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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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mir den Schirm und mir unterhielten uns prächtig. Plötzlich raschelt es in
den Büschen, wir hören unheimliche Töne, sehen aber nichts und ich zeichne
stundenlang weiter. Als ich einige Stunden darauf ans Zelt zurückkam. sagte
mir ein Matrose: "Haben Sie den Leopard nicht gesehen? er ging über den
Hügel, wo Sie mit Ali saßen." Ich war halb froh, halb ärgerlich, daß ich
ihn nicht sah, Vielleicht hätte ich mich aber doch sehr gefürchtet, wenn ich ihn
so nahe entdeckt hätte.

Eine andere Begegnung war um so herzlicher. Wieder saßen wir auf
einem schönen Plätzchen, als wir einen langen, hagern, einäugigen Eingebore¬
nen auf uns zukommen sahen, der sehr neugierig und forschend unsere ver¬
schiedenen Zeichnungen und Bücher musterte; als er in einem der letzteren das
Bild des gekreuzigten Heilandes sah, liefen ihm die hellen Thränen über die
Wangen und er rief mit wahrer Begeisterung aus: "Abraham (so hieß er
nämlich) ein Christ!" Er zeigte uns nun durch Geberden und Pantomimen
und indem er die bekanntesten Namen aus dem alten und neuen Testament der
Reihe nach hersagte, daß er in der Bibel wohl bewandert sei und äußerte eine
ungeheuchelte Freude, Glaubensgenossen gefunden zu haben. Als er nun
vollends das kleine Bild geschenkt erhielt, wollte sein Entzücken kein Ende
nehmen, er erbat sich einen Pinsel und schrieb die Namen "Jesus Christus",
"Maria Joseph" darauf. Von diesem Augenblick wollte er uns nicht mehr
verlassen und war unermüdlich in Bezeugungen seiner Anhänglichkeit und
Dankbarkeit.

Im Laufe des Nachmittags unternahmen wir eine kleine Entdeckungs¬
promenade zu den oberen Quellen und mußten uns durch dichtes Gestrüpp mit
zolllangen Dornen hindurcharbeiten. Wir waren etwa eine Stunde gegangen
und hatten auf unserer Wanderung eine große Zahl fremdartiger Bäume ge¬
sehen, an denen unzählige Vogelnester hingen und zwar jedes an einem rund
gebogenen Aestchen. so daß sie gleich Früchten an den Baum gewachsen schie¬
nen. Endlich fanden wir in einem romantischen Felsenthal zwei schöne klare
Bassins, die von winzigen Fischen und vielerlei kleinen Schildkröten wimmel¬
ten. Dies ist der obere Ursprung der kalten Quelle, die sich in der Tiefe des
Bodens bis zu unserm Lagerplatz hinzieht, und dort noch einmal aus dem
Boden quillt. Noch anderthalb Stunden weiter zog sich seitwärts ein anderes
wildes Felsenthal, in welchem die oberen heißen Quellen üppig sprudeln; ihr
Geschmack ist äußerst angenehm und etwas stahlartig. Wir sahen auf dem
Wege einige Gazellen, viele Wachteln, Perl- und Frankolinhühner, allerliebste
Colibri in den buntesten Farben und einen Paradiesvogel, der erlegt wurde,
auch verschiedene Taubenarten. Auf dem Rückwege überfiel uns einer jener
tropischen Regengüsse, gegen die kein Schirm hilft, wir ließen uns ruhig durch¬
nässen und kamen triefend an das ebenfalls triefende Zelt, unter dem wir mit


mir den Schirm und mir unterhielten uns prächtig. Plötzlich raschelt es in
den Büschen, wir hören unheimliche Töne, sehen aber nichts und ich zeichne
stundenlang weiter. Als ich einige Stunden darauf ans Zelt zurückkam. sagte
mir ein Matrose: „Haben Sie den Leopard nicht gesehen? er ging über den
Hügel, wo Sie mit Ali saßen." Ich war halb froh, halb ärgerlich, daß ich
ihn nicht sah, Vielleicht hätte ich mich aber doch sehr gefürchtet, wenn ich ihn
so nahe entdeckt hätte.

Eine andere Begegnung war um so herzlicher. Wieder saßen wir auf
einem schönen Plätzchen, als wir einen langen, hagern, einäugigen Eingebore¬
nen auf uns zukommen sahen, der sehr neugierig und forschend unsere ver¬
schiedenen Zeichnungen und Bücher musterte; als er in einem der letzteren das
Bild des gekreuzigten Heilandes sah, liefen ihm die hellen Thränen über die
Wangen und er rief mit wahrer Begeisterung aus: „Abraham (so hieß er
nämlich) ein Christ!" Er zeigte uns nun durch Geberden und Pantomimen
und indem er die bekanntesten Namen aus dem alten und neuen Testament der
Reihe nach hersagte, daß er in der Bibel wohl bewandert sei und äußerte eine
ungeheuchelte Freude, Glaubensgenossen gefunden zu haben. Als er nun
vollends das kleine Bild geschenkt erhielt, wollte sein Entzücken kein Ende
nehmen, er erbat sich einen Pinsel und schrieb die Namen „Jesus Christus",
„Maria Joseph" darauf. Von diesem Augenblick wollte er uns nicht mehr
verlassen und war unermüdlich in Bezeugungen seiner Anhänglichkeit und
Dankbarkeit.

