärztliches Personal besitzt, so hat es doch noch in dem letzten Feldzuge nur zu oft an Aerzten und besonders an geschickten Aerzten gefehlt, deren Abgang man — freilich wieder nur in quantitativer Beziehung durch abermalige Neuaufnahme von Aerzten (zuletzt wurden ganz gewöhnliche Bartscherer als „feldärztliche Gehilfen" aufgenommen) zu decken suchte, während sich bei den in Garnison zurückbleibenden Truppen viele und fast gar nicht beschäftigte Aerzte befanden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/400>, abgerufen am 29.06.2024.