Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zu, die Steuern zu erheben, und aus vielen Orten wurden sie freiwillig bei
der Statthalterschaft in Holstein eingesendet. Die Beamten, welche die Landes¬
verwaltung aufdringen wollte, wies man zurück, und bald verschonte die letztere
diesen Theil des Landes mit ihren Einsetzungen und Absetzungen fast ganz.
Keine oberste Behörde übte hier eine wahre Autorität; es war als ob nur eine
unwillkürliche Uebereinstimmung Aller den Widerstand leite und die Ordnung
erhalte. Die preußischen Truppen unter General v. Hahn wußten es in der
Regel zu vermeiden, der Landesverwaltung zur Durchführung ihrer Absichten
den Arm zu leihen. In widerwärtigen Gegensatze dazu stand leider, daß an
Einer Stelle sich Preußen den Dänen in Kränkung der bedrängten schleswig¬
holsteinischen Sache beigesellte. Die Fregatte Gcfion sollte zu Ende September
auf Befehl der, von Preußen freilich nicht mehr anerkannten Centralgewalt
aus dem Hafen von Eckernförde nach Kiel geholt werden; die Preußen wider¬
setzten sich auf das schärfste; das Schiff, durch Schleswig-holsteinische Tapferkeit
erobert und von den Herzogthümern der deutschen Reichsflotte übergeben, ward
jetzt ohne Weiteres als ein preußisches Besitzthum behandelt und den Eroberern
vorenthalten.

Man kann sich denken, mit welcher Begierde die Bevölkerung von Schles¬
wig-Holstein nach der Möglichkeit ausschaute, den Krieg wieder zu beginnen.
Dahin war es gekommen, daß die Herzogtümer die Theilnahme Preußens an
ihrer Angelegenheit mehr als eine Fessel, denn als eine Hilfe zu empfinden
ansingen. In den ersten Tagen des November 1849 faßte die Landesversamm-
iung kriegerische Beschlüsse. Aber die Kräfte des Landes waren noch immer nicht
so entwickelt, daß man allein den Kampf gegen Dänemark hätte aufnehmen
können, und dazu drohte ja immer die Abberufung der preußischen Offiziere
aus dem Schleswig-holsteinischen Heer. Daher denn jetzt die Bemühungen der
Statthalterschaft vorzüglich aus zwei Dinge gerichtet waren, deren Verschiebung
bis auf diesen Zeitpunkt ihr wohl öfters zum Vorwurf gemacht worden ist:
theils wurde auf beträchtliche Vermehrung der Armee hingearbeitet, theils suchte
man sich zu vergewissern, welche von den fremden Offizieren geneigt wären,
ihr Schicksal ganz an das der Herzogthümer zu knüpfen.

Darüber durften aber auch jetzt die Bemühungen um Erlangung eines
Friedens nicht aufhören. Preußen war rastlos in seinen Anstrengungen, sich
des verdrießlichen Krieges zu entledigen. Immer mühseliger wurden damals
für die preußische Regierung die deutschen Verhältnisse, immer schwieriger die
Bestrebungen, von den Entwürfen zur Einigung Deutschlands unter preußischer
Führung noch etwas festzuhalten, immer stärker die Spannung mit Oestreich
und dessen Bundesgenossen. Es versteht sich, daß unter solchen Umständen die
Unsicherheit der Beziehungen zu Dänemark sich doppelt lästig machte. Also wurde
denn bald die Statthalterschaft gedrängt, ihrerseits einen Versöhnungsversuch


34*

zu, die Steuern zu erheben, und aus vielen Orten wurden sie freiwillig bei
der Statthalterschaft in Holstein eingesendet. Die Beamten, welche die Landes¬
verwaltung aufdringen wollte, wies man zurück, und bald verschonte die letztere
diesen Theil des Landes mit ihren Einsetzungen und Absetzungen fast ganz.
Keine oberste Behörde übte hier eine wahre Autorität; es war als ob nur eine
unwillkürliche Uebereinstimmung Aller den Widerstand leite und die Ordnung
erhalte. Die preußischen Truppen unter General v. Hahn wußten es in der
Regel zu vermeiden, der Landesverwaltung zur Durchführung ihrer Absichten
den Arm zu leihen. In widerwärtigen Gegensatze dazu stand leider, daß an
Einer Stelle sich Preußen den Dänen in Kränkung der bedrängten schleswig¬
holsteinischen Sache beigesellte. Die Fregatte Gcfion sollte zu Ende September
auf Befehl der, von Preußen freilich nicht mehr anerkannten Centralgewalt
aus dem Hafen von Eckernförde nach Kiel geholt werden; die Preußen wider¬
setzten sich auf das schärfste; das Schiff, durch Schleswig-holsteinische Tapferkeit
erobert und von den Herzogthümern der deutschen Reichsflotte übergeben, ward
jetzt ohne Weiteres als ein preußisches Besitzthum behandelt und den Eroberern
vorenthalten.

