Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

nißmäßige Summe für Kunst und Literatur zu verwenden, gilt in den ent¬
sprechenden Kreisen bei uns noch immer Bücher kaufen für den entbehrlichsten
Luxus. Den überwiegenden Theil des laufenden Publicums machen daher die
aus, welche Bücher als ihr Handwerkszeug nicht wohl entbehren können, und
das ist weder der größte noch der bestgestellte Theil des lesenden Publicums.

Das Verhältniß des Publicums zum Musikalienhandel ist nun noch ein
wesentlich anderes als zum Buchhandel. Musikalien kaufen ganz überwiegend
nur diejenigen, welche selbst spielen und singen, und daher auch nur solche,
welche in den Bereich ihrer ausübenden Kraft und ihres Geschmacks fallen.
Den eigentlichen Markt bildet also die große Zahl der halbgebildeter Dilettanten,
deren Geschmacksrichtung vorzugsweise durch de" Einfluß des Musiklehrers oder
die Vorträge der Virtuosen bestimmt wird. Nach einer anderen Richtung geht
dann der Bedarf der Gesangvereine und Cvncertinstitutc. Sehr gering ist
dagegen die Zahl gründlich Gebildeter, welche mit selbständigem Urtheil und
ernstem Interesse Musikalien anschaffen, um entweder nach gewissen Richtungen
oder gar in einem größeren Umfang sich, sei es zum Genuß, sei es zur Be¬
lehrung, einen Ueberblick oder zusammenhängende Kenntniß zu erwerben. Die
Musiker von Profession haben nicht immer die Bildung und Neigung, häufig
auch nicht die Zeit solchen Studien nachzugehen, in den meisten Fällen fehlen
ihnen die Mittel dazu. Zum Gegenstand wirklich wissenschaftlicher, namentlich
historischer Forschung, welche eines umfassenden Apparats bedarf, wird die
Musik noch immer nur selten gemacht, und so fehlt es denn auch fast gänzlich an
großen, nach einem bestimmten Plan angelegten und fortgeführten Sammlungen.
Außer den großen Bibliotheken von Berlin. München und Wien wird kaum
eine andere in Deutschland die Musik als ein vollberechtigtes Fach anerkennen
und Pflegen, auch die Konservatorien und verwandte Institute scheinen das
Bedürfniß musikalischer Sammlungen, die über die nächste praktische Nothdurft
hinausgehen, noch nicht zu empfinden. Die Unterstützung öffentlicher Biblio¬
theken, welche für buchhändlerische Unternehmungen von größerem Umfang von
solcher Wichtigkeit ist, kommt daher dem Musikalienhandel nur so ausnahms¬
weise zu statten, daß sie schwerlich als ein wesentlicher Factor mit in Betracht
kommen kann. Mithin ist der Musikalienhandel noch ungleich mehr auf das
tägliche Bedürfniß mit seinen Launen hingewiesen, als der Buchhandel und
diese Verwandtschaft mit einem Modegeschäft erklärt manche eigenthümliche Er¬
scheinung; z. B. die Ausstattung der Titelblätter, von denen meistens das Wort
jenes bescheidenen Kritikers gilt: "Wenn es auch nicht geschmackvoll ist. so ziert
es doch;" die für jede historische Forschung und selbst für die Neugierde lästige
Gewohnheit das Jahr des Erscheinens zu verschweigen, und ähnliches, was dem
Musikalienheft den Charakter eines Modeartikels giebt. Der theure Preis der
Musikalien, welcher zunächst allerdings dadurch bedingt wird, daß die Herstellungs-


nißmäßige Summe für Kunst und Literatur zu verwenden, gilt in den ent¬
sprechenden Kreisen bei uns noch immer Bücher kaufen für den entbehrlichsten
Luxus. Den überwiegenden Theil des laufenden Publicums machen daher die
aus, welche Bücher als ihr Handwerkszeug nicht wohl entbehren können, und
das ist weder der größte noch der bestgestellte Theil des lesenden Publicums.

Das Verhältniß des Publicums zum Musikalienhandel ist nun noch ein
wesentlich anderes als zum Buchhandel. Musikalien kaufen ganz überwiegend
nur diejenigen, welche selbst spielen und singen, und daher auch nur solche,
welche in den Bereich ihrer ausübenden Kraft und ihres Geschmacks fallen.
