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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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weniger Schritte nebeneinander aus dem Granitfelsen hervorsprudeln. Wir
hatten alle Ursache, uns über den Wechsel dieses Aufenthalts zu freuen, da die
Kufe rein und labend, und die Aussicht auf dieser Höhe entzückend ist. Unser
Zelt erhob sich bald auf einer kleinen grünen Grasebene, die rings von schönen
bewaldeten Gebirgen eingefaßt und reich mit Gesträuchen und würzigen Kräutern
bewachsen war. Wir fanden in dem Thal viele Spuren von Elephanten, die
an den breiten, flach getretenen Fußpfaden zu erkennen sind, welche diesen
Thieren alljährlich als regelmäßige Wechsel dienen. Die Quellen selbst sprudeln
dicht nebeneinander aus kleinen Sandlöchern hervor und bilden sogleich zwischen
den großen Felsblöcken allerliebste kleine Bassins. Aus der heißen, die durch-
gehends 48" Reaumur, an einem Sprudel sogar 84" Wärme hat, sieht man
beständig die schwarzen Köpfe der kranken Eingebornen herausragen, die sich
lustig darin abkochen und große Wirkungen von diesen Bädern erwarten. Die
kalte Quelle hat hier oben sehr klares und wohlschmeckendes Wasser, verliert
aber tiefer unten ihre Frische, weil sie sich mit der heißen vereinigt.

Nachdem wir uns häuslich niedergelassen hatten, suchte ein jedes von uns,
je nach seinem Geschmack, den Tag in dieser wundervollen Gegend angenehm
zu verbringen; es wurde gezeichnet, Blumen, Käfer und Steine gesammelt.
Diesmal konnten wir auch unser kleines Mittagsmahl mit Vergnügen genießen,
da uns das schöne Wasser nicht die Speisen verdarb und Uehya uns vorsorgend
mit süßer und saurer Milch reichlich versehen hatte. Am Abend bestiegen wir
noch eine kleine Anhöhe, um die ragenden Bergketten und Thäler zu bewundern,
die uns die Länder von Tigre, Hamasan und der ScKohos bezeichneten. In
der Nacht entstand großer Lärm durch einen Löwen, der sich unserm Lagerplatz
näherte, den aber das Gebell der Wachhunde und das wechselseitige Ge¬
schrei der Leute an den Wachfeuern bald wieder in die Berge zurücktrieb.
Wahrhaft malerisch war dabei der Anblick unseres kleinen Lagers, das sich in
vier verschiedene Abtheilungen sonderte; den mittlern Raum nahm unser großes
Zelt ein; unter dem Zelt und unter den Bäumen rings um dasselbe hatten
wir Europäer uns mit unserer Dienerschaft gelagert; mehre Feuerchen brannten
in der Runde. Nahe dabei war das englische Matrosenlager; etwas höher nach
den Bergen in geringer Entfernung lagen die Albanesen und Türken, welche
sogar in der Nacht ihr Lieblingsgetränk, den Kaffee, nicht aufzugeben ver¬
mochten, dazu ihre Pfeifen rauchten und mit einer unglaublichen Zungen¬
geläufigkeit laut und schreiend sich unterhielten; das vierte Lager war das des
Raid Uehya. der mit einer großen Zahl von Eingebornen sich zunächst bei den
Quellen niedergelassen hatte.

Am 21. April früh ging die Sonne herrlich auf und wir Alle beeilten
uns den schönen Morgen zu genießen. Ich ging mit Zeichnenbuch und Farben
auf die nächste Anhöhe. Mein lieber kleiner Ali, ein neunjähriger Knabe, hielt


weniger Schritte nebeneinander aus dem Granitfelsen hervorsprudeln. Wir
hatten alle Ursache, uns über den Wechsel dieses Aufenthalts zu freuen, da die
Kufe rein und labend, und die Aussicht auf dieser Höhe entzückend ist. Unser
Zelt erhob sich bald auf einer kleinen grünen Grasebene, die rings von schönen
bewaldeten Gebirgen eingefaßt und reich mit Gesträuchen und würzigen Kräutern
bewachsen war. Wir fanden in dem Thal viele Spuren von Elephanten, die
an den breiten, flach getretenen Fußpfaden zu erkennen sind, welche diesen
Thieren alljährlich als regelmäßige Wechsel dienen. Die Quellen selbst sprudeln
dicht nebeneinander aus kleinen Sandlöchern hervor und bilden sogleich zwischen
den großen Felsblöcken allerliebste kleine Bassins. Aus der heißen, die durch-
gehends 48" Reaumur, an einem Sprudel sogar 84" Wärme hat, sieht man
beständig die schwarzen Köpfe der kranken Eingebornen herausragen, die sich
lustig darin abkochen und große Wirkungen von diesen Bädern erwarten. Die
kalte Quelle hat hier oben sehr klares und wohlschmeckendes Wasser, verliert
aber tiefer unten ihre Frische, weil sie sich mit der heißen vereinigt.