Man kann sich denken, mit welcher Begierde die Bevölkerung von Schles¬
wig-Holstein nach der Möglichkeit ausschaute, den Krieg wieder zu beginnen.
Dahin war es gekommen, daß die Herzogtümer die Theilnahme Preußens an
ihrer Angelegenheit mehr als eine Fessel, denn als eine Hilfe zu empfinden
ansingen. In den ersten Tagen des November 1849 faßte die Landesversamm-
iung kriegerische Beschlüsse. Aber die Kräfte des Landes waren noch immer nicht
so entwickelt, daß man allein den Kampf gegen Dänemark hätte aufnehmen
können, und dazu drohte ja immer die Abberufung der preußischen Offiziere
aus dem Schleswig-holsteinischen Heer. Daher denn jetzt die Bemühungen der
Statthalterschaft vorzüglich aus zwei Dinge gerichtet waren, deren Verschiebung
bis auf diesen Zeitpunkt ihr wohl öfters zum Vorwurf gemacht worden ist:
theils wurde auf beträchtliche Vermehrung der Armee hingearbeitet, theils suchte
man sich zu vergewissern, welche von den fremden Offizieren geneigt wären,
ihr Schicksal ganz an das der Herzogthümer zu knüpfen.

Darüber durften aber auch jetzt die Bemühungen um Erlangung eines
Friedens nicht aufhören. Preußen war rastlos in seinen Anstrengungen, sich
des verdrießlichen Krieges zu entledigen. Immer mühseliger wurden damals
für die preußische Regierung die deutschen Verhältnisse, immer schwieriger die
Bestrebungen, von den Entwürfen zur Einigung Deutschlands unter preußischer
Führung noch etwas festzuhalten, immer stärker die Spannung mit Oestreich
und dessen Bundesgenossen. Es versteht sich, daß unter solchen Umständen die
Unsicherheit der Beziehungen zu Dänemark sich doppelt lästig machte. Also wurde
denn bald die Statthalterschaft gedrängt, ihrerseits einen Versöhnungsversuch