Den eigentlichen Markt bildet also die große Zahl der halbgebildeter Dilettanten,
deren Geschmacksrichtung vorzugsweise durch de» Einfluß des Musiklehrers oder
die Vorträge der Virtuosen bestimmt wird. Nach einer anderen Richtung geht
dann der Bedarf der Gesangvereine und Cvncertinstitutc. Sehr gering ist
dagegen die Zahl gründlich Gebildeter, welche mit selbständigem Urtheil und
ernstem Interesse Musikalien anschaffen, um entweder nach gewissen Richtungen
oder gar in einem größeren Umfang sich, sei es zum Genuß, sei es zur Be¬
lehrung, einen Ueberblick oder zusammenhängende Kenntniß zu erwerben. Die
Musiker von Profession haben nicht immer die Bildung und Neigung, häufig
auch nicht die Zeit solchen Studien nachzugehen, in den meisten Fällen fehlen
ihnen die Mittel dazu. Zum Gegenstand wirklich wissenschaftlicher, namentlich
historischer Forschung, welche eines umfassenden Apparats bedarf, wird die
Musik noch immer nur selten gemacht, und so fehlt es denn auch fast gänzlich an
großen, nach einem bestimmten Plan angelegten und fortgeführten Sammlungen.
Außer den großen Bibliotheken von Berlin. München und Wien wird kaum
eine andere in Deutschland die Musik als ein vollberechtigtes Fach anerkennen
und Pflegen, auch die Konservatorien und verwandte Institute scheinen das
Bedürfniß musikalischer Sammlungen, die über die nächste praktische Nothdurft
hinausgehen, noch nicht zu empfinden. Die Unterstützung öffentlicher Biblio¬
theken, welche für buchhändlerische Unternehmungen von größerem Umfang von
solcher Wichtigkeit ist, kommt daher dem Musikalienhandel nur so ausnahms¬
weise zu statten, daß sie schwerlich als ein wesentlicher Factor mit in Betracht
kommen kann. Mithin ist der Musikalienhandel noch ungleich mehr auf das
tägliche Bedürfniß mit seinen Launen hingewiesen, als der Buchhandel und
diese Verwandtschaft mit einem Modegeschäft erklärt manche eigenthümliche Er¬
scheinung; z. B. die Ausstattung der Titelblätter, von denen meistens das Wort
jenes bescheidenen Kritikers gilt: „Wenn es auch nicht geschmackvoll ist. so ziert
es doch;" die für jede historische Forschung und selbst für die Neugierde lästige
Gewohnheit das Jahr des Erscheinens zu verschweigen, und ähnliches, was dem
Musikalienheft den Charakter eines Modeartikels giebt. Der theure Preis der
Musikalien, welcher zunächst allerdings dadurch bedingt wird, daß die Herstellungs-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116748"/>
          <p xml:id="ID_833" prev="#ID_832"> nißmäßige Summe für Kunst und Literatur zu verwenden, gilt in den ent¬<lb/>
sprechenden Kreisen bei uns noch immer Bücher kaufen für den entbehrlichsten<lb/>
Luxus. Den überwiegenden Theil des laufenden Publicums machen daher die<lb/>
aus, welche Bücher als ihr Handwerkszeug nicht wohl entbehren können, und<lb/>
das ist weder der größte noch der bestgestellte Theil des lesenden Publicums.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_834" next="#ID_835"> Das Verhältniß des Publicums zum Musikalienhandel ist nun noch ein<lb/>
wesentlich anderes als zum Buchhandel. Musikalien kaufen ganz überwiegend<lb/>
nur diejenigen, welche selbst spielen und singen, und daher auch nur solche,<lb/>
welche in den Bereich ihrer ausübenden Kraft und ihres Geschmacks fallen.<lb/>
Den eigentlichen Markt bildet also die große Zahl der halbgebildeter Dilettanten,<lb/>
deren Geschmacksrichtung vorzugsweise durch de» Einfluß des Musiklehrers oder<lb/>
die Vorträge der Virtuosen bestimmt wird. Nach einer anderen Richtung geht<lb/>
dann der Bedarf der Gesangvereine und Cvncertinstitutc. Sehr gering ist<lb/>
dagegen die Zahl gründlich Gebildeter, welche mit selbständigem Urtheil und<lb/>
ernstem Interesse Musikalien anschaffen, um entweder nach gewissen Richtungen<lb/>
oder gar in einem größeren Umfang sich, sei es zum Genuß, sei es zur Be¬<lb/>
lehrung, einen Ueberblick oder zusammenhängende Kenntniß zu erwerben. Die<lb/>
Musiker von Profession haben nicht immer die Bildung und Neigung, häufig<lb/>
auch nicht die Zeit solchen Studien nachzugehen, in den meisten Fällen fehlen<lb/>
ihnen die Mittel dazu. Zum Gegenstand wirklich wissenschaftlicher, namentlich<lb/>
historischer Forschung, welche eines umfassenden Apparats bedarf, wird die<lb/>
Musik noch immer nur selten gemacht, und so fehlt es denn auch fast gänzlich an<lb/>
großen, nach einem bestimmten Plan angelegten und fortgeführten Sammlungen.<lb/>
Außer den großen Bibliotheken von Berlin. München und Wien wird kaum<lb/>
eine andere in Deutschland die Musik als ein vollberechtigtes Fach anerkennen<lb/>
