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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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die Gemüther zu streuen, rückgängig machen lassen. Eine Eroberung der Herzog-
thümer zum Zweck der Annectirung an Preußen, die der Eine und der Andere
von Bismarck beabsichtigt glaubt, wünscht hier, soweit ich sehen kann, niemand,
ja es soll das Wort umlaufen-. Lieber dänisch, als preußisch. Uebrigens könnte
ein solcher Versuch, dem der Rechtssinn des Königs Wilhelm jedenfalls fern
steht, bei jetziger Lage der Dinge, wo er den außerdeutschen Großmächten,
der Bevölkerung Schleswig-Holsteins, den Regierungen und der öffentlichen
Meinung in den deutschen Mittelstaaten in gleich unerhörter Weise ins Gesicht
schlagen würde, nur von einer Anschauung eingegeben sein, die lediglich für
die allerdings sehr bedeutende Stärkung, welche die feudale Partei in Preußen
durch Anschluß eines Landes wie die Herzogthümer gewinnen würde, für alle
übrigen Rücksichten irgend welcher Art aber keine Augen hätte. Wollte man
Derartiges, so mußte man es seit Jahren vorbereiten; seit Jahren aber, und
namentlich in den letzten beiden Jahren ist nickt weniger als alles geschehen,
um den Schleswig-Holsteincrn wie allen übrigen Deutschen das Gegentheil von
Neigung zu Preußen zu gehören einzuflößen. Unter solchen Umständen annec-
tiren wollen, wäre, so dünkt mich. Ungeschick und Brutalität zugleich.

Herzog Friedrich scheint hier nicht blos als Träger des Landesrechts, son¬
dern auch persönlich beliebt und verehrt zu sein. Nicht wenig wird dazu die
Einfachheit und Anspruchlostgteit beigetragen haben, mit der er sich hier ein¬
gerichtet hat. Das Haus, welches er seit seinem Wegzug aus dem Bahnhofs¬
hotel bewohnt, liegt auf der frühern Neuen Straße, die jetzt Friedrichsstraße
genannt worden ist, und ist ein hübsches kleines Privathaus von vier Fenstern
Fronte und zwei Stockwerken, einem Erdgeschoß und einer Bel-Etage. Zwei
hohe Flaggenstangen und Schmuck von Kränzen zeichnen es in der Zeile aus,
in der es steht. Das Parterre hat vornheraus zwei einfach möblirte Zimmer,
in denen der Herzog Audienz giebt, und wo man nach der Tafel eine Cigarre
raucht, hinten einen Speiscsalon, in welchem circa zwanzig Personen essen
können. Im ersten Stock sind die Wohnzimmer des Herzogs, vier an der Zahl,
darunter ein Arveitskabinet, alles elegant, aber keineswegs reicher als die
Wohnung eines wohlhabenden Privatmannes ausgestattet. Ein Anbau enthält
Domcstikenstuben, Küche und sonstiges Zubehör. Wie ich höre, hatte vor dem
Herzog der dänische Professor Molbech das Haus inne. Die Dienerschaft ist
wenig zahlreich, ein Jäger, ein Laquai in Livree, zwei Lohnbediente in Schwarz
sind alles, was man davon sieht. Von Equipage, Läufern, Kutschern, Kammer¬
husaren und dergleichen ist nicht die Rede. Die Geschäfte des Ceremonien¬
meisters und Hofmarschalls versieht der Major Schmidt von der ehemaligen
Schleswig-holsteinischen Armee. Auch die Räthe des Herzogs wohnen vorläufig
sehr einfach: Samwer und du Plat einige Häuser von dem herzoglichen.
Franke im Eisenbahnhotel.


die Gemüther zu streuen, rückgängig machen lassen. Eine Eroberung der Herzog-
thümer zum Zweck der Annectirung an Preußen, die der Eine und der Andere
von Bismarck beabsichtigt glaubt, wünscht hier, soweit ich sehen kann, niemand,
ja es soll das Wort umlaufen-. Lieber dänisch, als preußisch. Uebrigens könnte
ein solcher Versuch, dem der Rechtssinn des Königs Wilhelm jedenfalls fern
steht, bei jetziger Lage der Dinge, wo er den außerdeutschen Großmächten,
der Bevölkerung Schleswig-Holsteins, den Regierungen und der öffentlichen
Meinung in den deutschen Mittelstaaten in gleich unerhörter Weise ins Gesicht
schlagen würde, nur von einer Anschauung eingegeben sein, die lediglich für
die allerdings sehr bedeutende Stärkung, welche die feudale Partei in Preußen
durch Anschluß eines Landes wie die Herzogthümer gewinnen würde, für alle
übrigen Rücksichten irgend welcher Art aber keine Augen hätte. Wollte man
Derartiges, so mußte man es seit Jahren vorbereiten; seit Jahren aber, und
namentlich in den letzten beiden Jahren ist nickt weniger als alles geschehen,
um den Schleswig-Holsteincrn wie allen übrigen Deutschen das Gegentheil von
Neigung zu Preußen zu gehören einzuflößen. Unter solchen Umständen annec-
tiren wollen, wäre, so dünkt mich. Ungeschick und Brutalität zugleich.

