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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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eines jeden Landes, in diesen Verfassungen Landstände mit beschließender Stimme,
Berathung der Gesammtverfassung durch die Landstände Schleswigs und Hol¬
steins -- so lauteten die wichtigsten unter den übrigen Bestimmungen.

Das waren die aus dem Schiffbruch geretteten Trümmer. Das Band
zwischen Schleswig und Holstein war gelöst, nur schwache Fäden blieben davon
übrig. Dagegen war ein neues Band von Dänemark aus .um jedes der beiden
Herzogihümer geschlungen; an die Stelle der Personalunion sollte eine Ver¬
bindung in einer Gesammtverfassung treten, welche, man mochte die Dinge
wenden wie man wollte, der dänischen Uebermacht gegen die vereinzelten Herzog-,
thümer ein ganz anderes Uebergewicht zu geben versprach als das frühere Bei¬
sammensein der untereinander verbundenen Herzogthümer mit dem dänischen
Staate unter dem einen absoluten Könige.

Am 18. Februar 18S2 übergaben die deutschen Bundcscommissare die Re¬
gierung Holsteins dem dänischen Könige und die Bundestruppen räumten das
Herzogthum; das ganze, ungeheure Kriegsmaterial der Schleswig-holsteinischen
Armee siel dabei in die Hände der Dänen. Und was nnn dänische Uebermacht
und dänisches Uebergewicht zu bedeuten haben werde in der Leidenschaft, die der
Krieg geschürt, das sollte sofort von Grund aus erprobt werden. Wenn Preu¬
ßen die Erwartung ausgesprochen hatte, daß zu Ministern für Schleswig und
für Holstein vertrauenerweckende Persönlichkeiten ernannt werden würden, so
erblickte man jetzt an der Spitze der holsteinischen Angelegenheiten den Grafen
Reventlow-Criminil, einen Gesammtstaatsmann, der vielleicht weniger aus eige¬
nem Antrieb, als aus Schwäche sich zur Ausführung ärgster Willtürhandlungen
hergab, an der Spitze von Schleswig aber niemand anderen als -- den
Grafen Karl Moltke. Ein Amnestiepatent wurde erlassen; die Offiziere des
Schleswig-holsteinischen Heeres aber, die schon vor der Erhebung im Dienst gewesen
und dann an dem Kampf gegen Dänemark theilgenommen. wurden mit triegs-
rechtlichcr Behandlung bedroht; mit Verbannung wurde belegt eine ganze An¬
zahl angesehener Männer nebst ihren Familien, unter ihnen der Herzog von
Augustenburg und sein Bruder. Die Pensionen, die den Offizieren der auf¬
gelösten Schleswig-holsteinischen Armee nach den Bestimmungen der provisorischen
und der nachfolgenden Regierungen zukamen, waren gestrichen, durch die Bundes-
commissare indeß für die durch den Krieg erwerbsunfähig gewordenen, sowie für
die Witwen und Waisen die Herstellung eines Fonds aus Staatsmitteln aus¬
bedungen; die dänische Regierung brachte dies in Wegfall und die Invaliden
sahen sich auf ein Almosen des Bundestags angewiesen. Mit Kränkung jeden
Rechtes und jeden Gefühls erfüllte sich hinfort das Wort: Wehe den Besiegten!
über einer Bevölkerung, die von dem deutschen Bunde ihrem Landesherrn als
einem Mitgliede dieses Bundes übergeben war. Vor allem aber das unglückliche
Schleswig blieb den Drangsalen, die hier seit den Tagen der Landesverwaltung


eines jeden Landes, in diesen Verfassungen Landstände mit beschließender Stimme,
Berathung der Gesammtverfassung durch die Landstände Schleswigs und Hol¬
steins — so lauteten die wichtigsten unter den übrigen Bestimmungen.

Das waren die aus dem Schiffbruch geretteten Trümmer. Das Band
zwischen Schleswig und Holstein war gelöst, nur schwache Fäden blieben davon
übrig. Dagegen war ein neues Band von Dänemark aus .um jedes der beiden
Herzogihümer geschlungen; an die Stelle der Personalunion sollte eine Ver¬
bindung in einer Gesammtverfassung treten, welche, man mochte die Dinge
wenden wie man wollte, der dänischen Uebermacht gegen die vereinzelten Herzog-,
thümer ein ganz anderes Uebergewicht zu geben versprach als das frühere Bei¬
sammensein der untereinander verbundenen Herzogthümer mit dem dänischen
Staate unter dem einen absoluten Könige.