Im Laufe des Nachmittags unternahmen wir eine kleine Entdeckungs¬
promenade zu den oberen Quellen und mußten uns durch dichtes Gestrüpp mit
zolllangen Dornen hindurcharbeiten. Wir waren etwa eine Stunde gegangen
und hatten auf unserer Wanderung eine große Zahl fremdartiger Bäume ge¬
sehen, an denen unzählige Vogelnester hingen und zwar jedes an einem rund
gebogenen Aestchen. so daß sie gleich Früchten an den Baum gewachsen schie¬
nen. Endlich fanden wir in einem romantischen Felsenthal zwei schöne klare
Bassins, die von winzigen Fischen und vielerlei kleinen Schildkröten wimmel¬
ten. Dies ist der obere Ursprung der kalten Quelle, die sich in der Tiefe des
Bodens bis zu unserm Lagerplatz hinzieht, und dort noch einmal aus dem
Boden quillt. Noch anderthalb Stunden weiter zog sich seitwärts ein anderes
wildes Felsenthal, in welchem die oberen heißen Quellen üppig sprudeln; ihr
Geschmack ist äußerst angenehm und etwas stahlartig. Wir sahen auf dem
Wege einige Gazellen, viele Wachteln, Perl- und Frankolinhühner, allerliebste
Colibri in den buntesten Farben und einen Paradiesvogel, der erlegt wurde,
auch verschiedene Taubenarten. Auf dem Rückwege überfiel uns einer jener
tropischen Regengüsse, gegen die kein Schirm hilft, wir ließen uns ruhig durch¬
nässen und kamen triefend an das ebenfalls triefende Zelt, unter dem wir mit


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[0268] mir den Schirm und mir unterhielten uns prächtig. Plötzlich raschelt es in den Büschen, wir hören unheimliche Töne, sehen aber nichts und ich zeichne stundenlang weiter. Als ich einige Stunden darauf ans Zelt zurückkam. sagte mir ein Matrose: „Haben Sie den Leopard nicht gesehen? er ging über den Hügel, wo Sie mit Ali saßen." Ich war halb froh, halb ärgerlich, daß ich ihn nicht sah, Vielleicht hätte ich mich aber doch sehr gefürchtet, wenn ich ihn so nahe entdeckt hätte. Eine andere Begegnung war um so herzlicher. Wieder saßen wir auf einem schönen Plätzchen, als wir einen langen, hagern, einäugigen Eingebore¬ nen auf uns zukommen sahen, der sehr neugierig und forschend unsere ver¬ schiedenen Zeichnungen und Bücher musterte; als er in einem der letzteren das Bild des gekreuzigten Heilandes sah, liefen ihm die hellen Thränen über die Wangen und er rief mit wahrer Begeisterung aus: „Abraham (so hieß er nämlich) ein Christ!" Er zeigte uns nun durch Geberden und Pantomimen und indem er die bekanntesten Namen aus dem alten und neuen Testament der Reihe nach hersagte, daß er in der Bibel wohl bewandert sei und äußerte eine ungeheuchelte Freude, Glaubensgenossen gefunden zu haben. Als er nun vollends das kleine Bild geschenkt erhielt, wollte sein Entzücken kein Ende nehmen, er erbat sich einen Pinsel und schrieb die Namen „Jesus Christus", „Maria Joseph" darauf. Von diesem Augenblick wollte er uns nicht mehr verlassen und war unermüdlich in Bezeugungen seiner Anhänglichkeit und Dankbarkeit. Im Laufe des Nachmittags unternahmen wir eine kleine Entdeckungs¬ promenade zu den oberen Quellen und mußten uns durch dichtes Gestrüpp mit zolllangen Dornen hindurcharbeiten. Wir waren etwa eine Stunde gegangen und hatten auf unserer Wanderung eine große Zahl fremdartiger Bäume ge¬ sehen, an denen unzählige Vogelnester hingen und zwar jedes an einem rund gebogenen Aestchen. so daß sie gleich Früchten an den Baum gewachsen schie¬ nen. Endlich fanden wir in einem romantischen Felsenthal zwei schöne klare Bassins, die von winzigen Fischen und vielerlei kleinen Schildkröten wimmel¬ ten. Dies ist der obere Ursprung der kalten Quelle, die sich in der Tiefe des Bodens bis zu unserm Lagerplatz hinzieht, und dort noch einmal aus dem Boden quillt. Noch anderthalb Stunden weiter zog sich seitwärts ein anderes wildes Felsenthal, in welchem die oberen heißen Quellen üppig sprudeln; ihr Geschmack ist äußerst angenehm und etwas stahlartig. Wir sahen auf dem Wege einige Gazellen, viele Wachteln, Perl- und Frankolinhühner, allerliebste Colibri in den buntesten Farben und einen Paradiesvogel, der erlegt wurde, auch verschiedene Taubenarten. Auf dem Rückwege überfiel uns einer jener tropischen Regengüsse, gegen die kein Schirm hilft, wir ließen uns ruhig durch¬ nässen und kamen triefend an das ebenfalls triefende Zelt, unter dem wir mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/268>, abgerufen am 01.07.2024.