Nachdem wir uns häuslich niedergelassen hatten, suchte ein jedes von uns,
je nach seinem Geschmack, den Tag in dieser wundervollen Gegend angenehm
zu verbringen; es wurde gezeichnet, Blumen, Käfer und Steine gesammelt.
Diesmal konnten wir auch unser kleines Mittagsmahl mit Vergnügen genießen,
da uns das schöne Wasser nicht die Speisen verdarb und Uehya uns vorsorgend
mit süßer und saurer Milch reichlich versehen hatte. Am Abend bestiegen wir
noch eine kleine Anhöhe, um die ragenden Bergketten und Thäler zu bewundern,
die uns die Länder von Tigre, Hamasan und der ScKohos bezeichneten. In
der Nacht entstand großer Lärm durch einen Löwen, der sich unserm Lagerplatz
näherte, den aber das Gebell der Wachhunde und das wechselseitige Ge¬
schrei der Leute an den Wachfeuern bald wieder in die Berge zurücktrieb.
Wahrhaft malerisch war dabei der Anblick unseres kleinen Lagers, das sich in
vier verschiedene Abtheilungen sonderte; den mittlern Raum nahm unser großes
Zelt ein; unter dem Zelt und unter den Bäumen rings um dasselbe hatten
wir Europäer uns mit unserer Dienerschaft gelagert; mehre Feuerchen brannten
in der Runde. Nahe dabei war das englische Matrosenlager; etwas höher nach
den Bergen in geringer Entfernung lagen die Albanesen und Türken, welche
sogar in der Nacht ihr Lieblingsgetränk, den Kaffee, nicht aufzugeben ver¬
mochten, dazu ihre Pfeifen rauchten und mit einer unglaublichen Zungen¬
geläufigkeit laut und schreiend sich unterhielten; das vierte Lager war das des
Raid Uehya. der mit einer großen Zahl von Eingebornen sich zunächst bei den
Quellen niedergelassen hatte.

Am 21. April früh ging die Sonne herrlich auf und wir Alle beeilten
uns den schönen Morgen zu genießen. Ich ging mit Zeichnenbuch und Farben
auf die nächste Anhöhe. Mein lieber kleiner Ali, ein neunjähriger Knabe, hielt


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[0267] weniger Schritte nebeneinander aus dem Granitfelsen hervorsprudeln. Wir hatten alle Ursache, uns über den Wechsel dieses Aufenthalts zu freuen, da die Kufe rein und labend, und die Aussicht auf dieser Höhe entzückend ist. Unser Zelt erhob sich bald auf einer kleinen grünen Grasebene, die rings von schönen bewaldeten Gebirgen eingefaßt und reich mit Gesträuchen und würzigen Kräutern bewachsen war. Wir fanden in dem Thal viele Spuren von Elephanten, die an den breiten, flach getretenen Fußpfaden zu erkennen sind, welche diesen Thieren alljährlich als regelmäßige Wechsel dienen. Die Quellen selbst sprudeln dicht nebeneinander aus kleinen Sandlöchern hervor und bilden sogleich zwischen den großen Felsblöcken allerliebste kleine Bassins. Aus der heißen, die durch- gehends 48" Reaumur, an einem Sprudel sogar 84" Wärme hat, sieht man beständig die schwarzen Köpfe der kranken Eingebornen herausragen, die sich lustig darin abkochen und große Wirkungen von diesen Bädern erwarten. Die kalte Quelle hat hier oben sehr klares und wohlschmeckendes Wasser, verliert aber tiefer unten ihre Frische, weil sie sich mit der heißen vereinigt. Nachdem wir uns häuslich niedergelassen hatten, suchte ein jedes von uns, je nach seinem Geschmack, den Tag in dieser wundervollen Gegend angenehm zu verbringen; es wurde gezeichnet, Blumen, Käfer und Steine gesammelt. Diesmal konnten wir auch unser kleines Mittagsmahl mit Vergnügen genießen, da uns das schöne Wasser nicht die Speisen verdarb und Uehya uns vorsorgend mit süßer und saurer Milch reichlich versehen hatte. Am Abend bestiegen wir noch eine kleine Anhöhe, um die ragenden Bergketten und Thäler zu bewundern, die uns die Länder von Tigre, Hamasan und der ScKohos bezeichneten. In der Nacht entstand großer Lärm durch einen Löwen, der sich unserm Lagerplatz näherte, den aber das Gebell der Wachhunde und das wechselseitige Ge¬ schrei der Leute an den Wachfeuern bald wieder in die Berge zurücktrieb. Wahrhaft malerisch war dabei der Anblick unseres kleinen Lagers, das sich in vier verschiedene Abtheilungen sonderte; den mittlern Raum nahm unser großes Zelt ein; unter dem Zelt und unter den Bäumen rings um dasselbe hatten wir Europäer uns mit unserer Dienerschaft gelagert; mehre Feuerchen brannten in der Runde. Nahe dabei war das englische Matrosenlager; etwas höher nach den Bergen in geringer Entfernung lagen die Albanesen und Türken, welche sogar in der Nacht ihr Lieblingsgetränk, den Kaffee, nicht aufzugeben ver¬ mochten, dazu ihre Pfeifen rauchten und mit einer unglaublichen Zungen¬ geläufigkeit laut und schreiend sich unterhielten; das vierte Lager war das des Raid Uehya. der mit einer großen Zahl von Eingebornen sich zunächst bei den Quellen niedergelassen hatte. Am 21. April früh ging die Sonne herrlich auf und wir Alle beeilten uns den schönen Morgen zu genießen. Ich ging mit Zeichnenbuch und Farben auf die nächste Anhöhe. Mein lieber kleiner Ali, ein neunjähriger Knabe, hielt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/267>, abgerufen am 04.07.2024.