Am 18. Februar 18S2 übergaben die deutschen Bundcscommissare die Re¬
gierung Holsteins dem dänischen Könige und die Bundestruppen räumten das
Herzogthum; das ganze, ungeheure Kriegsmaterial der Schleswig-holsteinischen
Armee siel dabei in die Hände der Dänen. Und was nnn dänische Uebermacht
und dänisches Uebergewicht zu bedeuten haben werde in der Leidenschaft, die der
Krieg geschürt, das sollte sofort von Grund aus erprobt werden. Wenn Preu¬
ßen die Erwartung ausgesprochen hatte, daß zu Ministern für Schleswig und
für Holstein vertrauenerweckende Persönlichkeiten ernannt werden würden, so
erblickte man jetzt an der Spitze der holsteinischen Angelegenheiten den Grafen
Reventlow-Criminil, einen Gesammtstaatsmann, der vielleicht weniger aus eige¬
nem Antrieb, als aus Schwäche sich zur Ausführung ärgster Willtürhandlungen
hergab, an der Spitze von Schleswig aber niemand anderen als — den
Grafen Karl Moltke. Ein Amnestiepatent wurde erlassen; die Offiziere des
Schleswig-holsteinischen Heeres aber, die schon vor der Erhebung im Dienst gewesen
und dann an dem Kampf gegen Dänemark theilgenommen. wurden mit triegs-
rechtlichcr Behandlung bedroht; mit Verbannung wurde belegt eine ganze An¬
zahl angesehener Männer nebst ihren Familien, unter ihnen der Herzog von
Augustenburg und sein Bruder. Die Pensionen, die den Offizieren der auf¬
gelösten Schleswig-holsteinischen Armee nach den Bestimmungen der provisorischen
und der nachfolgenden Regierungen zukamen, waren gestrichen, durch die Bundes-
commissare indeß für die durch den Krieg erwerbsunfähig gewordenen, sowie für
die Witwen und Waisen die Herstellung eines Fonds aus Staatsmitteln aus¬
bedungen; die dänische Regierung brachte dies in Wegfall und die Invaliden
sahen sich auf ein Almosen des Bundestags angewiesen. Mit Kränkung jeden
Rechtes und jeden Gefühls erfüllte sich hinfort das Wort: Wehe den Besiegten!
über einer Bevölkerung, die von dem deutschen Bunde ihrem Landesherrn als
einem Mitgliede dieses Bundes übergeben war. Vor allem aber das unglückliche
Schleswig blieb den Drangsalen, die hier seit den Tagen der Landesverwaltung


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[0301] eines jeden Landes, in diesen Verfassungen Landstände mit beschließender Stimme, Berathung der Gesammtverfassung durch die Landstände Schleswigs und Hol¬ steins — so lauteten die wichtigsten unter den übrigen Bestimmungen. Das waren die aus dem Schiffbruch geretteten Trümmer. Das Band zwischen Schleswig und Holstein war gelöst, nur schwache Fäden blieben davon übrig. Dagegen war ein neues Band von Dänemark aus .um jedes der beiden Herzogihümer geschlungen; an die Stelle der Personalunion sollte eine Ver¬ bindung in einer Gesammtverfassung treten, welche, man mochte die Dinge wenden wie man wollte, der dänischen Uebermacht gegen die vereinzelten Herzog-, thümer ein ganz anderes Uebergewicht zu geben versprach als das frühere Bei¬ sammensein der untereinander verbundenen Herzogthümer mit dem dänischen Staate unter dem einen absoluten Könige. Am 18. Februar 18S2 übergaben die deutschen Bundcscommissare die Re¬ gierung Holsteins dem dänischen Könige und die Bundestruppen räumten das Herzogthum; das ganze, ungeheure Kriegsmaterial der Schleswig-holsteinischen Armee siel dabei in die Hände der Dänen. Und was nnn dänische Uebermacht und dänisches Uebergewicht zu bedeuten haben werde in der Leidenschaft, die der Krieg geschürt, das sollte sofort von Grund aus erprobt werden. Wenn Preu¬ ßen die Erwartung ausgesprochen hatte, daß zu Ministern für Schleswig und für Holstein vertrauenerweckende Persönlichkeiten ernannt werden würden, so erblickte man jetzt an der Spitze der holsteinischen Angelegenheiten den Grafen Reventlow-Criminil, einen Gesammtstaatsmann, der vielleicht weniger aus eige¬ nem Antrieb, als aus Schwäche sich zur Ausführung ärgster Willtürhandlungen hergab, an der Spitze von Schleswig aber niemand anderen als — den Grafen Karl Moltke. Ein Amnestiepatent wurde erlassen; die Offiziere des Schleswig-holsteinischen Heeres aber, die schon vor der Erhebung im Dienst gewesen und dann an dem Kampf gegen Dänemark theilgenommen. wurden mit triegs- rechtlichcr Behandlung bedroht; mit Verbannung wurde belegt eine ganze An¬ zahl angesehener Männer nebst ihren Familien, unter ihnen der Herzog von Augustenburg und sein Bruder. Die Pensionen, die den Offizieren der auf¬ gelösten Schleswig-holsteinischen Armee nach den Bestimmungen der provisorischen und der nachfolgenden Regierungen zukamen, waren gestrichen, durch die Bundes- commissare indeß für die durch den Krieg erwerbsunfähig gewordenen, sowie für die Witwen und Waisen die Herstellung eines Fonds aus Staatsmitteln aus¬ bedungen; die dänische Regierung brachte dies in Wegfall und die Invaliden sahen sich auf ein Almosen des Bundestags angewiesen. Mit Kränkung jeden Rechtes und jeden Gefühls erfüllte sich hinfort das Wort: Wehe den Besiegten! über einer Bevölkerung, die von dem deutschen Bunde ihrem Landesherrn als einem Mitgliede dieses Bundes übergeben war. Vor allem aber das unglückliche Schleswig blieb den Drangsalen, die hier seit den Tagen der Landesverwaltung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/301>, abgerufen am 24.07.2024.