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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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mit dem König-Herzog und dessen Regierung zu unternehmen, bald unterhandelte
man in Berlin mit einem dänischen Gesandten. Aber die Statthalterschaft er¬
hielt auf ihren Antrag. Verhandlungen unter Vertrauensmännern aus den
Herzogthümern und aus dem Königreiche stattfinden zulassen, von Kopenhagen
die Antwort, zwischen Unterthanen Eines Königs könne nicht von Unterhand¬
lungen die Rede sein, und nur an die landesherrliche Gnade habe man sich
zu wenden. In Berlin ging es nicht besser; bei den Verhandlungen, die im
Januar 1850 mit dem dänischen Freiherrn v. Pensum begannen, reichten die
Forderungen des dänischen Gesandten an eine förmliche Einverleibung Schles¬
wigs in Dänemark ganz nahe hinan. Eine arge Verletzung der preußischen
Regierung in der dänischen Thronrede -- es war darin die Hoffnung auf Wie¬
derherstellung des Friedens ausgesprochen, wenn nur nicht irregeleitete Unter¬
thanen bei einer größeren Macht Unterstützung fänden, -- außerdem eine grobe
persönliche Beleidigung des preußischen Königs durch den dänischen, mehrte die
Verbitterung und die Unterhandlungen wurden abgebrochen. England drängte
sie wieder aufzunehmen und es geschah. In Kopenhagen aber wußte man, wo¬
von in Deutschland alle Welt überzeugt war -- daß Preußen keinen Krieg
mehr wolle; fast überflüssige Sicherheit hierüber empfing man noch durch das
Bekanntwerden einer Unterredung des Ministers Grafen Brandenburg mit mehren
Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses. Hartnäckig bestand der
Freiherr v. Pensum auf Gemeinschaft Schleswigs mit Dänemark in Finanzen,
Armee, Volksvertretung und Indigenat; das ging über die von Preußen an¬
genommene Grundlage weit hinaus und die Unterhandlungen blieben nach wie
vor ohne Erfolg. Dennoch übte die preußische Negierung fortwährend jeden
Druck auf die Schleswig-holsteinische Statthalterschaft aus, dieselbe vom Wieder¬
beginn der Feindseligkeiten zurückzuhalten. Und da nun doch Preußen selbst
keinen Frieden mit Dänemark zu Stande zu bringen vermochte, so sollte noch
einmal die Statthalterschaft den Versuch -- bereits den dritten -- unternehmen,
wieweit die Herzogthümer sich direct mit dem Königreiche verständigen könnten.
Gegen die Statthalterschaft selbst aber war bei dem schlimmen Gange der Dinge
und nach all den üblen Früchten, die man aus ihrer Abhängigkeit von Preußen
geerntet hatte, die Opposition in der Landesversammlung stärker und stärker
geworden; jetzt drohte eine Verweigerung der Kriegssteuer; die Minorität des
Ausschusses der Versammlung wollte den Dänen gewisse Bedingungen gestellt
und. wenn diese nicht erfüllt würden, Schleswig besetzt wissen. Durch die Nach¬
richt, daß es eben der Statthalterschaft gelungen sei, einen neuen, unabhän¬
gigen General an der Stelle Bonins für die Befehlshaberschaft der Armee zu
gewinnen, ward die Versammlung umgestimmt und die Statthalterschaft bekam
freie Hand. Der von Preußen gewünschte Versuch fand statt. Aber die ersten
Forderungen, welche die Abgesandten in Kopenhagen vernahmen, gingen unter


mit dem König-Herzog und dessen Regierung zu unternehmen, bald unterhandelte
man in Berlin mit einem dänischen Gesandten. Aber die Statthalterschaft er¬
hielt auf ihren Antrag. Verhandlungen unter Vertrauensmännern aus den
Herzogthümern und aus dem Königreiche stattfinden zulassen, von Kopenhagen
die Antwort, zwischen Unterthanen Eines Königs könne nicht von Unterhand¬
lungen die Rede sein, und nur an die landesherrliche Gnade habe man sich
zu wenden. In Berlin ging es nicht besser; bei den Verhandlungen, die im
Januar 1850 mit dem dänischen Freiherrn v. Pensum begannen, reichten die
Forderungen des dänischen Gesandten an eine förmliche Einverleibung Schles¬
wigs in Dänemark ganz nahe hinan. Eine arge Verletzung der preußischen
Regierung in der dänischen Thronrede — es war darin die Hoffnung auf Wie¬
derherstellung des Friedens ausgesprochen, wenn nur nicht irregeleitete Unter¬
thanen bei einer größeren Macht Unterstützung fänden, — außerdem eine grobe
persönliche Beleidigung des preußischen Königs durch den dänischen, mehrte die
Verbitterung und die Unterhandlungen wurden abgebrochen. England drängte
sie wieder aufzunehmen und es geschah. In Kopenhagen aber wußte man, wo¬
von in Deutschland alle Welt überzeugt war — daß Preußen keinen Krieg
mehr wolle; fast überflüssige Sicherheit hierüber empfing man noch durch das
Bekanntwerden einer Unterredung des Ministers Grafen Brandenburg mit mehren
Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses. Hartnäckig bestand der
Freiherr v. Pensum auf Gemeinschaft Schleswigs mit Dänemark in Finanzen,
Armee, Volksvertretung und Indigenat; das ging über die von Preußen an¬
genommene Grundlage weit hinaus und die Unterhandlungen blieben nach wie
vor ohne Erfolg. Dennoch übte die preußische Negierung fortwährend jeden
Druck auf die Schleswig-holsteinische Statthalterschaft aus, dieselbe vom Wieder¬
beginn der Feindseligkeiten zurückzuhalten. Und da nun doch Preußen selbst
keinen Frieden mit Dänemark zu Stande zu bringen vermochte, so sollte noch
einmal die Statthalterschaft den Versuch — bereits den dritten — unternehmen,
wieweit die Herzogthümer sich direct mit dem Königreiche verständigen könnten.
