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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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zur Vermeidung der Execution, Beseler dafür, kein Recht gutwillig aufzugeben.
Sie beschlossen die Landesversammlung entscheiden zu lassen; wer die Mehrheit
gegen sich haben würde, wollte austreten. Die Landesversammlung entschied
für Rcventlows Ansicht, und dieser übernahm nun allein die herzzerreißende
Aufgabe, die Anordnungen der Commissäre auszuführen. Die Zurückziehung
der Armee über die Eider erfolgte; die Dänen, statt den von den Commissären
gethanen Aeußerungen gemäß gleichfalls aus dem südlichen Schleswig zurück-
zugehn, rückten in die geräumten Stellungen nach. Die Armee der Herzog-
thümer ward auf ein Drittel reducirt, insbesondere mußten alle Schleswiger aus
ihr entlassen werden. Die Landesvcrsammlung ward vertagt, bald darnach auf¬
gelöst. In größter Ordnung vollzog sich alles. Für solche Fügsamkeit war Äer-
schvnung mit dem Einrücken der Executionstruppcn in Aussicht gestellt worden;
auch war gegen die Statthalterschaft die Rede davon gewesen, daß Rendsburg
und Friedrichsort von den Resten der Schleswig-holsteinischen Armee besetzt blei¬
ben dürften. Aber näher und näher war unterdeß ein östreichisches Corps nach
der unteren Elbe herangekommen. Preußische Pivnniere schlugen ihnen am
17. Januar bei Artlenburg eine Brücke über den Strom. Jetzt kündigten die
Commissäre der Statthalterschaft an, daß ein Theil der Oestreicher nebst einer
preußischen Abtheilung einrücken würde, nicht als Exccutionstruppen, sondern
wie in ein befreundetes Land; sie verlangten, daß ihnen die Festung Rends¬
burg eingeräumt, daß die dortigen wie die in Altona aufgehäuften Kriegsvor¬
räthe dem Schutze des deutschen Bundes anvertraut würden. Und wenn sich
für jenes Einrücken allenfalls der Grund hören ließ, man müsse, um nun mit
den Dänen über die Zukunft Holsteins zu verhandeln, auch eine Stellung ihnen
gegenüber einnehmen -- was sollte man zu der Erklärung sagen, das rends-
vurger Kronwerk im Norden der Eider sowie die Festung Friedrichsvrl am Ein¬
gange des dicker Hafens, über deren Zugehörigkeit zu Schleswig oder Holstein
man von Kopenhagen her Streit erhoben hatte, seien den Dänen einzuräumen!

Solches alles geschah im Namen des deutschen Bundes; für einzelne Hand¬
lungen beriefen sich wohl die Commissarien besonders darauf, der Bund habe
also beschlossen. Aber sowie früher mehre der mit Oestreich befreundeten deut¬
schen Regierungen von vornherein die Commissarien gern an einige Bedingungen
zu Gunsten der Herzogthümer gebunden hätten, so hatten mehre der an Preu-.
ßer hängenden Staaten sich von der Ausführung des olmützcr Vertrags voll¬
ständig oder theilweise losgesagt und besonders der Artikel desselben über Hol¬
stein war ein Gegenstand ihres Protestes.

An einen Widerstand war in Holstein nicht mehr zu denken. Die An¬
kündigungen wurden ausgeführt, den Forderungen Folge geleistet. Ehe dies
noch vollständig geschehen, am 2. Febr. 18S1, legte die Statthalterschaft in der
Person des Grafen Reventlow-Preetz die Regierung des Landes, die ihr einst


zur Vermeidung der Execution, Beseler dafür, kein Recht gutwillig aufzugeben.
Sie beschlossen die Landesversammlung entscheiden zu lassen; wer die Mehrheit
gegen sich haben würde, wollte austreten. Die Landesversammlung entschied
für Rcventlows Ansicht, und dieser übernahm nun allein die herzzerreißende
Aufgabe, die Anordnungen der Commissäre auszuführen. Die Zurückziehung
der Armee über die Eider erfolgte; die Dänen, statt den von den Commissären
gethanen Aeußerungen gemäß gleichfalls aus dem südlichen Schleswig zurück-
zugehn, rückten in die geräumten Stellungen nach. Die Armee der Herzog-
thümer ward auf ein Drittel reducirt, insbesondere mußten alle Schleswiger aus
ihr entlassen werden. Die Landesvcrsammlung ward vertagt, bald darnach auf¬
gelöst. In größter Ordnung vollzog sich alles. Für solche Fügsamkeit war Äer-
schvnung mit dem Einrücken der Executionstruppcn in Aussicht gestellt worden;
auch war gegen die Statthalterschaft die Rede davon gewesen, daß Rendsburg
und Friedrichsort von den Resten der Schleswig-holsteinischen Armee besetzt blei¬
ben dürften. Aber näher und näher war unterdeß ein östreichisches Corps nach
der unteren Elbe herangekommen. Preußische Pivnniere schlugen ihnen am
17. Januar bei Artlenburg eine Brücke über den Strom. Jetzt kündigten die
Commissäre der Statthalterschaft an, daß ein Theil der Oestreicher nebst einer
preußischen Abtheilung einrücken würde, nicht als Exccutionstruppen, sondern
wie in ein befreundetes Land; sie verlangten, daß ihnen die Festung Rends¬
burg eingeräumt, daß die dortigen wie die in Altona aufgehäuften Kriegsvor¬
räthe dem Schutze des deutschen Bundes anvertraut würden. Und wenn sich
für jenes Einrücken allenfalls der Grund hören ließ, man müsse, um nun mit
den Dänen über die Zukunft Holsteins zu verhandeln, auch eine Stellung ihnen
gegenüber einnehmen — was sollte man zu der Erklärung sagen, das rends-
vurger Kronwerk im Norden der Eider sowie die Festung Friedrichsvrl am Ein¬
gange des dicker Hafens, über deren Zugehörigkeit zu Schleswig oder Holstein
man von Kopenhagen her Streit erhoben hatte, seien den Dänen einzuräumen!

Solches alles geschah im Namen des deutschen Bundes; für einzelne Hand¬
lungen beriefen sich wohl die Commissarien besonders darauf, der Bund habe
also beschlossen. Aber sowie früher mehre der mit Oestreich befreundeten deut¬
schen Regierungen von vornherein die Commissarien gern an einige Bedingungen
zu Gunsten der Herzogthümer gebunden hätten, so hatten mehre der an Preu-.
ßer hängenden Staaten sich von der Ausführung des olmützcr Vertrags voll¬
ständig oder theilweise losgesagt und besonders der Artikel desselben über Hol¬
stein war ein Gegenstand ihres Protestes.

An einen Widerstand war in Holstein nicht mehr zu denken. Die An¬
kündigungen wurden ausgeführt, den Forderungen Folge geleistet. Ehe dies
noch vollständig geschehen, am 2. Febr. 18S1, legte die Statthalterschaft in der
Person des Grafen Reventlow-Preetz die Regierung des Landes, die ihr einst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/299>, abgerufen am 24.07.2024.