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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Noch eine kleine Strecke weiter, und wir befanden uns im Angesicht der
Schanzen des Dannewerks. Auf einem beschneiten Hügelzüge Profile von Re-
douten und Batterien, aus denen schwarze Geschütze heraussahen. Die Bö¬
schungen rings mit einem Zaun spitzer Pfähle umgeben. Seitwärts die Stroh¬
dächer hölzerner Baracken. Im Ganzen zählte ich hier vier Schanzen, von
denen die zwei größten sich neben der Stelle erhoben, wo die Eisenbahn das
Dannewerk durchschneidet, die dritte und vierte dagegen hart am Friedrichsberg
standen. Weiter nach Südosten hin zeigten sich die Umrisse einer fünften. Da
wo die Straße zwischen dem bustorfer Teich und dem westlichsten Rande der
Schlei hindurchführt, wieder eine Barrikade mit spanischen Reitern, welche hier
außer den gewöhnlichen zugespitzten Krcuzpfählen auch noch mit zwei Fuß
langen zweischneidigen Klingen gezähnt waren. Hier auch das erste Blut und
die ersten Zeichen eines Rückzugs. Wenige Schritte vor dem Eingang in die
Stadt zwei weggeworfene und leere Tornister, ein dänischer und ein östreichi¬
scher, daneben ein Käppi in einer gefrornen Blutlache.

Wir zogen mit einem Bataillon östreichischer Infanterie in die Stadt ein.
Kein Haus des Friedrichsbergs, welches nicht die blanrothweiße Fahne geschmückt
hätte. Mehr als eins ließ auch die deutsche Tricolore wehen. Die lange breite
Straße, aus welcher dieser Theil des dreigliedrigen Schleswig besteht, war mit
Massen von Oestreichern, besonders Fußvolk, gefüllt, welches, als unser Bataillon
mit voller Musik und der Fahne angerückt kam, Front machte. An den steif¬
gewichsten Schnurrbärten und dem Schnitt der Beinkleider sah ich, daß sie einem
ungarischen Regiment angehörten. Sie hatten die letztverflossnen Tage jedenfalls
starke Anstrengungen und Entbehrungen gehabt, dennoch verriethen sie, als die
Musik ein lustiges Stückchen aufspielte, durch allerlei Geberden, daß sie Lust
empfanden, zu tanzen, und bei einer andern Gelegenheit am Morgen sollen sie
diese Neigung zum Erstaunen und Ergötzen der Einwohner mit Feuer und
Grazie befriedigt haben. Auch die Truppe, mit der wir einmarschirten, war
leichtfüßiges Volk. An den Gewehren, deren Läufe mit Rostflecken gesprenkelt
waren, wie die Forellen, an den kothbedeckten Schuhen und Gamaschen sah
man, daß der letzte Rasttag weder gestern noch vorgestern gewesen war. Dennoch
marschirten sie so munter und flink, als 0b sie eben erst aus der Kaserne kämen,
und sangen sogar dazu.

Auf das, was sie sangen, durfte man freilich nicht genau hören, .wenn
man sich für sie weiter begeistern wollte. Es war ein Soldatenlied im Stil
von "Prinz Eugenius der edle Ritter", dessen einzelnen Strophen die Leute
(vielleicht auf Befehl; denn Oestreich versteht es vortrefflich, durch Kleinigkeiten,
die nichts schaden, zu captiviren) für die heutige Gelegenheit der Refrain des
Schleswig-Holstein-Liedes folgen ließen. Nur ein Theil des Bataillons bestand
aber aus Deutschen, und so hatte man an dem Gesänge mehr den guten Willen


Noch eine kleine Strecke weiter, und wir befanden uns im Angesicht der
Schanzen des Dannewerks. Auf einem beschneiten Hügelzüge Profile von Re-
douten und Batterien, aus denen schwarze Geschütze heraussahen. Die Bö¬
schungen rings mit einem Zaun spitzer Pfähle umgeben. Seitwärts die Stroh¬
dächer hölzerner Baracken. Im Ganzen zählte ich hier vier Schanzen, von
denen die zwei größten sich neben der Stelle erhoben, wo die Eisenbahn das
Dannewerk durchschneidet, die dritte und vierte dagegen hart am Friedrichsberg
standen. Weiter nach Südosten hin zeigten sich die Umrisse einer fünften. Da
wo die Straße zwischen dem bustorfer Teich und dem westlichsten Rande der
Schlei hindurchführt, wieder eine Barrikade mit spanischen Reitern, welche hier
außer den gewöhnlichen zugespitzten Krcuzpfählen auch noch mit zwei Fuß
langen zweischneidigen Klingen gezähnt waren. Hier auch das erste Blut und
die ersten Zeichen eines Rückzugs. Wenige Schritte vor dem Eingang in die
Stadt zwei weggeworfene und leere Tornister, ein dänischer und ein östreichi¬
scher, daneben ein Käppi in einer gefrornen Blutlache.

Wir zogen mit einem Bataillon östreichischer Infanterie in die Stadt ein.
Kein Haus des Friedrichsbergs, welches nicht die blanrothweiße Fahne geschmückt
hätte. Mehr als eins ließ auch die deutsche Tricolore wehen. Die lange breite
Straße, aus welcher dieser Theil des dreigliedrigen Schleswig besteht, war mit
Massen von Oestreichern, besonders Fußvolk, gefüllt, welches, als unser Bataillon
mit voller Musik und der Fahne angerückt kam, Front machte. An den steif¬
gewichsten Schnurrbärten und dem Schnitt der Beinkleider sah ich, daß sie einem
ungarischen Regiment angehörten. Sie hatten die letztverflossnen Tage jedenfalls
starke Anstrengungen und Entbehrungen gehabt, dennoch verriethen sie, als die
Musik ein lustiges Stückchen aufspielte, durch allerlei Geberden, daß sie Lust
empfanden, zu tanzen, und bei einer andern Gelegenheit am Morgen sollen sie
diese Neigung zum Erstaunen und Ergötzen der Einwohner mit Feuer und
Grazie befriedigt haben. Auch die Truppe, mit der wir einmarschirten, war
leichtfüßiges Volk. An den Gewehren, deren Läufe mit Rostflecken gesprenkelt
waren, wie die Forellen, an den kothbedeckten Schuhen und Gamaschen sah
man, daß der letzte Rasttag weder gestern noch vorgestern gewesen war. Dennoch
marschirten sie so munter und flink, als 0b sie eben erst aus der Kaserne kämen,
und sangen sogar dazu.

Auf das, was sie sangen, durfte man freilich nicht genau hören, .wenn
man sich für sie weiter begeistern wollte. Es war ein Soldatenlied im Stil
von „Prinz Eugenius der edle Ritter", dessen einzelnen Strophen die Leute
(vielleicht auf Befehl; denn Oestreich versteht es vortrefflich, durch Kleinigkeiten,
die nichts schaden, zu captiviren) für die heutige Gelegenheit der Refrain des
Schleswig-Holstein-Liedes folgen ließen. Nur ein Theil des Bataillons bestand
aber aus Deutschen, und so hatte man an dem Gesänge mehr den guten Willen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/390>, abgerufen am 24.07.2024.