Gegen die Statthalterschaft selbst aber war bei dem schlimmen Gange der Dinge
und nach all den üblen Früchten, die man aus ihrer Abhängigkeit von Preußen
geerntet hatte, die Opposition in der Landesversammlung stärker und stärker
geworden; jetzt drohte eine Verweigerung der Kriegssteuer; die Minorität des
Ausschusses der Versammlung wollte den Dänen gewisse Bedingungen gestellt
und. wenn diese nicht erfüllt würden, Schleswig besetzt wissen. Durch die Nach¬
richt, daß es eben der Statthalterschaft gelungen sei, einen neuen, unabhän¬
gigen General an der Stelle Bonins für die Befehlshaberschaft der Armee zu
gewinnen, ward die Versammlung umgestimmt und die Statthalterschaft bekam
freie Hand. Der von Preußen gewünschte Versuch fand statt. Aber die ersten
Forderungen, welche die Abgesandten in Kopenhagen vernahmen, gingen unter


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[0274] mit dem König-Herzog und dessen Regierung zu unternehmen, bald unterhandelte man in Berlin mit einem dänischen Gesandten. Aber die Statthalterschaft er¬ hielt auf ihren Antrag. Verhandlungen unter Vertrauensmännern aus den Herzogthümern und aus dem Königreiche stattfinden zulassen, von Kopenhagen die Antwort, zwischen Unterthanen Eines Königs könne nicht von Unterhand¬ lungen die Rede sein, und nur an die landesherrliche Gnade habe man sich zu wenden. In Berlin ging es nicht besser; bei den Verhandlungen, die im Januar 1850 mit dem dänischen Freiherrn v. Pensum begannen, reichten die Forderungen des dänischen Gesandten an eine förmliche Einverleibung Schles¬ wigs in Dänemark ganz nahe hinan. Eine arge Verletzung der preußischen Regierung in der dänischen Thronrede — es war darin die Hoffnung auf Wie¬ derherstellung des Friedens ausgesprochen, wenn nur nicht irregeleitete Unter¬ thanen bei einer größeren Macht Unterstützung fänden, — außerdem eine grobe persönliche Beleidigung des preußischen Königs durch den dänischen, mehrte die Verbitterung und die Unterhandlungen wurden abgebrochen. England drängte sie wieder aufzunehmen und es geschah. In Kopenhagen aber wußte man, wo¬ von in Deutschland alle Welt überzeugt war — daß Preußen keinen Krieg mehr wolle; fast überflüssige Sicherheit hierüber empfing man noch durch das Bekanntwerden einer Unterredung des Ministers Grafen Brandenburg mit mehren Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses. Hartnäckig bestand der Freiherr v. Pensum auf Gemeinschaft Schleswigs mit Dänemark in Finanzen, Armee, Volksvertretung und Indigenat; das ging über die von Preußen an¬ genommene Grundlage weit hinaus und die Unterhandlungen blieben nach wie vor ohne Erfolg. Dennoch übte die preußische Negierung fortwährend jeden Druck auf die Schleswig-holsteinische Statthalterschaft aus, dieselbe vom Wieder¬ beginn der Feindseligkeiten zurückzuhalten. Und da nun doch Preußen selbst keinen Frieden mit Dänemark zu Stande zu bringen vermochte, so sollte noch einmal die Statthalterschaft den Versuch — bereits den dritten — unternehmen, wieweit die Herzogthümer sich direct mit dem Königreiche verständigen könnten. Gegen die Statthalterschaft selbst aber war bei dem schlimmen Gange der Dinge und nach all den üblen Früchten, die man aus ihrer Abhängigkeit von Preußen geerntet hatte, die Opposition in der Landesversammlung stärker und stärker geworden; jetzt drohte eine Verweigerung der Kriegssteuer; die Minorität des Ausschusses der Versammlung wollte den Dänen gewisse Bedingungen gestellt und. wenn diese nicht erfüllt würden, Schleswig besetzt wissen. Durch die Nach¬ richt, daß es eben der Statthalterschaft gelungen sei, einen neuen, unabhän¬ gigen General an der Stelle Bonins für die Befehlshaberschaft der Armee zu gewinnen, ward die Versammlung umgestimmt und die Statthalterschaft bekam freie Hand. Der von Preußen gewünschte Versuch fand statt. Aber die ersten Forderungen, welche die Abgesandten in Kopenhagen vernahmen, gingen unter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/274>, abgerufen am 04.07.2024.