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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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dem Südosten, die Zündnadelgewehre, über zehn Pfund schwer, wiegen jeden¬
falls zwanzig Procent mehr als die östreichische Muskete. Wäre ich der Däne,
so würde ich sagen: der Himmel bewahre uns vor der Nothwendigkeit eines
Angriffs auf ein preußisches Quarrö und vor einer Bajonnetattaque oder einer
Verfolgung der Oestreicher. Indeß wird es gerathen sein, das Weitere ab¬
zuwarten.

Bei den Bekannten, die ich besuchte, hörte ich zu meiner innigen Freude
nur Gutes über die Preußen. Man hatte sie öffentlich nicht wie die Bundes¬
truppen mit frohen Mienen, Fahnen und Zurufen empfangen können, war
ihnen aber im Hause um so freundlicher entgegengekommen und hatte dafür
Verständniß gefunden. Ueberall lobt man das bescheidene Betragen und die
intelligente Art der Leute, und auch sonst scheint Preußen durch die Ereignisse
der letzten beiden Tage in der öffentlichen Meinung wesentlich gewonnen zu
haben. Zwar von Herrn v. Bismarck erwartet niemand Erfreuliches, und die
östreichische Begleitung ist entschieden bedenklich. Aber die Ansprache des
Prinzen Friedrich Karl an das Heer, welche rasche Action in Aussicht stellte,
der Uebergang über die Grenze Schleswigs, die ersten Schüsse, das schnelle
Vorgehen der Preußen bis an die Schlei, der Oestreichs bis hart an das
Dannewerk, die Ankunft des preußischen Thronerben im Lager der Mitten
Armee "für Schleswig-Holstein", die bekannte Thatsache, daß derselbe gut
Schleswig-holsteinisch gesinnt und überdies dem Herzog Friedrich befreundet ist, die
Annahme, daß man den zukünftigen König nicht wohl für eine unreine, für
eine faule Sache kämpfen lassen könne, alle diese Dinge zusammen wogen
jene Bedenken reichlich auf, und was etwa blieb, wurde durch den ersten
Kanonendonner und den blutigen Kampf bei Missunde zerstreut. Der Himmel
verzeih's und der Leser wird's richtig deuten, ich freute mich, von gutuntcr-
richteter Seite zu hören, daß die Verluste größer gewesen, als Andere hatten
Wort haben wollen, und vielen Andern scheint's ebenso gegangen zu sein. Wie
man auch über die Opportunist des Angriffs auf die dortigen Schanzen ur¬
theilen mag, alles ist wenigstens darin einig, daß es von gestern an keinen
Scheinkrieg gilt. Wie man dies hier allgemein empfindet, zeigt der Flaggen¬
schmuck der Straßen. Eins mindestens ist jetzt sicher, die Absicht ist vorhanden,
die Dänen aus Schleswig hinauszuwerfen. Ob für immer, ob zu Herzog
Friedrichs Gunsten,, ist damit freilich noch keineswegs festgestellt.

Einiges zu einer günstigen Entscheidung werden die Schleswiger beitragen
können. Wenn sie überall wie in Eckernförde und Gettvrf in den frischen Fu߬
tapfen der flüchtenden dänischen Soldaten die dänischen Beamten vertreiben und
den Herzog, die Verkörperung des Princips der absoluten Trennung von Däne¬
mark, ausrufen, so werden vollendete Thatsachen geschaffen, die sich schwer,
vielleicht gar nicht, wenigstens nicht ohne den Samen zu einer Revolution in


dem Südosten, die Zündnadelgewehre, über zehn Pfund schwer, wiegen jeden¬
falls zwanzig Procent mehr als die östreichische Muskete. Wäre ich der Däne,
so würde ich sagen: der Himmel bewahre uns vor der Nothwendigkeit eines
Angriffs auf ein preußisches Quarrö und vor einer Bajonnetattaque oder einer
Verfolgung der Oestreicher. Indeß wird es gerathen sein, das Weitere ab¬
zuwarten.

Bei den Bekannten, die ich besuchte, hörte ich zu meiner innigen Freude
nur Gutes über die Preußen. Man hatte sie öffentlich nicht wie die Bundes¬
truppen mit frohen Mienen, Fahnen und Zurufen empfangen können, war
ihnen aber im Hause um so freundlicher entgegengekommen und hatte dafür
Verständniß gefunden. Ueberall lobt man das bescheidene Betragen und die
intelligente Art der Leute, und auch sonst scheint Preußen durch die Ereignisse
der letzten beiden Tage in der öffentlichen Meinung wesentlich gewonnen zu
haben. Zwar von Herrn v. Bismarck erwartet niemand Erfreuliches, und die
östreichische Begleitung ist entschieden bedenklich. Aber die Ansprache des
Prinzen Friedrich Karl an das Heer, welche rasche Action in Aussicht stellte,
der Uebergang über die Grenze Schleswigs, die ersten Schüsse, das schnelle
Vorgehen der Preußen bis an die Schlei, der Oestreichs bis hart an das
Dannewerk, die Ankunft des preußischen Thronerben im Lager der Mitten
Armee „für Schleswig-Holstein", die bekannte Thatsache, daß derselbe gut
Schleswig-holsteinisch gesinnt und überdies dem Herzog Friedrich befreundet ist, die
Annahme, daß man den zukünftigen König nicht wohl für eine unreine, für
eine faule Sache kämpfen lassen könne, alle diese Dinge zusammen wogen
jene Bedenken reichlich auf, und was etwa blieb, wurde durch den ersten
Kanonendonner und den blutigen Kampf bei Missunde zerstreut. Der Himmel
verzeih's und der Leser wird's richtig deuten, ich freute mich, von gutuntcr-
richteter Seite zu hören, daß die Verluste größer gewesen, als Andere hatten
Wort haben wollen, und vielen Andern scheint's ebenso gegangen zu sein. Wie
man auch über die Opportunist des Angriffs auf die dortigen Schanzen ur¬
theilen mag, alles ist wenigstens darin einig, daß es von gestern an keinen
Scheinkrieg gilt. Wie man dies hier allgemein empfindet, zeigt der Flaggen¬
schmuck der Straßen. Eins mindestens ist jetzt sicher, die Absicht ist vorhanden,
die Dänen aus Schleswig hinauszuwerfen. Ob für immer, ob zu Herzog
Friedrichs Gunsten,, ist damit freilich noch keineswegs festgestellt.

