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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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keine Unterbrechung erlitten hatten, unter fortdauernder Herrschaft des Be¬
lagerungszustandes auch nach dem Ende des Kampfes preisgegeben bis aufs
Aeußerste. Willkürliche Absetzungen weltlicher und geistlicher Amtsträger, Ver¬
haftungen, Landesverweisungen und Beschlagnahmen, schmähliche Verhöhnung
aller weltlichen und kirchlichen Verhältnisse, sobald es darauf ankam, dänisches
Wesen und dänische Sprache auf Kosten der deutschen auszubreiten -- das
nannte man in Kopenhagen: Schleswig regieren.

Doch ich habe die Grenzen meiner Aufgabe schon überschritten. Und,zu
dieser Aufgabe gehört es auch nicht, nachzuweisen, wie selbst jene kümmerlichen
Ueberreste der alten, rechtlichen Stellung der Herzogtümer, welche zu achten sich
Dänemark gegen den deutschen Bund durch die Festsetzungen von 1851--1862
ausdrücklich verpflichtet hatte, in den verschiedensten Arten verletzt worden sind.
Wissen wir doch alle, daß, nach ärgerlichsten und viel verschlungenen Verhand¬
lungen, die Langmuth des deutschen Bundestages soeben erschöpft zu sein, eine
Execution in anderem Sinne als die von 1830 in nächster Nähe zu stehn schien,
als der Tod Friedrichs des Siebenten plötzlich eine ganz neue Wendung brachte
und ganz neue Aussichten eröffnete.

Und nur mit wenigen Worten mag diese Darstellung auch der Verhand¬
lung gedenken, deren Resultat gegenwärtig so viele Gedanken und Federn in
Bewegung gesetzt, der Verhandlung, welche neben alle", seit 1850 zwischen dem
Bund und Dänemark gepflogenen Verhandlungen herging und mit einer gewissen
Nothwendigkeit zur Krönung des Werkes gehörte. Der Gescunmtstaat wäre eine
Lächerlichkeit geworden, wenn nicht eine gleichmäßige Erbfolge in allen seinen
Theilen ihn von der Gefahr befreit hätte, in naher Zukunft wieder in diese
Theile aufgelöst zu werden. Wir wissen, wie sich bereits im Jahre 1850 Ru߬
land. Frankreich und Schweden, wie ferner auch England und Oestreich durch
ein diplomatisches Actenstück die Fortdauer des Zusammenhangs der Länder,
die Friedrich der Siebente beherrschte, sür ihren Wunsch erklärt und dem Be¬
streben des dänischen Königs, diese Fortdauer durch eine sogenannte Regelung
der Erbfolge zu sichern, ihren Beifall gespendet halten; nur wissen ferner, wie
Preußen, durch den berliner Frieden zur Theilnahme an den hierauf abzielenden
Verhandlungen verpflichtet war. Der bestimmte Schritt zur Ausführung geschah
mit Hilfe, unter dem mächtigen Einfluß und zum nicht geringen Vortheil des
russischen Kaisers Nikolaus. Als Abkömmling einer Nebenlinie des in Däne¬
mark regierenden oldenburgischen Hauses, welche einstmals bedeutende Theile
von Holstein und Schleswig besessen, 1767 und 1773 aber darauf verzichtet
hatte, legte jetzt der russische Kaiser diesen Verzicht so aus, daß dessen Gültigkeit
mit dem Tode Friedrichs des Siebenten und des königlichen Oheims Ferdinand er¬
löschen , daß also dann die Ansprüche des Kaisers wieder in Kraft treten mußten.
Er that dies, um sofort durch einen abermaligen Verzicht die Geltendmachung


keine Unterbrechung erlitten hatten, unter fortdauernder Herrschaft des Be¬
lagerungszustandes auch nach dem Ende des Kampfes preisgegeben bis aufs
Aeußerste. Willkürliche Absetzungen weltlicher und geistlicher Amtsträger, Ver¬
haftungen, Landesverweisungen und Beschlagnahmen, schmähliche Verhöhnung
aller weltlichen und kirchlichen Verhältnisse, sobald es darauf ankam, dänisches
Wesen und dänische Sprache auf Kosten der deutschen auszubreiten — das
nannte man in Kopenhagen: Schleswig regieren.

Doch ich habe die Grenzen meiner Aufgabe schon überschritten. Und,zu
dieser Aufgabe gehört es auch nicht, nachzuweisen, wie selbst jene kümmerlichen
Ueberreste der alten, rechtlichen Stellung der Herzogtümer, welche zu achten sich
Dänemark gegen den deutschen Bund durch die Festsetzungen von 1851—1862
ausdrücklich verpflichtet hatte, in den verschiedensten Arten verletzt worden sind.
Wissen wir doch alle, daß, nach ärgerlichsten und viel verschlungenen Verhand¬
lungen, die Langmuth des deutschen Bundestages soeben erschöpft zu sein, eine
Execution in anderem Sinne als die von 1830 in nächster Nähe zu stehn schien,
als der Tod Friedrichs des Siebenten plötzlich eine ganz neue Wendung brachte
und ganz neue Aussichten eröffnete.