34*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0273" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/116739"/>
          <p xml:id="ID_815" prev="#ID_814"> zu, die Steuern zu erheben, und aus vielen Orten wurden sie freiwillig bei<lb/>
der Statthalterschaft in Holstein eingesendet. Die Beamten, welche die Landes¬<lb/>
verwaltung aufdringen wollte, wies man zurück, und bald verschonte die letztere<lb/>
diesen Theil des Landes mit ihren Einsetzungen und Absetzungen fast ganz.<lb/>
Keine oberste Behörde übte hier eine wahre Autorität; es war als ob nur eine<lb/>
unwillkürliche Uebereinstimmung Aller den Widerstand leite und die Ordnung<lb/>
erhalte. Die preußischen Truppen unter General v. Hahn wußten es in der<lb/>
Regel zu vermeiden, der Landesverwaltung zur Durchführung ihrer Absichten<lb/>
den Arm zu leihen. In widerwärtigen Gegensatze dazu stand leider, daß an<lb/>
Einer Stelle sich Preußen den Dänen in Kränkung der bedrängten schleswig¬<lb/>
holsteinischen Sache beigesellte. Die Fregatte Gcfion sollte zu Ende September<lb/>
auf Befehl der, von Preußen freilich nicht mehr anerkannten Centralgewalt<lb/>
aus dem Hafen von Eckernförde nach Kiel geholt werden; die Preußen wider¬<lb/>
setzten sich auf das schärfste; das Schiff, durch Schleswig-holsteinische Tapferkeit<lb/>
erobert und von den Herzogthümern der deutschen Reichsflotte übergeben, ward<lb/>
jetzt ohne Weiteres als ein preußisches Besitzthum behandelt und den Eroberern<lb/>
vorenthalten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_816"> Man kann sich denken, mit welcher Begierde die Bevölkerung von Schles¬<lb/>
wig-Holstein nach der Möglichkeit ausschaute, den Krieg wieder zu beginnen.<lb/>
Dahin war es gekommen, daß die Herzogtümer die Theilnahme Preußens an<lb/>
ihrer Angelegenheit mehr als eine Fessel, denn als eine Hilfe zu empfinden<lb/>
ansingen. In den ersten Tagen des November 1849 faßte die Landesversamm-<lb/>
iung kriegerische Beschlüsse. Aber die Kräfte des Landes waren noch immer nicht<lb/>
so entwickelt, daß man allein den Kampf gegen Dänemark hätte aufnehmen<lb/>
können, und dazu drohte ja immer die Abberufung der preußischen Offiziere<lb/>
aus dem Schleswig-holsteinischen Heer. Daher denn jetzt die Bemühungen der<lb/>
Statthalterschaft vorzüglich aus zwei Dinge gerichtet waren, deren Verschiebung<lb/>
bis auf diesen Zeitpunkt ihr wohl öfters zum Vorwurf gemacht worden ist:<lb/>
theils wurde auf beträchtliche Vermehrung der Armee hingearbeitet, theils suchte<lb/>
man sich zu vergewissern, welche von den fremden Offizieren geneigt wären,<lb/>
ihr Schicksal ganz an das der Herzogthümer zu knüpfen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_817" next="#ID_818"> Darüber durften aber auch jetzt die Bemühungen um Erlangung eines<lb/>
Friedens nicht aufhören. Preußen war rastlos in seinen Anstrengungen, sich<lb/>
des verdrießlichen Krieges zu entledigen. Immer mühseliger wurden damals<lb/>
für die preußische Regierung die deutschen Verhältnisse, immer schwieriger die<lb/>
Bestrebungen, von den Entwürfen zur Einigung Deutschlands unter preußischer<lb/>
Führung noch etwas festzuhalten, immer stärker die Spannung mit Oestreich<lb/>
und dessen Bundesgenossen. Es versteht sich, daß unter solchen Umständen die<lb/>
Unsicherheit der Beziehungen zu Dänemark sich doppelt lästig machte. Also wurde<lb/>
denn bald die Statthalterschaft gedrängt, ihrerseits einen Versöhnungsversuch</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 34*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0273] zu, die Steuern zu erheben, und aus vielen Orten wurden sie freiwillig bei der Statthalterschaft in Holstein eingesendet. Die Beamten, welche die Landes¬ verwaltung aufdringen wollte, wies man zurück, und bald verschonte die letztere diesen Theil des Landes mit ihren Einsetzungen und Absetzungen fast ganz. Keine oberste Behörde übte hier eine wahre Autorität; es war als ob nur eine unwillkürliche Uebereinstimmung Aller den Widerstand leite und die Ordnung erhalte. Die preußischen Truppen unter General v. Hahn wußten es in der Regel zu vermeiden, der Landesverwaltung zur Durchführung ihrer Absichten den Arm zu leihen. In widerwärtigen Gegensatze dazu stand leider, daß an Einer Stelle sich Preußen den Dänen in Kränkung der bedrängten schleswig¬ holsteinischen Sache beigesellte. Die Fregatte Gcfion sollte zu Ende September auf Befehl der, von Preußen freilich nicht mehr anerkannten Centralgewalt aus dem Hafen von Eckernförde nach Kiel geholt werden; die Preußen wider¬ setzten sich auf das schärfste; das Schiff, durch Schleswig-holsteinische Tapferkeit erobert und von den Herzogthümern der deutschen Reichsflotte übergeben, ward jetzt ohne Weiteres als ein preußisches Besitzthum behandelt und den Eroberern vorenthalten. Man kann sich denken, mit welcher Begierde die Bevölkerung von Schles¬ wig-Holstein nach der Möglichkeit ausschaute, den Krieg wieder zu beginnen. Dahin war es gekommen, daß die Herzogtümer die Theilnahme Preußens an ihrer Angelegenheit mehr als eine Fessel, denn als eine Hilfe zu empfinden ansingen. In den ersten Tagen des November 1849 faßte die Landesversamm- iung kriegerische Beschlüsse. Aber die Kräfte des Landes waren noch immer nicht so entwickelt, daß man allein den Kampf gegen Dänemark hätte aufnehmen können, und dazu drohte ja immer die Abberufung der preußischen Offiziere aus dem Schleswig-holsteinischen Heer. Daher denn jetzt die Bemühungen der Statthalterschaft vorzüglich aus zwei Dinge gerichtet waren, deren Verschiebung bis auf diesen Zeitpunkt ihr wohl öfters zum Vorwurf gemacht worden ist: theils wurde auf beträchtliche Vermehrung der Armee hingearbeitet, theils suchte man sich zu vergewissern, welche von den fremden Offizieren geneigt wären, ihr Schicksal ganz an das der Herzogthümer zu knüpfen. Darüber durften aber auch jetzt die Bemühungen um Erlangung eines Friedens nicht aufhören. Preußen war rastlos in seinen Anstrengungen, sich des verdrießlichen Krieges zu entledigen. Immer mühseliger wurden damals für die preußische Regierung die deutschen Verhältnisse, immer schwieriger die Bestrebungen, von den Entwürfen zur Einigung Deutschlands unter preußischer Führung noch etwas festzuhalten, immer stärker die Spannung mit Oestreich und dessen Bundesgenossen. Es versteht sich, daß unter solchen Umständen die Unsicherheit der Beziehungen zu Dänemark sich doppelt lästig machte. Also wurde denn bald die Statthalterschaft gedrängt, ihrerseits einen Versöhnungsversuch 34*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/273
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/273>, abgerufen am 03.07.2024.