Einiges zu einer günstigen Entscheidung werden die Schleswiger beitragen
können. Wenn sie überall wie in Eckernförde und Gettvrf in den frischen Fu߬
tapfen der flüchtenden dänischen Soldaten die dänischen Beamten vertreiben und
den Herzog, die Verkörperung des Princips der absoluten Trennung von Däne¬
mark, ausrufen, so werden vollendete Thatsachen geschaffen, die sich schwer,
vielleicht gar nicht, wenigstens nicht ohne den Samen zu einer Revolution in


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[0338] dem Südosten, die Zündnadelgewehre, über zehn Pfund schwer, wiegen jeden¬ falls zwanzig Procent mehr als die östreichische Muskete. Wäre ich der Däne, so würde ich sagen: der Himmel bewahre uns vor der Nothwendigkeit eines Angriffs auf ein preußisches Quarrö und vor einer Bajonnetattaque oder einer Verfolgung der Oestreicher. Indeß wird es gerathen sein, das Weitere ab¬ zuwarten. Bei den Bekannten, die ich besuchte, hörte ich zu meiner innigen Freude nur Gutes über die Preußen. Man hatte sie öffentlich nicht wie die Bundes¬ truppen mit frohen Mienen, Fahnen und Zurufen empfangen können, war ihnen aber im Hause um so freundlicher entgegengekommen und hatte dafür Verständniß gefunden. Ueberall lobt man das bescheidene Betragen und die intelligente Art der Leute, und auch sonst scheint Preußen durch die Ereignisse der letzten beiden Tage in der öffentlichen Meinung wesentlich gewonnen zu haben. Zwar von Herrn v. Bismarck erwartet niemand Erfreuliches, und die östreichische Begleitung ist entschieden bedenklich. Aber die Ansprache des Prinzen Friedrich Karl an das Heer, welche rasche Action in Aussicht stellte, der Uebergang über die Grenze Schleswigs, die ersten Schüsse, das schnelle Vorgehen der Preußen bis an die Schlei, der Oestreichs bis hart an das Dannewerk, die Ankunft des preußischen Thronerben im Lager der Mitten Armee „für Schleswig-Holstein", die bekannte Thatsache, daß derselbe gut Schleswig-holsteinisch gesinnt und überdies dem Herzog Friedrich befreundet ist, die Annahme, daß man den zukünftigen König nicht wohl für eine unreine, für eine faule Sache kämpfen lassen könne, alle diese Dinge zusammen wogen jene Bedenken reichlich auf, und was etwa blieb, wurde durch den ersten Kanonendonner und den blutigen Kampf bei Missunde zerstreut. Der Himmel verzeih's und der Leser wird's richtig deuten, ich freute mich, von gutuntcr- richteter Seite zu hören, daß die Verluste größer gewesen, als Andere hatten Wort haben wollen, und vielen Andern scheint's ebenso gegangen zu sein. Wie man auch über die Opportunist des Angriffs auf die dortigen Schanzen ur¬ theilen mag, alles ist wenigstens darin einig, daß es von gestern an keinen Scheinkrieg gilt. Wie man dies hier allgemein empfindet, zeigt der Flaggen¬ schmuck der Straßen. Eins mindestens ist jetzt sicher, die Absicht ist vorhanden, die Dänen aus Schleswig hinauszuwerfen. Ob für immer, ob zu Herzog Friedrichs Gunsten,, ist damit freilich noch keineswegs festgestellt. Einiges zu einer günstigen Entscheidung werden die Schleswiger beitragen können. Wenn sie überall wie in Eckernförde und Gettvrf in den frischen Fu߬ tapfen der flüchtenden dänischen Soldaten die dänischen Beamten vertreiben und den Herzog, die Verkörperung des Princips der absoluten Trennung von Däne¬ mark, ausrufen, so werden vollendete Thatsachen geschaffen, die sich schwer, vielleicht gar nicht, wenigstens nicht ohne den Samen zu einer Revolution in

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/338>, abgerufen am 24.07.2024.