Herzog Friedrich scheint hier nicht blos als Träger des Landesrechts, son¬
dern auch persönlich beliebt und verehrt zu sein. Nicht wenig wird dazu die
Einfachheit und Anspruchlostgteit beigetragen haben, mit der er sich hier ein¬
gerichtet hat. Das Haus, welches er seit seinem Wegzug aus dem Bahnhofs¬
hotel bewohnt, liegt auf der frühern Neuen Straße, die jetzt Friedrichsstraße
genannt worden ist, und ist ein hübsches kleines Privathaus von vier Fenstern
Fronte und zwei Stockwerken, einem Erdgeschoß und einer Bel-Etage. Zwei
hohe Flaggenstangen und Schmuck von Kränzen zeichnen es in der Zeile aus,
in der es steht. Das Parterre hat vornheraus zwei einfach möblirte Zimmer,
in denen der Herzog Audienz giebt, und wo man nach der Tafel eine Cigarre
raucht, hinten einen Speiscsalon, in welchem circa zwanzig Personen essen
können. Im ersten Stock sind die Wohnzimmer des Herzogs, vier an der Zahl,
darunter ein Arveitskabinet, alles elegant, aber keineswegs reicher als die
Wohnung eines wohlhabenden Privatmannes ausgestattet. Ein Anbau enthält
Domcstikenstuben, Küche und sonstiges Zubehör. Wie ich höre, hatte vor dem
Herzog der dänische Professor Molbech das Haus inne. Die Dienerschaft ist
wenig zahlreich, ein Jäger, ein Laquai in Livree, zwei Lohnbediente in Schwarz
sind alles, was man davon sieht. Von Equipage, Läufern, Kutschern, Kammer¬
husaren und dergleichen ist nicht die Rede. Die Geschäfte des Ceremonien¬
meisters und Hofmarschalls versieht der Major Schmidt von der ehemaligen
Schleswig-holsteinischen Armee. Auch die Räthe des Herzogs wohnen vorläufig
sehr einfach: Samwer und du Plat einige Häuser von dem herzoglichen.
Franke im Eisenbahnhotel.


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[0339] die Gemüther zu streuen, rückgängig machen lassen. Eine Eroberung der Herzog- thümer zum Zweck der Annectirung an Preußen, die der Eine und der Andere von Bismarck beabsichtigt glaubt, wünscht hier, soweit ich sehen kann, niemand, ja es soll das Wort umlaufen-. Lieber dänisch, als preußisch. Uebrigens könnte ein solcher Versuch, dem der Rechtssinn des Königs Wilhelm jedenfalls fern steht, bei jetziger Lage der Dinge, wo er den außerdeutschen Großmächten, der Bevölkerung Schleswig-Holsteins, den Regierungen und der öffentlichen Meinung in den deutschen Mittelstaaten in gleich unerhörter Weise ins Gesicht schlagen würde, nur von einer Anschauung eingegeben sein, die lediglich für die allerdings sehr bedeutende Stärkung, welche die feudale Partei in Preußen durch Anschluß eines Landes wie die Herzogthümer gewinnen würde, für alle übrigen Rücksichten irgend welcher Art aber keine Augen hätte. Wollte man Derartiges, so mußte man es seit Jahren vorbereiten; seit Jahren aber, und namentlich in den letzten beiden Jahren ist nickt weniger als alles geschehen, um den Schleswig-Holsteincrn wie allen übrigen Deutschen das Gegentheil von Neigung zu Preußen zu gehören einzuflößen. Unter solchen Umständen annec- tiren wollen, wäre, so dünkt mich. Ungeschick und Brutalität zugleich. Herzog Friedrich scheint hier nicht blos als Träger des Landesrechts, son¬ dern auch persönlich beliebt und verehrt zu sein. Nicht wenig wird dazu die Einfachheit und Anspruchlostgteit beigetragen haben, mit der er sich hier ein¬ gerichtet hat. Das Haus, welches er seit seinem Wegzug aus dem Bahnhofs¬ hotel bewohnt, liegt auf der frühern Neuen Straße, die jetzt Friedrichsstraße genannt worden ist, und ist ein hübsches kleines Privathaus von vier Fenstern Fronte und zwei Stockwerken, einem Erdgeschoß und einer Bel-Etage. Zwei hohe Flaggenstangen und Schmuck von Kränzen zeichnen es in der Zeile aus, in der es steht. Das Parterre hat vornheraus zwei einfach möblirte Zimmer, in denen der Herzog Audienz giebt, und wo man nach der Tafel eine Cigarre raucht, hinten einen Speiscsalon, in welchem circa zwanzig Personen essen können. Im ersten Stock sind die Wohnzimmer des Herzogs, vier an der Zahl, darunter ein Arveitskabinet, alles elegant, aber keineswegs reicher als die Wohnung eines wohlhabenden Privatmannes ausgestattet. Ein Anbau enthält Domcstikenstuben, Küche und sonstiges Zubehör. Wie ich höre, hatte vor dem Herzog der dänische Professor Molbech das Haus inne. Die Dienerschaft ist wenig zahlreich, ein Jäger, ein Laquai in Livree, zwei Lohnbediente in Schwarz sind alles, was man davon sieht. Von Equipage, Läufern, Kutschern, Kammer¬ husaren und dergleichen ist nicht die Rede. Die Geschäfte des Ceremonien¬ meisters und Hofmarschalls versieht der Major Schmidt von der ehemaligen Schleswig-holsteinischen Armee. Auch die Räthe des Herzogs wohnen vorläufig sehr einfach: Samwer und du Plat einige Häuser von dem herzoglichen. Franke im Eisenbahnhotel.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/339>, abgerufen am 24.07.2024.