Und nur mit wenigen Worten mag diese Darstellung auch der Verhand¬
lung gedenken, deren Resultat gegenwärtig so viele Gedanken und Federn in
Bewegung gesetzt, der Verhandlung, welche neben alle», seit 1850 zwischen dem
Bund und Dänemark gepflogenen Verhandlungen herging und mit einer gewissen
Nothwendigkeit zur Krönung des Werkes gehörte. Der Gescunmtstaat wäre eine
Lächerlichkeit geworden, wenn nicht eine gleichmäßige Erbfolge in allen seinen
Theilen ihn von der Gefahr befreit hätte, in naher Zukunft wieder in diese
Theile aufgelöst zu werden. Wir wissen, wie sich bereits im Jahre 1850 Ru߬
land. Frankreich und Schweden, wie ferner auch England und Oestreich durch
ein diplomatisches Actenstück die Fortdauer des Zusammenhangs der Länder,
die Friedrich der Siebente beherrschte, sür ihren Wunsch erklärt und dem Be¬
streben des dänischen Königs, diese Fortdauer durch eine sogenannte Regelung
der Erbfolge zu sichern, ihren Beifall gespendet halten; nur wissen ferner, wie
Preußen, durch den berliner Frieden zur Theilnahme an den hierauf abzielenden
Verhandlungen verpflichtet war. Der bestimmte Schritt zur Ausführung geschah
mit Hilfe, unter dem mächtigen Einfluß und zum nicht geringen Vortheil des
russischen Kaisers Nikolaus. Als Abkömmling einer Nebenlinie des in Däne¬
mark regierenden oldenburgischen Hauses, welche einstmals bedeutende Theile
von Holstein und Schleswig besessen, 1767 und 1773 aber darauf verzichtet
hatte, legte jetzt der russische Kaiser diesen Verzicht so aus, daß dessen Gültigkeit
mit dem Tode Friedrichs des Siebenten und des königlichen Oheims Ferdinand er¬
löschen , daß also dann die Ansprüche des Kaisers wieder in Kraft treten mußten.
Er that dies, um sofort durch einen abermaligen Verzicht die Geltendmachung


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[0302] keine Unterbrechung erlitten hatten, unter fortdauernder Herrschaft des Be¬ lagerungszustandes auch nach dem Ende des Kampfes preisgegeben bis aufs Aeußerste. Willkürliche Absetzungen weltlicher und geistlicher Amtsträger, Ver¬ haftungen, Landesverweisungen und Beschlagnahmen, schmähliche Verhöhnung aller weltlichen und kirchlichen Verhältnisse, sobald es darauf ankam, dänisches Wesen und dänische Sprache auf Kosten der deutschen auszubreiten — das nannte man in Kopenhagen: Schleswig regieren. Doch ich habe die Grenzen meiner Aufgabe schon überschritten. Und,zu dieser Aufgabe gehört es auch nicht, nachzuweisen, wie selbst jene kümmerlichen Ueberreste der alten, rechtlichen Stellung der Herzogtümer, welche zu achten sich Dänemark gegen den deutschen Bund durch die Festsetzungen von 1851—1862 ausdrücklich verpflichtet hatte, in den verschiedensten Arten verletzt worden sind. Wissen wir doch alle, daß, nach ärgerlichsten und viel verschlungenen Verhand¬ lungen, die Langmuth des deutschen Bundestages soeben erschöpft zu sein, eine Execution in anderem Sinne als die von 1830 in nächster Nähe zu stehn schien, als der Tod Friedrichs des Siebenten plötzlich eine ganz neue Wendung brachte und ganz neue Aussichten eröffnete. Und nur mit wenigen Worten mag diese Darstellung auch der Verhand¬ lung gedenken, deren Resultat gegenwärtig so viele Gedanken und Federn in Bewegung gesetzt, der Verhandlung, welche neben alle», seit 1850 zwischen dem Bund und Dänemark gepflogenen Verhandlungen herging und mit einer gewissen Nothwendigkeit zur Krönung des Werkes gehörte. Der Gescunmtstaat wäre eine Lächerlichkeit geworden, wenn nicht eine gleichmäßige Erbfolge in allen seinen Theilen ihn von der Gefahr befreit hätte, in naher Zukunft wieder in diese Theile aufgelöst zu werden. Wir wissen, wie sich bereits im Jahre 1850 Ru߬ land. Frankreich und Schweden, wie ferner auch England und Oestreich durch ein diplomatisches Actenstück die Fortdauer des Zusammenhangs der Länder, die Friedrich der Siebente beherrschte, sür ihren Wunsch erklärt und dem Be¬ streben des dänischen Königs, diese Fortdauer durch eine sogenannte Regelung der Erbfolge zu sichern, ihren Beifall gespendet halten; nur wissen ferner, wie Preußen, durch den berliner Frieden zur Theilnahme an den hierauf abzielenden Verhandlungen verpflichtet war. Der bestimmte Schritt zur Ausführung geschah mit Hilfe, unter dem mächtigen Einfluß und zum nicht geringen Vortheil des russischen Kaisers Nikolaus. Als Abkömmling einer Nebenlinie des in Däne¬ mark regierenden oldenburgischen Hauses, welche einstmals bedeutende Theile von Holstein und Schleswig besessen, 1767 und 1773 aber darauf verzichtet hatte, legte jetzt der russische Kaiser diesen Verzicht so aus, daß dessen Gültigkeit mit dem Tode Friedrichs des Siebenten und des königlichen Oheims Ferdinand er¬ löschen , daß also dann die Ansprüche des Kaisers wieder in Kraft treten mußten. Er that dies, um sofort durch einen abermaligen Verzicht die Geltendmachung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/302>, abgerufen am 24.07.2024.