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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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als die Leistung zu schätzen. Ein Unteroffizier, der hinter mir einherschritt und
sich besonders kräftig dabei betheiligte, sang regelmäßig -- ich hörte es wohl
ein halb Dutzend Mal:

Offenbar verstand der gute Polak oder Raize nicht ein Wort von dem, was
er so eifrig in die Straße hinaussang. Möchte das hingehen, da die Soldaten
des Kaisers Franz Joseph nicht um Gesangsvorträge patriotischen Inhalts zu
halten, sondern um die Dänen verjagen zu helfen*) hier sind, so war die Art
und Weise, wie die zuerst eingerückten Regimenter sich in Betreff der von dem
Feind in Schloß Gottorf zurückgelassenen Militäreffecten verhalten, schon be¬
denklicher. Die Mannschaften hatten dieselben einfach als Privatbeute betrachtet,
sie unter sich getheilt und dann sofort mit dem Verkauf begonnen, der sich bei
der Niedrigkeit der geforderten Preise bald sehr lebhaft gestaltete und flott fort¬
währte, bis Offiziere dahinter kamen und der Naivetät dieser Naturkinder in
den üblichen Kraftworten den rechten Standpunkt anwiesen. Ehe dieser Ein¬
spruch erfolgte, hatte man neue Wollendecken bester Qualität, die später in den
Lazarethen bitter entbehrt wurden, das Stück für zwei bis drei Schilling Courant
kaufen können. Gutmüthige Bursche, diese Blauhosen den deutschen
Bruderländern an den Karpathen und jenseits der Theiß, fixe Soldaten, aber
man ist unter ihnen doch immer noch wie in Wallensteins Lager.

(Fortsetzung in nächster Nummer.)




Das administrative Personal der östreichischen Armee.
i.

Man hat Oestreich schon oft einen "Militärstaat" genannt. Wenn man
unter dieser Bezeichnung überhaupt nur einen Staat versteht, welcher eine an¬
sehnliche Militärmacht auf den Beinen erhält, so mag jene Behauptung richtig
sein. Denn trotz aller Reductionen, trotz aller gehabten Einbußen und trotz
aller besonders in den letzten Jahren gemachten Mißgriffe besitzt Oestreich --
wenigstens gegenwärtig -- noch immer eine der Zahl nach ganz respectable
Armee, welche in Bezug auf ihre Qualität zwar sehr Vieles zu wünschen übrig



-) Vermuthlich auch, um die Preußen zu beobachten und eventuell zu stören.
Grenzboten l. 1864. 49

als die Leistung zu schätzen. Ein Unteroffizier, der hinter mir einherschritt und
sich besonders kräftig dabei betheiligte, sang regelmäßig — ich hörte es wohl
ein halb Dutzend Mal:

Offenbar verstand der gute Polak oder Raize nicht ein Wort von dem, was
er so eifrig in die Straße hinaussang. Möchte das hingehen, da die Soldaten
des Kaisers Franz Joseph nicht um Gesangsvorträge patriotischen Inhalts zu
halten, sondern um die Dänen verjagen zu helfen*) hier sind, so war die Art
und Weise, wie die zuerst eingerückten Regimenter sich in Betreff der von dem
Feind in Schloß Gottorf zurückgelassenen Militäreffecten verhalten, schon be¬
denklicher. Die Mannschaften hatten dieselben einfach als Privatbeute betrachtet,
sie unter sich getheilt und dann sofort mit dem Verkauf begonnen, der sich bei
der Niedrigkeit der geforderten Preise bald sehr lebhaft gestaltete und flott fort¬
währte, bis Offiziere dahinter kamen und der Naivetät dieser Naturkinder in
den üblichen Kraftworten den rechten Standpunkt anwiesen. Ehe dieser Ein¬
spruch erfolgte, hatte man neue Wollendecken bester Qualität, die später in den
Lazarethen bitter entbehrt wurden, das Stück für zwei bis drei Schilling Courant
kaufen können. Gutmüthige Bursche, diese Blauhosen den deutschen
Bruderländern an den Karpathen und jenseits der Theiß, fixe Soldaten, aber
man ist unter ihnen doch immer noch wie in Wallensteins Lager.

(Fortsetzung in nächster Nummer.)




Das administrative Personal der östreichischen Armee.
i.

Man hat Oestreich schon oft einen „Militärstaat" genannt. Wenn man
unter dieser Bezeichnung überhaupt nur einen Staat versteht, welcher eine an¬
sehnliche Militärmacht auf den Beinen erhält, so mag jene Behauptung richtig
sein. Denn trotz aller Reductionen, trotz aller gehabten Einbußen und trotz
aller besonders in den letzten Jahren gemachten Mißgriffe besitzt Oestreich —
wenigstens gegenwärtig — noch immer eine der Zahl nach ganz respectable
Armee, welche in Bezug auf ihre Qualität zwar sehr Vieles zu wünschen übrig



-) Vermuthlich auch, um die Preußen zu beobachten und eventuell zu stören.
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[0391] als die Leistung zu schätzen. Ein Unteroffizier, der hinter mir einherschritt und sich besonders kräftig dabei betheiligte, sang regelmäßig — ich hörte es wohl ein halb Dutzend Mal: Offenbar verstand der gute Polak oder Raize nicht ein Wort von dem, was er so eifrig in die Straße hinaussang. Möchte das hingehen, da die Soldaten des Kaisers Franz Joseph nicht um Gesangsvorträge patriotischen Inhalts zu halten, sondern um die Dänen verjagen zu helfen*) hier sind, so war die Art und Weise, wie die zuerst eingerückten Regimenter sich in Betreff der von dem Feind in Schloß Gottorf zurückgelassenen Militäreffecten verhalten, schon be¬ denklicher. Die Mannschaften hatten dieselben einfach als Privatbeute betrachtet, sie unter sich getheilt und dann sofort mit dem Verkauf begonnen, der sich bei der Niedrigkeit der geforderten Preise bald sehr lebhaft gestaltete und flott fort¬ währte, bis Offiziere dahinter kamen und der Naivetät dieser Naturkinder in den üblichen Kraftworten den rechten Standpunkt anwiesen. Ehe dieser Ein¬ spruch erfolgte, hatte man neue Wollendecken bester Qualität, die später in den Lazarethen bitter entbehrt wurden, das Stück für zwei bis drei Schilling Courant kaufen können. Gutmüthige Bursche, diese Blauhosen den deutschen Bruderländern an den Karpathen und jenseits der Theiß, fixe Soldaten, aber man ist unter ihnen doch immer noch wie in Wallensteins Lager. (Fortsetzung in nächster Nummer.) Das administrative Personal der östreichischen Armee. i. Man hat Oestreich schon oft einen „Militärstaat" genannt. Wenn man unter dieser Bezeichnung überhaupt nur einen Staat versteht, welcher eine an¬ sehnliche Militärmacht auf den Beinen erhält, so mag jene Behauptung richtig sein. Denn trotz aller Reductionen, trotz aller gehabten Einbußen und trotz aller besonders in den letzten Jahren gemachten Mißgriffe besitzt Oestreich — wenigstens gegenwärtig — noch immer eine der Zahl nach ganz respectable Armee, welche in Bezug auf ihre Qualität zwar sehr Vieles zu wünschen übrig -) Vermuthlich auch, um die Preußen zu beobachten und eventuell zu stören. Grenzboten l. 1864. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/391>, abgerufen am 24.07.2024.