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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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kann es zur Arretirung und Ablieferung an die Heimathsbehörde, eventuell an
das Land-Arbeitshaus kommen." -- Die Ritterschaft des Amtes Güstrow faßte
diese Wünsche in dem Antrag zusammen: "daß es den Ortsobrigkeitcn durch
ein Gesetz gestattet werde, lediglosen Personen das Arbeiten als freie Arbeiter
zu verbieten, und daß es diesen lediglosen Personen nur dann freistehe, Arbeit
als freie Arbeiter anzunehmen, wenn sie dazu einen speciellen Conseils ihrer
Ortsobrigkeit beibringen."

Etwas Aehnliches wie die hier geforderten gesetzlichen Beschränkungen der
Arbeitsfreiheit hatte die Staatsregierung schon im Jahre 1857 bei den Ständen
beantragt, indem sie einen Gesetzentwurf wegen Einführung von Dienstbüchern
für freie lediglose Arbeiter vorlegte. Sie machte als Zweck geltend: die Ver¬
hütung der Verwilderung der unteren Volksclassen. Der Landtag lehnte damals
den Gesetzentwurf ab, weil, wenn den Ortsobrigkeiten die Befugniß eingeräumt
würde, den Arbeitern das Arbeiten außerhalb des Heimathsorts zu untersagen,
dies unausbleiblich zu einer Kollision des persönlichen Interesses vieler Guts¬
herrschaften mit ihren obrigkeitlichen Rechten und Pflichten und zu einer Be¬
drückung der ledigloscn Arbeiter führen würde. Dieser Beschluß ward im Gegen¬
satz zu dem befürwortenden Erachten des mit der Vorprüfung beauftragten
Comites gefaßt.

Das Comite, welches auf dem letzten Landtage die auf Beschränkung der
Arbeitsfreiheit gerichteten Anträge zu prüfen hatte, erkannte zwar an, daß es
sein Bedenken habe, den Ortsobrigkeiten eine Befugniß einzuräumen, welche die
Verlockung zum Mißbrauch im eigenen Interesse in sich selbst zu tragen schien,
erklärte aber doch eine Regelung der Verhältnisse der freien Arbeiter zum Schutze
guter Sitte für nothwendig, und glaubte, daß man dieser Pflicht genügen und
zugleich jenem Mißbrauch obrigkeitlicher Gewalt vorbeugen könne, wenn man
nachstehenden vermittelnden Vorschlägen seine Zustimmung schenke: "1) Alle
Arbeiter, welche außerhalb ihres Heimathsorts Arbeit nehmen wollen, haben
einen Arbeitsschein ihrer Heimathsbehörde zu führen. Die Arbeitgeber haben
die Zeit, welche der Arbeiter bei ihnen gearbeitet hat, in diesen Schein ein¬
zutragen. 2) Ein Minderjähriger darf nur dann einen Arbeitsschein verlangen,
wenn er nachweisen kann, daß er eine gewisse, gesetzlich näher zu bestimmenden
Reihe von Jahren in dienstlichen Verhältnissen gestanden. 3) Arbeitgeber sind
bei einer namhaften, gesetzlich näher festzustellenden Strafe gehalten, keinem
fremden Arbeiter Arbeit zu geben, wenn er keinen Arbeitsschein ausweisen
kann."

Die allen diesen Vorschlägen zu Grunde liegende Tendenz, die Arbeitskräfte
der Ortsangehöriger dem Gutsherrn zu Verfügung zu stellen, die Bestimmung
des Lohns für die in Dienstboten umzuwandelnden freien Arbeiter von dem Ar¬
beitgeber abhängig zu machen und in dieser etwas modernifirtcn Form die alte


kann es zur Arretirung und Ablieferung an die Heimathsbehörde, eventuell an
das Land-Arbeitshaus kommen." — Die Ritterschaft des Amtes Güstrow faßte
diese Wünsche in dem Antrag zusammen: „daß es den Ortsobrigkeitcn durch
ein Gesetz gestattet werde, lediglosen Personen das Arbeiten als freie Arbeiter
zu verbieten, und daß es diesen lediglosen Personen nur dann freistehe, Arbeit
als freie Arbeiter anzunehmen, wenn sie dazu einen speciellen Conseils ihrer
Ortsobrigkeit beibringen."

Etwas Aehnliches wie die hier geforderten gesetzlichen Beschränkungen der
Arbeitsfreiheit hatte die Staatsregierung schon im Jahre 1857 bei den Ständen
beantragt, indem sie einen Gesetzentwurf wegen Einführung von Dienstbüchern
für freie lediglose Arbeiter vorlegte. Sie machte als Zweck geltend: die Ver¬
hütung der Verwilderung der unteren Volksclassen. Der Landtag lehnte damals
den Gesetzentwurf ab, weil, wenn den Ortsobrigkeiten die Befugniß eingeräumt
würde, den Arbeitern das Arbeiten außerhalb des Heimathsorts zu untersagen,
dies unausbleiblich zu einer Kollision des persönlichen Interesses vieler Guts¬
herrschaften mit ihren obrigkeitlichen Rechten und Pflichten und zu einer Be¬
drückung der ledigloscn Arbeiter führen würde. Dieser Beschluß ward im Gegen¬
satz zu dem befürwortenden Erachten des mit der Vorprüfung beauftragten
Comites gefaßt.

Das Comite, welches auf dem letzten Landtage die auf Beschränkung der
Arbeitsfreiheit gerichteten Anträge zu prüfen hatte, erkannte zwar an, daß es
sein Bedenken habe, den Ortsobrigkeiten eine Befugniß einzuräumen, welche die
Verlockung zum Mißbrauch im eigenen Interesse in sich selbst zu tragen schien,
erklärte aber doch eine Regelung der Verhältnisse der freien Arbeiter zum Schutze
guter Sitte für nothwendig, und glaubte, daß man dieser Pflicht genügen und
zugleich jenem Mißbrauch obrigkeitlicher Gewalt vorbeugen könne, wenn man
nachstehenden vermittelnden Vorschlägen seine Zustimmung schenke: „1) Alle
Arbeiter, welche außerhalb ihres Heimathsorts Arbeit nehmen wollen, haben
einen Arbeitsschein ihrer Heimathsbehörde zu führen. Die Arbeitgeber haben
die Zeit, welche der Arbeiter bei ihnen gearbeitet hat, in diesen Schein ein¬
zutragen. 2) Ein Minderjähriger darf nur dann einen Arbeitsschein verlangen,
wenn er nachweisen kann, daß er eine gewisse, gesetzlich näher zu bestimmenden
Reihe von Jahren in dienstlichen Verhältnissen gestanden. 3) Arbeitgeber sind
bei einer namhaften, gesetzlich näher festzustellenden Strafe gehalten, keinem
fremden Arbeiter Arbeit zu geben, wenn er keinen Arbeitsschein ausweisen
kann."

Die allen diesen Vorschlägen zu Grunde liegende Tendenz, die Arbeitskräfte
der Ortsangehöriger dem Gutsherrn zu Verfügung zu stellen, die Bestimmung
des Lohns für die in Dienstboten umzuwandelnden freien Arbeiter von dem Ar¬
beitgeber abhängig zu machen und in dieser etwas modernifirtcn Form die alte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/379>, abgerufen am 24.07.2024.