und Pflegen, auch die Konservatorien und verwandte Institute scheinen das<lb/>
Bedürfniß musikalischer Sammlungen, die über die nächste praktische Nothdurft<lb/>
hinausgehen, noch nicht zu empfinden. Die Unterstützung öffentlicher Biblio¬<lb/>
theken, welche für buchhändlerische Unternehmungen von größerem Umfang von<lb/>
solcher Wichtigkeit ist, kommt daher dem Musikalienhandel nur so ausnahms¬<lb/>
weise zu statten, daß sie schwerlich als ein wesentlicher Factor mit in Betracht<lb/>
kommen kann. Mithin ist der Musikalienhandel noch ungleich mehr auf das<lb/>
tägliche Bedürfniß mit seinen Launen hingewiesen, als der Buchhandel und<lb/>
diese Verwandtschaft mit einem Modegeschäft erklärt manche eigenthümliche Er¬<lb/>
scheinung; z. B. die Ausstattung der Titelblätter, von denen meistens das Wort<lb/>
jenes bescheidenen Kritikers gilt: &#x201E;Wenn es auch nicht geschmackvoll ist. so ziert<lb/>
es doch;" die für jede historische Forschung und selbst für die Neugierde lästige<lb/>
Gewohnheit das Jahr des Erscheinens zu verschweigen, und ähnliches, was dem<lb/>
Musikalienheft den Charakter eines Modeartikels giebt. Der theure Preis der<lb/>
Musikalien, welcher zunächst allerdings dadurch bedingt wird, daß die Herstellungs-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0282] nißmäßige Summe für Kunst und Literatur zu verwenden, gilt in den ent¬ sprechenden Kreisen bei uns noch immer Bücher kaufen für den entbehrlichsten Luxus. Den überwiegenden Theil des laufenden Publicums machen daher die aus, welche Bücher als ihr Handwerkszeug nicht wohl entbehren können, und das ist weder der größte noch der bestgestellte Theil des lesenden Publicums. Das Verhältniß des Publicums zum Musikalienhandel ist nun noch ein wesentlich anderes als zum Buchhandel. Musikalien kaufen ganz überwiegend nur diejenigen, welche selbst spielen und singen, und daher auch nur solche, welche in den Bereich ihrer ausübenden Kraft und ihres Geschmacks fallen. Den eigentlichen Markt bildet also die große Zahl der halbgebildeter Dilettanten, deren Geschmacksrichtung vorzugsweise durch de» Einfluß des Musiklehrers oder die Vorträge der Virtuosen bestimmt wird. Nach einer anderen Richtung geht dann der Bedarf der Gesangvereine und Cvncertinstitutc. Sehr gering ist dagegen die Zahl gründlich Gebildeter, welche mit selbständigem Urtheil und ernstem Interesse Musikalien anschaffen, um entweder nach gewissen Richtungen oder gar in einem größeren Umfang sich, sei es zum Genuß, sei es zur Be¬ lehrung, einen Ueberblick oder zusammenhängende Kenntniß zu erwerben. Die Musiker von Profession haben nicht immer die Bildung und Neigung, häufig auch nicht die Zeit solchen Studien nachzugehen, in den meisten Fällen fehlen ihnen die Mittel dazu. Zum Gegenstand wirklich wissenschaftlicher, namentlich historischer Forschung, welche eines umfassenden Apparats bedarf, wird die Musik noch immer nur selten gemacht, und so fehlt es denn auch fast gänzlich an großen, nach einem bestimmten Plan angelegten und fortgeführten Sammlungen. Außer den großen Bibliotheken von Berlin. München und Wien wird kaum eine andere in Deutschland die Musik als ein vollberechtigtes Fach anerkennen und Pflegen, auch die Konservatorien und verwandte Institute scheinen das Bedürfniß musikalischer Sammlungen, die über die nächste praktische Nothdurft hinausgehen, noch nicht zu empfinden. Die Unterstützung öffentlicher Biblio¬ theken, welche für buchhändlerische Unternehmungen von größerem Umfang von solcher Wichtigkeit ist, kommt daher dem Musikalienhandel nur so ausnahms¬ weise zu statten, daß sie schwerlich als ein wesentlicher Factor mit in Betracht kommen kann. Mithin ist der Musikalienhandel noch ungleich mehr auf das tägliche Bedürfniß mit seinen Launen hingewiesen, als der Buchhandel und diese Verwandtschaft mit einem Modegeschäft erklärt manche eigenthümliche Er¬ scheinung; z. B. die Ausstattung der Titelblätter, von denen meistens das Wort jenes bescheidenen Kritikers gilt: „Wenn es auch nicht geschmackvoll ist. so ziert es doch;" die für jede historische Forschung und selbst für die Neugierde lästige Gewohnheit das Jahr des Erscheinens zu verschweigen, und ähnliches, was dem Musikalienheft den Charakter eines Modeartikels giebt. Der theure Preis der Musikalien, welcher zunächst allerdings dadurch bedingt wird, daß die Herstellungs-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/282
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/282>, abgerufen am 24.07.2024.