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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Noch kommen fast jeden Tag Huldigungsdeputationen an, und heut Nach¬
mittag sah ich selbst eine solche sich zur Audienz begeben. Es waren biedere
Schleswiger aus dem dänischen Wohld, geschmückt mit hohen Cylinderhüten
und bewaffnet mit stattlichen Tabakspfeifen, welche erst aus dem Munde ge¬
nommen und in die Brusttasche versenkt wurden, als die Herrn vor der Thür
des Herzogs angelangt waren.

-- Die Stellung der Dänen am Dannewerk und östlich von
da wird ohne Zweifel in diesen Tagen angegriffen. Schon sind die Boote der
ellerbecker Fischer in Beschlag genommen und auf Wagen nach Schwansen ab¬
gegangen, um beim Uebergang über die Schlei zu dienen. sehr angenehm
war mir daher das Anerbieten des frühern Schleswig-holsteinischen Kriegsministers
Jakobsen, mir einen Platz in dem Wagen abzutreten, in dem er heut Morgen
nach Eckernförde abfuhr. Das Wetter war schön, eine helle Sonne sah auf
die weiße Winterlandschaft hernieder, als., wir über die Kanalbrücke aus Hol¬
stein nach Schleswig hinüberführen. Die Straße war belebt von Fußgängern,
welche mit umgeschnalltem Decken und in hohen Wasserstiefeln der Gegend zu¬
wanderten, welche jetzt der Kriegsschauplatz war. Gelegentlich sprengte ein
Dragoner oder Kürassier als Ordonnanz an uns vorbei. Wiederholt trafen wir
lange Züge von Wagen mit Heu, Brot, Mehl und andern Vorräthen, die nach
Norden gingen, einmal auch eine Anzahl von Fuhrwerken, welche Kranke und
Verwundete nach Süden brachten. Zwischen Gettorf und Altenhof passirten
wir eine Wagenburg von mehren hundert Stück, welche eine weite Koppel ein¬
nahm und mit den Massen von bunten Reitern, weißen Kürassierer, hellblauen
Dragonern, rothen Husaren und dunkelblauen Ulanen und mit den Kochfeucrn
und Rauchwölkchen in ihrer Mitte ein recht originelles kriegerisches Bild darbot.

Eckernförde fanden wir überfüllt mit preußischem Militär. In allen Haus¬
thüren standen Blauröcke, die Gasthäuser waren voll Offiziere. Ein Mittags¬
essen zu erobern war äußerst schwierig, fast unmöglich; noch weniger möglich schien
es, ein Unterkommen für die Nacht zu finden, doch schaffte die Gastlichkeit eines alten
und eines neuen Bekannten in der Stadt für beides Rath. Während ich im
Hause des Kaufmanns T. bei Tische saß, brachten preußische Reiter fünf Bursche
in Civilkleidcrn ein, welche mit Stricken aneinander gebunden waren. Ein
ungeheures Halloh der Straßenjugend vor dem Fenster und allerlei Stimmen¬
gewirr meldete, daß es Spione seien. Ich ging hinaus und erkundigte mich,
und mehre fröhliche Gesichter zugleich berichteten, daß Hardesvogt Blcmnfeldts
Sohn darunter sei. Bald nachher neues Nennen am Fenster vorbei, neues
Geschrei: "Auf dem Mühlenberg wird Blaunfeldt erschossen!" Es war Blaun-
feldt sonior von Fleckeby gemeint. Man hatte ihn, einen der verhaßtesten der
dänischen Vögte in Schleswig, Tags zuvor gefangen eingebracht, von den Bauern
angeklagt, eine preußische Husarenpatrouille durch falsche Weisung in die Ge-


Noch kommen fast jeden Tag Huldigungsdeputationen an, und heut Nach¬
mittag sah ich selbst eine solche sich zur Audienz begeben. Es waren biedere
Schleswiger aus dem dänischen Wohld, geschmückt mit hohen Cylinderhüten
und bewaffnet mit stattlichen Tabakspfeifen, welche erst aus dem Munde ge¬
nommen und in die Brusttasche versenkt wurden, als die Herrn vor der Thür
des Herzogs angelangt waren.

— Die Stellung der Dänen am Dannewerk und östlich von
da wird ohne Zweifel in diesen Tagen angegriffen. Schon sind die Boote der
ellerbecker Fischer in Beschlag genommen und auf Wagen nach Schwansen ab¬
gegangen, um beim Uebergang über die Schlei zu dienen. sehr angenehm
war mir daher das Anerbieten des frühern Schleswig-holsteinischen Kriegsministers
Jakobsen, mir einen Platz in dem Wagen abzutreten, in dem er heut Morgen
nach Eckernförde abfuhr. Das Wetter war schön, eine helle Sonne sah auf
die weiße Winterlandschaft hernieder, als., wir über die Kanalbrücke aus Hol¬
stein nach Schleswig hinüberführen. Die Straße war belebt von Fußgängern,
welche mit umgeschnalltem Decken und in hohen Wasserstiefeln der Gegend zu¬
wanderten, welche jetzt der Kriegsschauplatz war. Gelegentlich sprengte ein
Dragoner oder Kürassier als Ordonnanz an uns vorbei. Wiederholt trafen wir
lange Züge von Wagen mit Heu, Brot, Mehl und andern Vorräthen, die nach
Norden gingen, einmal auch eine Anzahl von Fuhrwerken, welche Kranke und
Verwundete nach Süden brachten. Zwischen Gettorf und Altenhof passirten
wir eine Wagenburg von mehren hundert Stück, welche eine weite Koppel ein¬
nahm und mit den Massen von bunten Reitern, weißen Kürassierer, hellblauen
Dragonern, rothen Husaren und dunkelblauen Ulanen und mit den Kochfeucrn
und Rauchwölkchen in ihrer Mitte ein recht originelles kriegerisches Bild darbot.

