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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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die provisorische Centralgewalt des deutschen Reiches übertragen hatte, in die
Hände der Bundescommissaricn nieder und die Erhebung der Herzogthümer
hatte ein Ende.

Ein Jahr lang haben dann die Bundestruppen in Holstein gestanden und
sind die Unterhandlungen über den künstigen Zustand dieses Herzogthums
einschließlich seiner Beziehungen zu Schleswig, von Oestreich und Preußen ge¬
führt worden, denen ein Bundesbeschluß vom 11. Juni 1851 noch bestimmter
die Vertretung des Bundes in diesen Verhandlungen übertrug. Als Ausgangs¬
punkt für dieselben war von Dänemark die Proclamcition vorgeschlagen, welche
im Namen Friedrichs des Siebenten bei der Wiedereröffnung des Krieges im
Sommer 1850 erlassen worden. Allgemeine Amnestie für Schleswig-Holstein
und Bestätigung der Beamten, mit solchen Ausnahmen, welche der Wieder¬
eintritt der rechtmäßigen Landesherrschaft nothwendig mache, Bürgschaften für
die Rechte der deutschen wie der dänischen Nationalität in Schleswig, Nicht-
einverleibung dieses Herzogthums in Dänemark, Zusammenberufung achtbarer
Männer aus Dänemark, Schleswig und Holstein für Berathung der Verhält¬
nisse Schleswigs zu Dänemark wie zu Holstein -- dies war in jener Procla¬
mation verheißen. Aber der Versuch, mit Vertrauensmännern eine Einigung
zu gewinnen, mißlang auch jetzt, und Oestreich und Preußen forderten eine
Wiederherstellung des Zustandes vor dem Kriege. Eine Reihe von neuen Unter¬
handlungen knüpfte sich daran; das Ergebniß war eine Feststellung, wie sie
nach dem ganzen Verlauf, den die Dinge genommen, nicht anders erwartet wer¬
den konnte. Nicht in einer Vertragsmkunde, sondern in einer Anzahl verschiedener
Actenstücke fand sich dies Ergebniß niedergelegt. Die alte, grundgesetzliche
Verbindung zwischen Schleswig und Holstein in Verfassung, Verwaltung und
Rechtspflege ist danach aufgehoben und nur in gewissen Institutionen beson¬
derer Beschaffenheit, in der Gemeinschaft der Universität Kiel, mehrer Wohl¬
thätigkeitsanstalten, des Eiderkanals, der Ritterschaft soll ein Zusammenhang
fortbestehen. Dagegen ist die Idee des Gesammtstaates jetzt nicht, wie in den
ursprünglichen Planen der eiderdcinischen Partei und in den meisten, während
des Krieges gepflogenen Unterhandlungen, auf Dänemark und Schleswig be¬
schränkt, sondern auch auf Holstein*) ausgedehnt. Auf Armee, Finanzen und
auswärtige Angelegenheiten hat sich die Gemeinschaft zu erstrecken; gegen eine
Einverleibung in Dänemark soll Schleswig auch hinfort gesichert, deutsche und
dänische Nationalität in dem Herzogthume gleichmäßig geschützt sein. Beson¬
dere Verfassungen Schleswigs und Holsteins für die besonderen Angelegenheiten



") und Lauenburg. Die Verhältnisse dieses Herzogthums während der Jahre 1848--61
habe ich, da sie in keinem innige" Zusammenhange mit denen Schleswig-Holsteins stehn, ganz
bei Seite lassen zu können geglaubt.

die provisorische Centralgewalt des deutschen Reiches übertragen hatte, in die
Hände der Bundescommissaricn nieder und die Erhebung der Herzogthümer
hatte ein Ende.

Ein Jahr lang haben dann die Bundestruppen in Holstein gestanden und
sind die Unterhandlungen über den künstigen Zustand dieses Herzogthums
einschließlich seiner Beziehungen zu Schleswig, von Oestreich und Preußen ge¬
führt worden, denen ein Bundesbeschluß vom 11. Juni 1851 noch bestimmter
die Vertretung des Bundes in diesen Verhandlungen übertrug. Als Ausgangs¬
punkt für dieselben war von Dänemark die Proclamcition vorgeschlagen, welche
im Namen Friedrichs des Siebenten bei der Wiedereröffnung des Krieges im
Sommer 1850 erlassen worden. Allgemeine Amnestie für Schleswig-Holstein
und Bestätigung der Beamten, mit solchen Ausnahmen, welche der Wieder¬
eintritt der rechtmäßigen Landesherrschaft nothwendig mache, Bürgschaften für
die Rechte der deutschen wie der dänischen Nationalität in Schleswig, Nicht-
einverleibung dieses Herzogthums in Dänemark, Zusammenberufung achtbarer
Männer aus Dänemark, Schleswig und Holstein für Berathung der Verhält¬
nisse Schleswigs zu Dänemark wie zu Holstein — dies war in jener Procla¬
mation verheißen. Aber der Versuch, mit Vertrauensmännern eine Einigung
zu gewinnen, mißlang auch jetzt, und Oestreich und Preußen forderten eine
Wiederherstellung des Zustandes vor dem Kriege. Eine Reihe von neuen Unter¬
handlungen knüpfte sich daran; das Ergebniß war eine Feststellung, wie sie
nach dem ganzen Verlauf, den die Dinge genommen, nicht anders erwartet wer¬
den konnte. Nicht in einer Vertragsmkunde, sondern in einer Anzahl verschiedener
Actenstücke fand sich dies Ergebniß niedergelegt. Die alte, grundgesetzliche
Verbindung zwischen Schleswig und Holstein in Verfassung, Verwaltung und
Rechtspflege ist danach aufgehoben und nur in gewissen Institutionen beson¬
derer Beschaffenheit, in der Gemeinschaft der Universität Kiel, mehrer Wohl¬
thätigkeitsanstalten, des Eiderkanals, der Ritterschaft soll ein Zusammenhang
fortbestehen. Dagegen ist die Idee des Gesammtstaates jetzt nicht, wie in den
ursprünglichen Planen der eiderdcinischen Partei und in den meisten, während
des Krieges gepflogenen Unterhandlungen, auf Dänemark und Schleswig be¬
schränkt, sondern auch auf Holstein*) ausgedehnt. Auf Armee, Finanzen und
auswärtige Angelegenheiten hat sich die Gemeinschaft zu erstrecken; gegen eine
Einverleibung in Dänemark soll Schleswig auch hinfort gesichert, deutsche und
dänische Nationalität in dem Herzogthume gleichmäßig geschützt sein. Beson¬
dere Verfassungen Schleswigs und Holsteins für die besonderen Angelegenheiten



") und Lauenburg. Die Verhältnisse dieses Herzogthums während der Jahre 1848—61
habe ich, da sie in keinem innige» Zusammenhange mit denen Schleswig-Holsteins stehn, ganz
bei Seite lassen zu können geglaubt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/300>, abgerufen am 24.07.2024.