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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band.

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meiner Gesellschaft zurück, dennoch hörte noch ein zweites Pferd herangaloppiren
und sehnte mich nach keiner ähnlichen Begegnung mehr. Jetzt begegneten wir
dem schon halb aufgelösten Rest des Hochzeitszuges in einer kleinen Schlucht
hinter Usus; tanzende Jünglinge mit kleinen Trommeln zogen ihm laut jubelnd
und singend voran.

Die Sonne senkte sich allmälig hinter der hohen Gebirgsreihe und ver¬
breitete einen rosigen Schimmer über die schöne, durch unzählige Heerden be¬
lebte Landschaft, Es war prächtig, diese schneeweißen, rothen, mausefalben und
kohlschwarzen Kühe -- gefleckte gab es wenige -- mit ihren langen weitge¬
schweiften Hörnern zu sehen. Sie sahen fast Antilopen ähnlich, ganz verschieden
von unsern Rindern. Aber wenn man ihr fremdartiges Aussehen vergessen
konnte, war es fast ein Anblick, wie ihn man bei Annäherung der Alpen in
Oberbayern oft genießt. Das große Dorf Gumhod lag breit vor uns und sah
mit seinen von dichten, frischgrünen Schlinggewächsen umrankten Hüttchen gar
malerisch aus. Zuweilen wurde der Weg enge durch die Fülle der Lianen,
welche sich um die Bäume schlangen, und ein unbeschreiblich köstlicher Frühlings¬
blüthengeruch erfüllte die Luft. Die Sonne ging wunderschön roth unter und
sogleich wurde es finster, bis das ausgehende Mondlicht wieder einen Dämmer-
schein auf unsern Weg warf. Und jetzt ritten wir eine weite Strecke zwischen
einzelnen Durhafeldern in dem bläulich blassen Dämmerlicht des Mondes dahin.
Dann führten uns schmale Pfade zwischen Hecken, bis wir endlich das Dorf
Allee erreichten.

In Allee wurde angehalten, um Milch zu trinken und dann in der Dunkel¬
heit weiter geritten, bis uns der steinige Weg zum Gehen nöthigte. Wir hatten
einen längern Aufenthalt, weil uns die Eingebornen, in ihrer feigen Furcht
vor Löwen, nicht weiter begleiten wollten. Nur durch ernste Drohungen gelang
es dem Consul sie zum Gehorsam zu zwingen, und zaghaften Schrittes stellten
sich Einige an die Spitze unseres Zuges.

So zogen wir in die Nacht dahin; wir mußten uns im dichten Walde
durch allerlei dorniges Gestrüpp hindurcharbeiten, über wild durcheinander¬
liegende Steine und Felsblöcke stolpern und gelangten endlich am Abhang eines
Hügels in eine enge Schlucht, an deren Ausgang sich ein ziemlich offener Platz
befand, der als Kuhhalde diente. Die finstere Nacht lag über uns, es war
nicht rathsam weiter zu gehen, und da wir ein frisches Bächlein rieseln hörten,
das erste, seit wir uns in diesem Theil von Afrika befanden, so entschlossen
wir uns, trotzdem der Platz sonst nicht eben einladend war, für diese Nacht
hier zu bleiben und unser Zelt aufzuschlagen. -- Da uns die Mücken durch
die ganze Nacht keine Ruhe ließen, so zogen wir in der Frühe des folgenden
Morgens mit allem Gepäck an dem Flüßchen hinauf zu einer Stelle oberhalb
der untersten Quellen, welche, die eine kalt, die andere heiß, in der Entfernung


meiner Gesellschaft zurück, dennoch hörte noch ein zweites Pferd herangaloppiren
und sehnte mich nach keiner ähnlichen Begegnung mehr. Jetzt begegneten wir
dem schon halb aufgelösten Rest des Hochzeitszuges in einer kleinen Schlucht
hinter Usus; tanzende Jünglinge mit kleinen Trommeln zogen ihm laut jubelnd
und singend voran.

Die Sonne senkte sich allmälig hinter der hohen Gebirgsreihe und ver¬
breitete einen rosigen Schimmer über die schöne, durch unzählige Heerden be¬
lebte Landschaft, Es war prächtig, diese schneeweißen, rothen, mausefalben und
kohlschwarzen Kühe — gefleckte gab es wenige — mit ihren langen weitge¬
schweiften Hörnern zu sehen. Sie sahen fast Antilopen ähnlich, ganz verschieden
von unsern Rindern. Aber wenn man ihr fremdartiges Aussehen vergessen
konnte, war es fast ein Anblick, wie ihn man bei Annäherung der Alpen in
Oberbayern oft genießt. Das große Dorf Gumhod lag breit vor uns und sah
mit seinen von dichten, frischgrünen Schlinggewächsen umrankten Hüttchen gar
malerisch aus. Zuweilen wurde der Weg enge durch die Fülle der Lianen,
welche sich um die Bäume schlangen, und ein unbeschreiblich köstlicher Frühlings¬
blüthengeruch erfüllte die Luft. Die Sonne ging wunderschön roth unter und
sogleich wurde es finster, bis das ausgehende Mondlicht wieder einen Dämmer-
schein auf unsern Weg warf. Und jetzt ritten wir eine weite Strecke zwischen
einzelnen Durhafeldern in dem bläulich blassen Dämmerlicht des Mondes dahin.
Dann führten uns schmale Pfade zwischen Hecken, bis wir endlich das Dorf
Allee erreichten.

In Allee wurde angehalten, um Milch zu trinken und dann in der Dunkel¬
heit weiter geritten, bis uns der steinige Weg zum Gehen nöthigte. Wir hatten
einen längern Aufenthalt, weil uns die Eingebornen, in ihrer feigen Furcht
vor Löwen, nicht weiter begleiten wollten. Nur durch ernste Drohungen gelang
es dem Consul sie zum Gehorsam zu zwingen, und zaghaften Schrittes stellten
sich Einige an die Spitze unseres Zuges.

So zogen wir in die Nacht dahin; wir mußten uns im dichten Walde
durch allerlei dorniges Gestrüpp hindurcharbeiten, über wild durcheinander¬
liegende Steine und Felsblöcke stolpern und gelangten endlich am Abhang eines
Hügels in eine enge Schlucht, an deren Ausgang sich ein ziemlich offener Platz
befand, der als Kuhhalde diente. Die finstere Nacht lag über uns, es war
nicht rathsam weiter zu gehen, und da wir ein frisches Bächlein rieseln hörten,
das erste, seit wir uns in diesem Theil von Afrika befanden, so entschlossen
wir uns, trotzdem der Platz sonst nicht eben einladend war, für diese Nacht
hier zu bleiben und unser Zelt aufzuschlagen. — Da uns die Mücken durch
die ganze Nacht keine Ruhe ließen, so zogen wir in der Frühe des folgenden
Morgens mit allem Gepäck an dem Flüßchen hinauf zu einer Stelle oberhalb
der untersten Quellen, welche, die eine kalt, die andere heiß, in der Entfernung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_116464/266>, abgerufen am 04.07.2024.