Eckernförde fanden wir überfüllt mit preußischem Militär. In allen Haus¬
thüren standen Blauröcke, die Gasthäuser waren voll Offiziere. Ein Mittags¬
essen zu erobern war äußerst schwierig, fast unmöglich; noch weniger möglich schien
es, ein Unterkommen für die Nacht zu finden, doch schaffte die Gastlichkeit eines alten
und eines neuen Bekannten in der Stadt für beides Rath. Während ich im
Hause des Kaufmanns T. bei Tische saß, brachten preußische Reiter fünf Bursche
in Civilkleidcrn ein, welche mit Stricken aneinander gebunden waren. Ein
ungeheures Halloh der Straßenjugend vor dem Fenster und allerlei Stimmen¬
gewirr meldete, daß es Spione seien. Ich ging hinaus und erkundigte mich,
und mehre fröhliche Gesichter zugleich berichteten, daß Hardesvogt Blcmnfeldts
Sohn darunter sei. Bald nachher neues Nennen am Fenster vorbei, neues
Geschrei: „Auf dem Mühlenberg wird Blaunfeldt erschossen!" Es war Blaun-
feldt sonior von Fleckeby gemeint. Man hatte ihn, einen der verhaßtesten der
dänischen Vögte in Schleswig, Tags zuvor gefangen eingebracht, von den Bauern
angeklagt, eine preußische Husarenpatrouille durch falsche Weisung in die Ge-


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[0340] Noch kommen fast jeden Tag Huldigungsdeputationen an, und heut Nach¬ mittag sah ich selbst eine solche sich zur Audienz begeben. Es waren biedere Schleswiger aus dem dänischen Wohld, geschmückt mit hohen Cylinderhüten und bewaffnet mit stattlichen Tabakspfeifen, welche erst aus dem Munde ge¬ nommen und in die Brusttasche versenkt wurden, als die Herrn vor der Thür des Herzogs angelangt waren. — Die Stellung der Dänen am Dannewerk und östlich von da wird ohne Zweifel in diesen Tagen angegriffen. Schon sind die Boote der ellerbecker Fischer in Beschlag genommen und auf Wagen nach Schwansen ab¬ gegangen, um beim Uebergang über die Schlei zu dienen. sehr angenehm war mir daher das Anerbieten des frühern Schleswig-holsteinischen Kriegsministers Jakobsen, mir einen Platz in dem Wagen abzutreten, in dem er heut Morgen nach Eckernförde abfuhr. Das Wetter war schön, eine helle Sonne sah auf die weiße Winterlandschaft hernieder, als., wir über die Kanalbrücke aus Hol¬ stein nach Schleswig hinüberführen. Die Straße war belebt von Fußgängern, welche mit umgeschnalltem Decken und in hohen Wasserstiefeln der Gegend zu¬ wanderten, welche jetzt der Kriegsschauplatz war. Gelegentlich sprengte ein Dragoner oder Kürassier als Ordonnanz an uns vorbei. Wiederholt trafen wir lange Züge von Wagen mit Heu, Brot, Mehl und andern Vorräthen, die nach Norden gingen, einmal auch eine Anzahl von Fuhrwerken, welche Kranke und Verwundete nach Süden brachten. Zwischen Gettorf und Altenhof passirten wir eine Wagenburg von mehren hundert Stück, welche eine weite Koppel ein¬ nahm und mit den Massen von bunten Reitern, weißen Kürassierer, hellblauen Dragonern, rothen Husaren und dunkelblauen Ulanen und mit den Kochfeucrn und Rauchwölkchen in ihrer Mitte ein recht originelles kriegerisches Bild darbot. Eckernförde fanden wir überfüllt mit preußischem Militär. In allen Haus¬ thüren standen Blauröcke, die Gasthäuser waren voll Offiziere. Ein Mittags¬ essen zu erobern war äußerst schwierig, fast unmöglich; noch weniger möglich schien es, ein Unterkommen für die Nacht zu finden, doch schaffte die Gastlichkeit eines alten und eines neuen Bekannten in der Stadt für beides Rath. Während ich im Hause des Kaufmanns T. bei Tische saß, brachten preußische Reiter fünf Bursche in Civilkleidcrn ein, welche mit Stricken aneinander gebunden waren. Ein ungeheures Halloh der Straßenjugend vor dem Fenster und allerlei Stimmen¬ gewirr meldete, daß es Spione seien. Ich ging hinaus und erkundigte mich, und mehre fröhliche Gesichter zugleich berichteten, daß Hardesvogt Blcmnfeldts Sohn darunter sei. Bald nachher neues Nennen am Fenster vorbei, neues Geschrei: „Auf dem Mühlenberg wird Blaunfeldt erschossen!" Es war Blaun- feldt sonior von Fleckeby gemeint. Man hatte ihn, einen der verhaßtesten der dänischen Vögte in Schleswig, Tags zuvor gefangen eingebracht, von den Bauern angeklagt, eine preußische Husarenpatrouille durch falsche Weisung in die Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/340>, abgerufen am 24.07.2024.