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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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Mühe noch einige trockne Kleider heraufzogen. Der Regen dauerte leider den
ganzen Abend und den größten Theil der Nacht.

Dienstag früh, den 22. April, saßen wir gerade beim Frühstück und ver¬
abredeten, was bei dem wechselvollen Wetter wohl noch für den heutigen Tag
zu unternehmen sei, als ein Eingeborener aus dem Mensathal mit einem Brief
von unsern fernen Jägern erschien und die freudige Nachricht brachte, daß
dieselben nach glücklicher Erlegung zweier Elephanten schon am folgenden Mit¬
tag in M'Kulin einzutreffen hofften. Nun galt es zu eilen, um noch vor ihnen
an Ort und Stelle zu sein; rasch wurde das Zelt zusammengelegt, Kameele
von den nahen Weiden herbeigeholt und beladen; es mochte halb zehn Uhr
sein, als wir unsere Wanderung thalabwärts, dem Dorfe Allee zu, antraten.
Dort sammelte sich wieder ein großer Theil der Bevölkerung, als der lange
Phantastische Zug herannahte. Da ein Theil der Herren einen kleinen Jagdzug
unternommen hatte, so erwarteten wir dieselben in dem Dorfe und unterhielten
uns unterdessen mit den sehr gesprächigen und neugierigen Leuten, die zu einem
ganz andern Stamme als die Bewohner der Sandar gehören und die Sprache
der Habab reden. Nach kurzer Rast zogen wir weiter durch schön bewachsene
Wiesen und kleine Waldungen, in denen wir einer Anzahl Warzenschweine mit
sehr großen Köpfen und Hauern begegneten, nach denen mehre Schüsse ver¬
geblich abgefeuert wurden. Die Sonne brannte heiß über uns und gar oft
mußten wir unter dem Schatten eines kleinen Baumes viertelstundenlang aus¬
ruhen, um neue Kräfte zu sammeln. So freundlich die Gegend auch hier noch
war, bot die Vegetation im Ganzen doch geringere Abwechselung; sie wurde
immer dürftiger, je mehr wir uns der Wüste näherten. Gegen fünf Uhr
Abends erreichten wir Mole Sahadi, wo wir eine Stunde ausrüsten und uns
von dem schlechten Wasser Thee und Chokolade bereiteten. Der Platz, an dem
wir lagerten, war sehr malerisch; wir hatten vor uns einen großen, durch
viele Wasserrinnen zerklüfteten Felsen, darin war ein kleines Becken, das wohl
in der Frühjahrszeit reich an Wasser gewesen sein mochte, jetzt aber nur noch
grünen Schlamm zeigte, in dem es von niedlichen Schildkröten wimmelte.

Weiter ging es über felsiges Gestein, mehre Stunden bergauf und berg¬
ab, bis wir endlich nach Sonnenuntergang bei sehr finsterer Nacht den tiefen,
weichen Wüstensand unter unsern Füßen gewahrten. Bon da dehnte sich der
Weg entsetzlich. Mein Maulthier war so träge, daß ich es auf dieser ganzen
Tour nur wenige Minuten ritt; überdies saß ich unbequem, da kein Zügel zum
Lenken vorhanden war, und zog daher vor, zu Fuß zu gehen. Die zwei letzten
Stunden wurden mir sauer. Dr. Billhartz, der mit seinem Thier auch nicht
zufrieden war, leistete mir Gesellschaft und ich unterhielt mich vortrefflich mit
dem gebildeten Mann, der den ganzen Weg von Theben und Kameel erzählte.
Die Hyänen heulten um die ermattete Karawane herum und endlich bellten die


Mühe noch einige trockne Kleider heraufzogen. Der Regen dauerte leider den
ganzen Abend und den größten Theil der Nacht.

Dienstag früh, den 22. April, saßen wir gerade beim Frühstück und ver¬
abredeten, was bei dem wechselvollen Wetter wohl noch für den heutigen Tag
zu unternehmen sei, als ein Eingeborener aus dem Mensathal mit einem Brief
von unsern fernen Jägern erschien und die freudige Nachricht brachte, daß
dieselben nach glücklicher Erlegung zweier Elephanten schon am folgenden Mit¬
tag in M'Kulin einzutreffen hofften. Nun galt es zu eilen, um noch vor ihnen
an Ort und Stelle zu sein; rasch wurde das Zelt zusammengelegt, Kameele
von den nahen Weiden herbeigeholt und beladen; es mochte halb zehn Uhr
sein, als wir unsere Wanderung thalabwärts, dem Dorfe Allee zu, antraten.
Dort sammelte sich wieder ein großer Theil der Bevölkerung, als der lange
Phantastische Zug herannahte. Da ein Theil der Herren einen kleinen Jagdzug
unternommen hatte, so erwarteten wir dieselben in dem Dorfe und unterhielten
uns unterdessen mit den sehr gesprächigen und neugierigen Leuten, die zu einem
ganz andern Stamme als die Bewohner der Sandar gehören und die Sprache
der Habab reden. Nach kurzer Rast zogen wir weiter durch schön bewachsene
Wiesen und kleine Waldungen, in denen wir einer Anzahl Warzenschweine mit
sehr großen Köpfen und Hauern begegneten, nach denen mehre Schüsse ver¬
geblich abgefeuert wurden. Die Sonne brannte heiß über uns und gar oft
mußten wir unter dem Schatten eines kleinen Baumes viertelstundenlang aus¬
ruhen, um neue Kräfte zu sammeln. So freundlich die Gegend auch hier noch
war, bot die Vegetation im Ganzen doch geringere Abwechselung; sie wurde
immer dürftiger, je mehr wir uns der Wüste näherten. Gegen fünf Uhr
Abends erreichten wir Mole Sahadi, wo wir eine Stunde ausrüsten und uns
von dem schlechten Wasser Thee und Chokolade bereiteten. Der Platz, an dem
wir lagerten, war sehr malerisch; wir hatten vor uns einen großen, durch
viele Wasserrinnen zerklüfteten Felsen, darin war ein kleines Becken, das wohl
in der Frühjahrszeit reich an Wasser gewesen sein mochte, jetzt aber nur noch
grünen Schlamm zeigte, in dem es von niedlichen Schildkröten wimmelte.

Weiter ging es über felsiges Gestein, mehre Stunden bergauf und berg¬
ab, bis wir endlich nach Sonnenuntergang bei sehr finsterer Nacht den tiefen,
weichen Wüstensand unter unsern Füßen gewahrten. Bon da dehnte sich der
Weg entsetzlich. Mein Maulthier war so träge, daß ich es auf dieser ganzen
Tour nur wenige Minuten ritt; überdies saß ich unbequem, da kein Zügel zum
Lenken vorhanden war, und zog daher vor, zu Fuß zu gehen. Die zwei letzten
Stunden wurden mir sauer. Dr. Billhartz, der mit seinem Thier auch nicht
zufrieden war, leistete mir Gesellschaft und ich unterhielt mich vortrefflich mit
dem gebildeten Mann, der den ganzen Weg von Theben und Kameel erzählte.
Die Hyänen heulten um die ermattete Karawane herum und endlich bellten die


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[0269] Mühe noch einige trockne Kleider heraufzogen. Der Regen dauerte leider den ganzen Abend und den größten Theil der Nacht. Dienstag früh, den 22. April, saßen wir gerade beim Frühstück und ver¬ abredeten, was bei dem wechselvollen Wetter wohl noch für den heutigen Tag zu unternehmen sei, als ein Eingeborener aus dem Mensathal mit einem Brief von unsern fernen Jägern erschien und die freudige Nachricht brachte, daß dieselben nach glücklicher Erlegung zweier Elephanten schon am folgenden Mit¬ tag in M'Kulin einzutreffen hofften. Nun galt es zu eilen, um noch vor ihnen an Ort und Stelle zu sein; rasch wurde das Zelt zusammengelegt, Kameele von den nahen Weiden herbeigeholt und beladen; es mochte halb zehn Uhr sein, als wir unsere Wanderung thalabwärts, dem Dorfe Allee zu, antraten. Dort sammelte sich wieder ein großer Theil der Bevölkerung, als der lange Phantastische Zug herannahte. Da ein Theil der Herren einen kleinen Jagdzug unternommen hatte, so erwarteten wir dieselben in dem Dorfe und unterhielten uns unterdessen mit den sehr gesprächigen und neugierigen Leuten, die zu einem ganz andern Stamme als die Bewohner der Sandar gehören und die Sprache der Habab reden. Nach kurzer Rast zogen wir weiter durch schön bewachsene Wiesen und kleine Waldungen, in denen wir einer Anzahl Warzenschweine mit sehr großen Köpfen und Hauern begegneten, nach denen mehre Schüsse ver¬ geblich abgefeuert wurden. Die Sonne brannte heiß über uns und gar oft mußten wir unter dem Schatten eines kleinen Baumes viertelstundenlang aus¬ ruhen, um neue Kräfte zu sammeln. So freundlich die Gegend auch hier noch war, bot die Vegetation im Ganzen doch geringere Abwechselung; sie wurde immer dürftiger, je mehr wir uns der Wüste näherten. Gegen fünf Uhr Abends erreichten wir Mole Sahadi, wo wir eine Stunde ausrüsten und uns von dem schlechten Wasser Thee und Chokolade bereiteten. Der Platz, an dem wir lagerten, war sehr malerisch; wir hatten vor uns einen großen, durch viele Wasserrinnen zerklüfteten Felsen, darin war ein kleines Becken, das wohl in der Frühjahrszeit reich an Wasser gewesen sein mochte, jetzt aber nur noch grünen Schlamm zeigte, in dem es von niedlichen Schildkröten wimmelte. Weiter ging es über felsiges Gestein, mehre Stunden bergauf und berg¬ ab, bis wir endlich nach Sonnenuntergang bei sehr finsterer Nacht den tiefen, weichen Wüstensand unter unsern Füßen gewahrten. Bon da dehnte sich der Weg entsetzlich. Mein Maulthier war so träge, daß ich es auf dieser ganzen Tour nur wenige Minuten ritt; überdies saß ich unbequem, da kein Zügel zum Lenken vorhanden war, und zog daher vor, zu Fuß zu gehen. Die zwei letzten Stunden wurden mir sauer. Dr. Billhartz, der mit seinem Thier auch nicht zufrieden war, leistete mir Gesellschaft und ich unterhielt mich vortrefflich mit dem gebildeten Mann, der den ganzen Weg von Theben und Kameel erzählte. Die Hyänen heulten um die ermattete Karawane herum und endlich bellten die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/269>, abgerufen am 29.06.2024.